Die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen ist ein integraler Bestandteil des wissenschaftlichen Arbeitens, von dem nicht zuletzt akademische Karrieren in besonderer Weise abhängen („publish or perish“). Nachwuchswissenschaftler_innen sind daher angehalten, sich bereits zu Beginn ihrer Laufbahn Gedanken zu geeigneten Publikationsformaten und -orten zu machen. Wie sehr diese Fragen bereits Doktoratsstudierende beschäftigen, wird auch an speziellen Coaching-Angeboten für diese Zielgruppe deutlich. So wurde beispielsweise im Oktober 2018 an der Akademie der bildenden Künste Wien ein Workshop mit dem Titel Kanäle des Publizierens – wie entwickle ich eine Publikationsstrategie? abgehalten; auch die mdw bietet regelmäßig entsprechende Kurse an, etwa den für Mai 2019 angekündigten Workshop „Writing Publishable Articles“, dessen erklärtes Ziel es ist, zu vermitteln „how to write English papers that are […] polished for publication in international journals“1.

In den geistes- und kulturwissenschaftlichen Fächern wird die Auswahl des bevorzugten Publikationsortes und -formats jedoch nicht allein durch inhaltliche Kriterien bestimmt, sondern zunehmend von karrierestrategischen Überlegungen dominiert, die die Nachwuchswissenschaftler_innen oftmals vor ein Dilemma stellen: Genießt die Veröffentlichung von Dissertationen (und Habilitationen) in Form von Monografien zwar weiterhin fachintern großes Ansehen und ist für das Einschlagen einer akademischen Karriere beziehungsweise für das erfolgreiche Durchlaufen eines Berufungsverfahrens unabdingbar, so zählen hingegen bei der Vergabe von Forschungsmitteln durch Drittmittelgeber meist lediglich Publikationen, die ein Peer-Review-Verfahren durchlaufen haben.

Auch der österreichische Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) nennt in seinen aktuellen Richtlinien für die Antragsstellung2 das Peer-Review als wesentliches Kriterium zur Beurteilung der Publikationsleistung des/der Antragstellenden und zur Einleitung des Begutachtungsverfahrens. Dabei verkennen die Richtlinien die historisch gewachsene und den verschiedenen Forschungsgegenständen und Erkenntnisinteressen geschuldete Diversität der Publikationsformen in den geistesund kulturwissenschaftlichen Disziplinen, in deren Zentrum meist Monografien, Quellen- und Werkeditionen stehen. Diese zentralen Publikationsformate erfahren durch die FWF-Richtlinien eine Abwertung. Zeitschriften mit Peer-Review stellen nicht in allen Disziplinen das relevanteste Publikationsmedium dar; vielfach weisen etwa die für den Fachdiskurs zentralen Zeitschriften ein anderes qualitätssicherndes Verfahren auf. Indem die vom FWF geforderten Qualitätssicherungsstandards die etablierten Praktiken in zahlreichen geistes- und kulturwissenschaftlichen Fächern nicht widerspiegeln, wird es für diese Disziplinen zunehmend schwer, überhaupt zur Antragstellung zugelassen zu werden. Zudem werden auf diese Weise wesentliche Kriterien von Innovation und Qualitätssicherung in den Geistes- und Kulturwissenschaften durch den FWF nicht anerkannt, obwohl der FWF laut seinem Leitbild allen Wissenschaften in gleicher Weise verpflichtet sein möchte.3

Die Richtlinien des FWF waren der Anlass für eine auf Initiative des Präsidiums der Österreichischen Gesellschaft für Musikwissenschaft im Juni 2018 abgehaltene interdisziplinäre Arbeitstagung zum Thema Qualitätssicherung in geistes-/kulturwissenschaftlichen Publikationen an der mdw. Die Veranstaltung unter Leitung von Melanie Unseld stieß auf großes Interesse; die Ergebnisse der Diskussion wurden in einem Arbeitspapier festgehalten. Zentrales Anliegen war es, „das Bewusstsein für die Diversität qualitätsgesicherter Publikationen“ zu stärken und auf eine Änderung der FWF-Richtlinien hinzuwirken, die „der Diversität, Eigenwertigkeit und Qualitätssicherheit geistes-/ kulturwissenschaftlicher Publikationen und der darin zum Tragen kommenden Methoden und Darstellungsformen“ gerecht wird4. Dazu wurden Möglichkeiten erörtert, wie die etablierten Verfahren der Qualitätssicherung transparent gemacht und den Geistes- und Kulturwissenschaften entsprechende qualitätssichernde Kriterien benannt werden können. Als dem Peer-Review-Verfahren gleichwertig anerkannt werden sollten nach einhelliger Meinung der Teilnehmenden die diversen auf dem Mehraugenprinzip und dem Mehrstufenprinzip beruhenden Qualitätssicherungsverfahren, sofern diese transparent gemacht werden. Für die relevanten Publikationsformen Monografien, Quellenbeziehungsweise Werkeditionen, aber auch Sammelbände, Kataloge sowie Handbücher findet die Qualitätssicherung etwa in Form von Begutachtungen, Editorial Boards, inhaltlich verantwortlichen Herausgeberschaften oder extern evaluierter (Forschungs-)Förderung statt.

Auf Grundlage der in diesem Arbeitspapier formulierten Anliegen suchte eine Delegation aus drei Vertreter_innen unterschiedlicher Disziplinen (Markus Ender/Universität Innsbruck, Johann Pock/Universität Wien, Melanie Unseld/mdw) im Oktober 2018 das Gespräch mit dem Präsidium des FWF, das durch den Präsidenten Klement Tockner sowie der Vizepräsidentin Gerlinde Mautner vertreten war. Die Belange der geistes- und kulturwissenschaftlichen Fächer wurden vom FWF mit Interesse aufgenommen und im November 2018 in weiteren internen Gesprächen des FWF thematisiert. Die somit signalisierte Bereitschaft zur Diskussion verdeutlicht, dass das Thema vom FWF als relevant anerkannt wurde.

Entsprechende Änderungen in den Antragsrichtlinien werden nun FWF-intern weiter diskutiert und sind für 2020 angekündigt. Dann dürfen die heutigen Doktoratsstudierenden und Nachwuchswissenschaftler_innen geistes- und kulturwissenschaftlicher Disziplinen ihre Publikationsstrategien möglicherweise neu ausrichten – in der Hoffnung, dass mit der Wahl des Publikationsformats keine Priorisierung von akademischer Karriere oder dem Einwerben von Forschungsmitteln mehr verbunden ist.

 

1 Ankündigungstext des Kurses „Writing Publishable Articles“, 20. – 22. Mai 2019, https://www.mdw.ac.at/zfw/kurse/?kursid=1118&kurs_f=240 (letzter Zugriff: 22. 01. 2019).

2 „Antragsrichtlinien für Einzelprojekte“ des FWF (Stand 1. Jänner 2019), https://www.fwf.ac.at/fileadmin/files/Dokumente/Antragstellung/Einzelprojekte/p_antragsrichtlinien.pdf (letzter Zugriff: 14. 01. 2019).

3 „FWF Der Wissenschaftsfonds. Leitbild des FWF“, https://www.fwf.ac.at/de/ueberden-fwf/leitbild/ (letzter Zugriff: 14. 01. 2019).

4 Arbeitspapier des Arbeitsgesprächs „Qualitätssicherung in geistes-/kulturwissenschaftlichen Publikationen“, Wien 28. Juni 2018 (Hervorhebung im Original).

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