Ina Roß, Die Eroberung des Museums. Aneignung und Mitgestaltung des Tribal Museums Bhopal durch seine indischen Besucher*innen, transcript Verlag, Bielefeld, 2023
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Die Eroberung des Museums von Ina Roß setzt sich mit der Aneignung und Mitgestaltung des 2013 in Zentral-Indien, im Staat Madhya Pradesh gegründeten Tribal Museum der Stadt Bhopal durch dessen Besucher_innen auseinander. Die 2023 im transcript Verlag erschienene Studie ist die überarbeitete Version einer vom Institut für Kulturmanagement und Gender Studies an der mdw angenommenen Doktorarbeit. Die Autorin, die Kulturmanagement und Künstler_innenmarketing an der Universität des Saarlandes und der Hochschule der Künste Saar lehrt, war zuvor fünf Jahre als Dozentin an der National School of Drama und der Jamia Millia Islamia University in Neu-Delhi tätig. Die qualitativ angelegte Studie fußt auf der Auswertung von Publikumsstatistiken, internen Museumsreports, einem Besucher_innenbuch, eigenen Beobachtungen des Publikumsverhaltens und achtzig 10- bis 30-minütigen Gesprächen mit Besucher_innen und administrativem sowie künstlerischem Personal des Museums, die die Autorin zwischen 2015 und 2018 geführt hat. Statt über die Sammlung, dem kuratorischen Ansatz oder die manageriale Praxis nähert sich die Autorin dem Forschungsgegenstand vor allem über die Analyse der vielfältigen Interaktionsformen und Nutzungspraktiken durch ein überwiegend lokales Publikum. Das ca. 315 Seiten umfassende Buch ist – nach einer Einleitung und einem Kapitel zur Methodik – in drei Teile gegliedert. Der erste der drei Teile stellt einen Abriss über Museen und Publika in Indien dar. Im zweiten Teil wird das Tribal Museum Bhopal eingehend vorgestellt. Im dritten und zugleich umfangreichsten Teil identifiziert die Autorin sechs Nutzungskategorien, die vom Museum als Ort fürs Dating, als Platz für Picknick, als Lernraum, als Nostalgie- und Erinnerungsraum, als Kulisse für Selfies, als Ort für künstlerische Inspiration und als Ideengeber für Kunsthandwerk und Alltagsgestaltung reichen. Hieraus abgeleitet werden vier distinkte Aneignungsmuster (soziale Landnahme, affektive Aufladung, biografische Aufwertung sowie kognitive und produktive Rezeption), deren Potenzial für die Besucher_innenentwicklung in Indien die Autorin nachdrücklich hervorhebt. Der ausführliche Anhang bietet Informationen zu Organisationsstruktur, Organigramm und Raumplänen, zu den an der Ausgestaltung des Museums beteiligten indigenen Gemeinschaften, zur Gründungskommission für das Museum und zu Publikumszahlen der Jahre 2018 und 2019. Die vorliegende Studie zu einem tribalen Museum in Indien dürfte die Aufmerksamkeit verstärkt auf den Museums- und Kultursektor in Südasien und die Vielfalt an Interaktionspraktiken durch lokale Besucher_innen über den indischen Kontext hinaus lenken.

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