„Du Travnicek, hast g’hört, die Oper ham’s aa zuag’sperrt.“
„Ja, und fehlt sie dir?“
„Naa, von mir aus kenntat’s ganz zua bleim!“1

Ich melde mich aus meinem Homeoffice, das ich zurzeit krisenbedingt teilzeitig als Webinarlecturer und sonst als „Facility Manager on Duty“ bedienste. Heißt zu Deutsch: Ich arbeite zurzeit von zu Hause via Computer und putze selbst.

Ich hoffe, ihr seid alle gesund und wohlauf in einer Zeit, die sich seltsam anfühlt, zumindest für mich so noch nie da gewesen ist und, wenn sie es schon nicht ist, zumindest einmalig bleibt. Ich verfolge Nachrichten, lese Zeitung, informiere mich übers Netz und werde bombardiert mit Informationen aller Art – mit zum Teil haarsträubendem Inhalt.

Vor wenigen Tagen hat mich meine Tochter gefragt: „Na, fehlt dir die Uni, fehlt dir das Konzertespielen?“ Ich muss sagen, dass ich gar keine einfache Antwort darauf fand und das fand ich dann doch erstaunlich. „Lustig“, denke ich, „das Spielen ist zwar erst drei Wochen weg, es fühlt sich aber an wie drei Jahre.“ Der Kontakt zum Publikum fehlt besonders. Das Reisen fehlt gar nicht …

Ich gehe meiner Arbeit nach, es fühlt sich aber nicht so an. Ich arrangiere und komponiere täglich Musikstücke. Für wen eigentlich? Ich halte telefonischen Kontakt mit all meinen Studierenden. Es geht ihnen gut. Überhaupt kommt mir vor, dass in dieser Zeit so viel geübt und komponiert wird wie schon lange nicht. Das werden wieder einmal richtig schöne, lange und vor allem vollendete Sinfonien. Musikschüler_innen und Studierende bekommen jetzt mehrmals Besuch von der „Webmusikschule“, weil die ja jetzt endlich mal Zeit hat dafür. Die Studierenden üben wie besessen (wenn es die Nachbarn erlauben und/oder ein passendes Instrument verfügbar ist, denn wer hat schon ein Hammerklavier zu Hause – ein abgestaubtes, wohlgemerkt!), weil sie jetzt endlich nichts anderes tun können als üben. Und alle berichten von Fortschritten, die jetzt endlich einmal stattfinden können, denn im alten Arbeitsleben, das vor drei Wochen jäh ein Ende fand, ist ja nie genug Zeit dafür gewesen. Warum eigentlich? Zählt der Hamster im Käfig eigentlich seine Runden im Rad oder stellt er sie zumindest infrage? Nein, denn dafür bräuchte er eine Uhr, Zeit hat er ja. – Wir hätten übrigens gerade beides …

Die Zeit fühlt sich an wie Ferien (herrje, die kommen ja auch noch), allerdings mit latent schlechtem Gewissen. Dagegen hilft nur der tägliche Blick in die mdw-Mailbox, gleich in der Früh, denn da steht hoffentlich schon, wie viele Runden im Rad heute zu absolvieren sein werden.

Ich unterrichte online und ertappe mich schon nach zwei Wochen, es gar nicht so schlecht zu finden im Vergleich zum „alten“ Unterrichten. „Manches“, denke ich dann „ist sogar besser.“ Und das Gespräch mit den Studierenden bringt zum Teil Bestätigung? Blödsinn! Nichts ist besser, ich gewöhne mich da gerade an eine Notlösung – und da heißt es aufpassen!

Ich kann, wahrscheinlich können wir alle nichts anderes als das, was wir können, was wir ja gelernt haben. Wir sind allesamt Musiker_innen, zum Teil noch analog gepolte Fossile zwar, aber Kreativköpfe vor dem Herrn – und vor der Dame. Wir sind Seiltänzer, Feuerschluckerinnen, Wortklauber und Sinnverdreherinnen, ja, wir sind im wahren Sinne des Wortes ver-rückt – und das ist gut so. Wir haben noch gelernt, aus feinen Achtelnoten wärmende Jacken gegen die soziale Kälte zu häkeln, con anima, versteht sich!

Aber wir sind abhängig von Menschen, die sich von uns verrücken lassen, die, aus was für Beweggründen auch immer, zu uns ins Konzert kommen (wenn sie nur könnten), die zu uns an die mdw Musik studieren kommen (wenn sie können).

Ich bin kein Pessimist, es bringt für mich einfach nichts, die Lage totzujammern. Doch eines ist mir schon sehr klar geworden: Bevor diese Menschen sich nun auch langsam daran gewöhnen, dass es zu Hause doch am sichersten ist, ganz ohne Live-Kultur, müssen wir Kunstschaffenden alles in unserer Macht Stehende tun, damit das, was jetzt gerade virtuell passiert (und sei es noch so kreativ), weil es eben sein muss, nicht zum neuen Standard mutiert. Wir müssen also auch den Kontakt zu unserem Publikum halten und die Weichen für die Zeit nach der Krise bereits jetzt stellen. Dann haben all die Alternativmethoden, die jetzt sein müssen, schlagartig einen tieferen Sinn.

Drum mache ich mich jetzt wieder an die Arbeit und beheize den Ideenherd, auf dass ein bekömmliches Menü daraus entstehe.

  1. nach den Travnicek-Dialogen von Helmut Qualtinger und Gerhard Bronner (C. Merz/H. Qualtinger)
Comments are closed.