Alte Musik an der mdw (bzw. an ihren Vorgängerorganisationen) kann man wohl schon in der Gründungszeit als Konservatorium vor mehr als 200 Jahren finden. Das wachsende (musik)historische Interesse dieser Zeit begünstigte das Neuerklingen historischer Kompositionen besonders in gebildeten Kreisen. Als sich im Laufe des 19. Jahrhunderts ein gewisser Kanon an bedeutenden Komponisten und Werken etablierte, schaffte es auch der eine oder andere „alte Meister“, allen voran Händel und Bach, darin aufgenommen und damit Teil der musikalischen Ausbildung zu werden. Eine besondere Interpretation und damit spezialisierte Lehre erforderte das freilich noch nicht.

Verschiedene Strömungen im beginnenden 20. Jahrhundert förderten das Interesse an vergangenen Epochen, es kam zu einer Idealisierung und Neu(er)findung von Musik vergangener Zeit. Weitgehend aus dem Gebrauch verschwundene Instrumente wie Lauten oder Blockflöten wurden ins Blickfeld gerückt. In diesen Strömungen standen vielfach nicht die tatsächliche historische Kunst im Mittelpunkt, sondern vereinfachte, von möglichst allen spielbare Musik und Instrumente. Das breite Interesse am Alten förderte aber auch die Auseinandersetzung mit wirklich Historischem und so konnte sich nach dem 2. Weltkrieg die Erforschung und Wiederbelebung der Alten Musik und ihrer speziellen Musizierpraxis auch an der Musikakademie entfalten. Bereits 1949 wurden zwei Sonderlehrgänge im Bereich Alte Musik eingerichtet: einer für Gambe und einer für Viola d’amore. Zeittypisch ist eine enge Verknüpfung des Alten mit Neuem – so sollten sich auch diese Lehrgänge neben der historischen Spielweise mit dem Einsatz der Instrumente in neuer Musik befassen.

Von den vielen Lehrenden, die sich unterschiedlichen Bereichen der Alten Musik engagiert widmeten, können hier nur einzelne Erwähnung finden. Die wohl signifikanteste Persönlichkeit war Josef Mertin. Er war nicht nur musikalisch und musikhistorisch gebildet, sondern hatte auch das Handwerk des Orgelbaus erlernt. Nach dem 2. Weltkrieg bis in die 1970er-Jahre unterrichtete er das in mehreren Studienrichtungen verankerte Collegium musicum. Die Teilnahme an diesem historischen Ensemblespiel mit einem bisweilen eher spontan gestalteten Unterricht und ebensolchen Aufführungen wie auch das vermittelte theoretische Wissen wirkte auf zahlreiche Musiker_innen, die als Konzertierende (als Prominentester ist wohl Nikolaus Harnoncourt anzuführen) oder auch Lehrende an der Musikakademie die folgenden Jahrzehnte prägten. Als Lehrende wirkten etwa René Clemencic (Blockflöte und Ornamentik), Gustav Leonhardt (Cembalo) und Jürg Schaeftlein (Oboe). Aber auch Karl Scheit, der das Gitarrenspiel mit großem Interesse an historischen Praktiken unterrichtete, stand in engem musikalischem Kontakt mit Mertin.

Einige Instrumente der Alten Musik waren im Konzertleben und auch an der Musikakademie bereits früher relativ gut etabliert, beispielsweise die Orgel. Mit seiner neuen historisierenden Interpretationsweise tritt hier besonders Anton Heiller hervor, der gleich nach dem Krieg mit erst 22 Jahren zu unterrichten begann. Am Cembalo wirkten und forschten u. a. Eta Harich-Schneider und Isolde Ahlgrimm. Zweitere setze mit ihren Interpretationen von Bach und Mozart auf Cembalo und Fortepiano wichtige Impulse, auch für die junge Pianist_innengeneration, und beeinflusste damit unter anderem Paul Badura-Skoda, der später selbst als Klavierprofessor wirkte.

Zunehmend rückte neben der Praxis auch die theoretische Suche nach einem „stilistisch richtigen“ Interpretieren und Verstehen des Notentextes in den Vordergrund. 1957 wurde eine „Stilkommission“ eingerichtet, die sich mit grundlegenden Fragen der Historischen Aufführungspraxis befassen sollte. Der Weg führte 1987 zu einer eigenen Lehrkanzel für Stilkunde und Aufführungspraxis (unter Hartmut Krones), die 2002 zum Institut für Musikalische Stilforschung wurde (bis 2016).

Als Mertin 1974 emeritierte, galt es, die Alte Musik neu aufzustellen. Ein Lehrgang für historische Instrumentenpraxis, geleitet von Eduard Melkus, wurde eingerichtet. Gleichzeitig war es bereits eine neue Generation von Musiker_innen, die besonders im Umfeld der Musikpädagogik zahlreiche Aktivitäten entwickelte und so für immer mehr Instrumente – neben dem Erlernen der modernen Form – auch die Möglichkeit einer Auseinandersetzung mit historischen Varianten schaffte. 2004 wurde schließlich an der mdw eine eigene Professur für Historische Musikpraxis eingerichtet, auf die Ingomar Rainer berufen wurde.

Der lange Weg der Alten Musik hin zu einem eigenen Institut war spannend, bisweilen auch spannungsreich und steinig. Viel hat sich im Lauf der Jahrzehnte verändert und weiterentwickelt – auch was unter Alter Musik verstanden wird. Nicht mehr ausgewählte „alte Meister“ bestimmter Epochen stehen nun im Mittelpunkt des Interesses, sondern das ganze unerschöpflich weite Repertoire, das in die Frühzeit notierter Musik zurück und bis in das 19. Jahrhundert reichen kann. Aus dem Experimentieren mit und auf Instrumenten, aus dem bisweilen einzelkämpferischen Forschen, ist eine auch institutionell vereinte professionelle Ausbildung auf fundierter praktischer wie auch theoretischer Basis geworden.

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