Ob das jetzt so die „Burner-Story“ sei, frage er sich schon, sagt Enzo Brumm gleich zu Beginn des Gesprächs. Der 25-jährige Schauspielstudent ist im vierten und letzten Studienjahr am Max Rainhardt Seminar. Als Jugendlicher war Brumm im Jugendclub des Ernst Deutsch Theaters in Hamburg, nun kehrt er für eine Produktion dorthin zurück: als Schauspieler in der Inszenierung von Don Carlos. Bei einem kleinen Braunen an einem sonnigen Herbsttag im Hof des Museumsquartiers erzählt er sympathisch unprätentiös, warum ihm sein erstes Vorsprechen immer noch peinlich ist, von unbewusster Kompetenz und welches Fach ihn während des Schauspielstudiums besonders genervt hat.

Wann haben Sie fürs Theater Feuer gefangen?

Enzo Brumm (EB): In der zehnten Klasse wählte ich Theater, weil ich mir dachte, da kann ich ohne viel Aufwand eine gute Note bekommen. Aber dann hat es mir überraschend viel Spaß gemacht, und als ich erfuhr, wie schwierig es ist, an einer staatlichen Schauspielschule genommen zu werden, dachte ich mir: Das muss ich ausprobieren.

Als Sie mit der Schule fertig waren, wirkten Sie im Jugendclub am Ernst Deutsch Theater in Hamburg mit. Was passierte dort?

EB: Das Format „Performance +“ war kein klassischer Schauspiel-Jugendclub, sondern wir haben selber Stücke entwickelt. Oft gab es ein Thema, zu dem wurde recherchiert. Wir haben Texte gesammelt und geschrieben und sehr viel ausprobiert: Alles unter der Regie von Gesche Lundbeck. Währenddessen habe ich mich an den unterschiedlichsten Schauspielschulen beworben.

Wie viele Male sind Sie angetreten?

EB: Hier in Wien nur einmal, aber ich habe insgesamt über drei Jahre verteilt so 15 Vorsprechen gemacht. Mal mit mehr Ernst, mal mit weniger.

Erinnern Sie sich an Ihr erstes Vorsprechen?

EB: Das war an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin, und ich bin in der ersten Runde rausgeflogen. Wenn ich daran denke, ist mir das bis heute unangenehm. Es war klassisch: Junger Typ kommt gerade von der Schule und glaubt, er rockt das jetzt. Ich habe Macbeth gespielt und zehn Minuten durchgebrüllt. Nicht so gut.

Warum stehen Sie gerne auf der Bühne?

EB: Ich habe Ideen, was ich antworten kann, aber ich weiß ja noch gar nicht, wie es sich anfühlt, wenn man wirklich anfängt, Theater zu spielen. Die Erfahrung in der Ausbildung ist ja vielleicht nicht ganz die Erfahrung, die man auch im Berufsleben macht. Aber die Vorstellung, mir ein Kostüm anzuziehen und für einen gewissen Zeitraum in eine andere Welt einzutauchen, ist eine sehr schöne Vorstellung.

Sie sind jetzt in Ihrem letzten Studienjahr und haben bereits ein Engagement: Sie spielen Anfang nächsten Jahres am Ernst Deutsch Theater in Don Carlos mit. Wie fühlt sich das an?

EB: Wir waren drei Jahre lang in einem geschützten Rahmen, und jetzt müssen wir raus. Dass ich ein Engagement außerhalb der Uni habe, nimmt schon ein bisschen die Zukunftsangst und den Druck, der am Ende des Studiums ganz normal ist. Selbst wenn es erst einmal nur für eine Produktion ist. Wir spielen den Don Carlos en suite, und ich glaube, es wird von vorne bis hinten eine lehrreiche Erfahrung. Ich habe noch nie 30 Mal hintereinander ein Stück gespielt.

© Lalo Lucia Jodlbauer

Sie hatten gerade das Absolvent_innen-Vorspiel vor Intendantinnen und Intendanten und fahren im November auch noch nach Neuss, Berlin und München zum großen Vorspiel der deutschsprachigen Schauspielschulen. Wünschen Sie sich, dass dabei ein Festengagement herauskommt?

EB: Ich habe schon sehr Lust auf Theater und bin gespannt, was das Absolvent_innen-Vorsprechen bringt. Aber es ist nicht so, dass ich krass den Traum und die Hoffnung habe, dass es jetzt auf jeden Fall ein Fixengagement gibt. Auch Performance oder Film würde mich interessieren.

Welches Fach hat Sie am meisten genervt im Studium?

EB: Es ist ein Fach, das ich auch gleichzeitig sehr geliebt habe: Karatedo. Eine Art Karate, bei der man anderthalb Stunden immer wieder die gleichen Bewegungen macht, die zum Teil total schwer zu koordinieren sind fürs Gehirn. Weil da Abläufe reinkommen, die man sich kaum merken kann. Man muss sich konzentrieren und geduldig sein; das hat mich oft extrem nervös gemacht. Aber ich glaube, es war ein total gutes Training fürs Körperbewusstsein.

Wie haben Sie sich weiterentwickelt seit der Erfahrung im Jugendclub?

EB: In der Schule und im Jugendclub war ich sehr viel freier, weil ich die Sachen mit völliger Überzeugung gemacht und mich komplett reingeworfen habe. Dann kam die Studienzeit. Bei uns an der Uni gibt es vier Lernschritte: die unbewusste Inkompetenz, die bewusste Inkompetenz, die bewusste Kompetenz und die unbewusste Kompetenz.

Das bedeutet?

EB: Das bedeutet, dass man erst einmal unbewusst technisch nichts kann und es auch nicht reflektieren kann. Nachdem man auf seine Baustellen aufmerksam gemacht wurde, versucht man, daran zu arbeiten: sei es die Sprache, sei es der Körper. Die Umsetzung wird dann zur bewussten Kompetenz. Und der finale Schritt ist die unbewusste Kompetenz: Die Freiheit und das freie Spiel kommen zurück, mit dem Unterschied, dass man nun kompetent dabei ist.

Und wo stehen Sie?

EB: Unbewusste Inkompetenz … (lacht). Ich merke schon, dass ich versuche, alles, was ich gelernt habe, wieder ein bisschen loszulassen und nicht immer die Stimme von irgendwelchen Dozierenden im Kopf zu haben. Da kommt schon so eine Losgelöstheit zurück. Aber natürlich ist der Lernprozess mit Ende des Studiums bei Weitem nicht abgeschlossen. Wir sind Anfänger_innen und stehen noch ganz am Anfang unseres Berufslebens. Von unbewusster Kompetenz kann da keine Rede sein.

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