Ein Ausblick auf die Tagung Geschlechtervielfalt an Universitäten am 25. November 2020 an der mdw

Es tut und bewegt sich etwas in der Ausdruckswelt der Geschlechterrealitäten. Auch wenn der Begriff „nicht-binär“ im öffentlichen Diskurs um die Auseinandersetzung mit Geschlechtervielfalt relativ neu ist – das, wofür er steht, ist nicht ganz so neu und Teil langjähriger queer-feministischer Kämpfe und postkolonialer Kritik. Es geht um das Aufbrechen einer binären Denklogik und um die Dekonstruktion einer normativen Zwei-Geschlechter-Ordnung. Nach dieser existieren nur zwei Geschlechter (männlich und weiblich) mit bestimmten fest zugeschriebenen Rollen und Erwartungen, wobei nur heterosexuelles Begehren zwischen diesen beiden Geschlechtern als natürlich gegeben und somit normal gilt. „Ohne Zwangsheterosexualität, Heteronormativität und erzwungene Zweigeschlechtlichkeit würde z. B. die genderspezifische Arbeitsteilung keinen Sinn machen“, führt Katharina Walgenbach1 aus und verweist damit auch auf die machtstabilisierende Funktion der Zwei-Geschlechter-Ordnung.

Nicht-binäre, trans* oder inter* Personen sehen sich außerhalb dieser dichotomen Geschlechterkategorien. Nicht-binär hat dabei viele verschiedene Ausprägungen und kann – ähnlich wie genderqueer – sowohl als Oberbegriff, politisches Statement oder als individuelle Identitätsbezeichnung fungieren:

„Nicht-binäre Menschen können trans oder cis, inter oder dyadisch sein. Sie können weiblich, männlich, beides, weder-noch, vieles, mehreres, femme, agender, neutrois oder etwas ganz anderes sein. Sie können feminin, maskulin, queer und politisch sein. Sie können unterschiedliche, neue oder alte, mehrere, wechselnde oder keine Pronomen benutzen. Sie können die unterschiedlichsten Körper, Transitionsbedürfnisse oder -erfahrungen haben oder nichts von alldem.“2

Seit 2019 ist in Österreich der Geschlechtseintrag „divers“ als dritte Option neben „männlich“ und „weiblich“ im Personenstandsregister möglich. Der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in seinem Beschluss vom 15. Juni 2018 entschieden, dass Geschlechtsidentität zum geschützten Privat- und Familienleben zählt. Der VfGH bezieht sich dabei auf Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der die „selbstbestimmte Ausübung des Rechts auf individuelle Geschlechtsidentität“ vorsieht. Selbstbestimmung ist das, worum es hier geht.

Diesem Gesetzesaufruf haben Universitäten zu folgen, die sich bisher am gängigen Zwei-Geschlechter-Denken orientierten und daher einige ihrer Praktiken und Vorgehensweisen diesbezüglich ändern müssen, wie zum Beispiel (Lehr)inhalte, Abläufe (bspw. Erweiterung einer dritten Geschlechtsoption in mdwOnline), Räume (Stichwort All-Gender-Toiletten), Dokumente sowie Datenerfassungen und -auswertungen oder Sprachgebrauch. Eine umfassende und tiefergehende Beschäftigung mit Geschlechtervielfalt ist daher notwendig und wirkt in viele unterschiedliche Arbeitsbereiche und Themenfelder hinein.

Wie kann Ausschlüssen und Benachteiligungen von trans*, inter* und nichtbinären Personen aktiv entgegengewirkt werden? Welche Chancen, Auswirkungen und Perspektiven gehen damit für Universitäten einher? Wie können Universitäten – Lehrende, Studierende und Mitarbeiter_innen der Verwaltung – Verbündete queerer Politik werden?

Diesen Fragen widmet sich die Tagung Geschlechtervielfalt an Universitäten – Repräsentationen, Strategien und Handlungsmöglichkeiten, die in Kooperation mit der Universitätenkonferenz (Uniko) am 25. November 2020 an der mdw stattfindet. Die ins Thema einführende Keynote wird die Professorin für Musiksoziologie Rosa Reitsamer halten. Danach haben alle Teilnehmer_innen die Möglichkeit, gemeinsam mit Expert_innen in moderierten Arbeitsgruppen zu den Themen Recht (Eva Matt), Lehre & Forschung (Ela Posch), Ressourcen & Infrastruktur (Andrea Braidt, Ingrid Schacherl), Kommunikation (Boka En) sowie Allianzenbildung (Philipp Rouschal) Strategien und Maßnahmen zu diskutieren, ihre Erfahrungen zu teilen und sich auszutauschen. Ziel der Tagung ist es, Handlungsmöglichkeiten für Universitäten und Universitätsangehörige aufzuzeigen, institutionelle Zwischenräume ausfindig zu machen und zur Vernetzung untereinander anzuregen.

Geschlechtervielfalt an Universitäten – Repräsentationen, Strategien und Handlungsmöglichkeiten
Eine Tagung der Universitätenkonferenz (Uniko)
und der Stabstelle Gleichstellung, Gender Studies und Diversität (GGD)
Joseph Haydn-Saal, Anton-von-Webern-Platz 1, 1030 Wien
Mittwoch, 25. November 2020, 10.30 – 16.30
Programm und Anmeldung

  1. Walgenbach, Katharina (2012). Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität. Verlag Barbara Budrich, Opladen, Berlin, Toronto. S. 17
  2. Gagarim, Yori (2017). „Hä? Was heißt denn nicht-binär?“, Missy Magazine, online unter https://missy-magazine.de/blog/2017/10/04/hae-was-heisst-denn-nicht-binaer [5. 3. 2020]
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