Der Ausnahme-Regisseur David Bösch unterrichtet seit diesem Herbst Regie am Institut für Schauspiel und Schauspielregie – Max Reinhardt Seminar. Ein Porträt.

Florian Bösch
©Juri Tscharyiski

David Bösch antwortet mit Poesie. Wenn man die Inszenierungen des Regisseurs kennt, verwundert das nicht, denn auch bei seinem Theater ist dies zu spüren. In seiner legendären Romeo und Julia-Inszenierung am Burgtheater 2011, wurde der Song The Consequence von The Notwist rauf und runter gespielt. Es lief immerzu der gleiche, melancholisch-poetische Sound. Ein bisschen kitschig und opulent, aber gleichzeitig reduziert und mit einem permanenten, lässigen Beat unterlegt. Außerdem ist das Lied so schön, dass man es immer wieder hören möchte. Genauso wie die Band The Notwist hat auch Regisseur Bösch keine Angst vor einem Zuviel an Gefühl. Denn er scheut sich nicht davor, starke Stimmungen zu erzeugen und Geschichten zu erzählen.

Gleichzeitig lässt der in Nordrhein-Westfalen geborene Bösch keinen Gag aus. Er trickst auf der Bühne und lässt das Theater Theater sein, eine Trickkiste, die im Publikum etwas auslösen soll. Zuweilen darf sich bei den Zuschauer_innen der Magen umdrehen, wenn sie in einem Bösch-Stück sitzen. Es soll kein Theater sein, das einen gleichgültig zurücklässt. Wie etwa in seiner Inszenierung von Werner Schwabs Fäkaliendrama Die Präsidentinnen 2015 am Akademietheater, wo buchstäblicher Dreck auf der Bühne lag. Abgeranzt standen Küchenzeile, Matratze und ein Klo auf der Bühne von Böschs Stamm-Bühnenbildner Patrick Bannwart. Übers Kreuz an der Wand waren die Worte „Fuck Mother“ gesprayt. Trister ging es eigentlich nicht, und das war großartig so.

Für Bösch, Jahrgang 1978, kam der Erfolg früh. Er studierte bis 2004 an der Hochschule für Musik und Theater in Zürich Theaterregie. Dann ging es schnell. Er bekam viele Preise und sofort Engagements an den großen Häusern. Seit diesem Herbst lehrt Bösch Regie am Max Reinhardt Seminar. Seinen Unterricht will er wie Fahrunterricht angehen – mit „Theorie und Praxis“. „Und am Ende gibt es den Führerschein“, so Bösch. Humorvoll fügt er hinzu: „Leider gibt es keine Probezeit.“

In seinem Studium war für Bösch die Arbeit mit den Schauspielstudierenden das Wichtigste: „Herauszufinden, was wollen wir, was will ich erzählen? Und wie?“ Im Idealfall ist das Regiestudium eine möglichst realistische Simulation der Arbeitswelt in einem geschützten und angstfreien Raum, findet Bösch. Er ist sich aber auch dessen bewusst, dass dies ein Ideal ist, an dem Schulen immer wieder scheitern. Für den Neo-Lehrenden liegt darin aber auch eine Chance: „Zusammen scheitern, das ist immer besser. Und dann ist was gelernt.“

Ein werdender Regisseur oder eine werdende Regisseurin braucht laut Bösch Individualität und Vertrauen in das Eigene. „Regisseure und Regisseurinnen sind so verschieden –
das Theater auch“, sagt er. „Was die oder der eine braucht, ist der oder dem anderen schnuppe. Und das ist auch gut so.“ Wenn Bösch über das spricht, worauf er bei seinen Studierenden Wert legt, erinnert das an seine eigenen Inszenierungen, die manchmal etwas von überhöhten Träumen haben. Etwa wenn er sagt, dass ihm Kondition wichtig ist und die nächtlichen Stunden im Proberaum erläutert: „Wer noch probiert, wenn das Gehirn sich schon dem Traume nähert. Fast schon schläft sie, die Vernunft. Dann geht es los.“ Letztendlich aber geht es ihm um die „Weitergabe von Wissen oder vermutetem Wissen“ sowie „dem Erkennen und der Entfesselung der Potenziale und der Eigenartigkeiten der kommenden Regiepersönlichkeiten“. Eigenart gehört für ihn zur Profession.

Was bewegt einen Menschen dazu, Regisseur_in zu werden? Bösch antwortet auf diese Frage mit einer Art Gedicht: „Lange her/Aber/Vorhang auf/Alle Fragen offen/Vorhang zu/Immer noch/Sogar mehr/Was wohl gut ist/Dazwischen Tränen, Schweiß, Verrückte und Verwirrte/Homburg, Käthchen, Ruprecht/Und etwas, das sich anfühlt wie ich/Ach.“ Sein Wien-Debüt hatte das junge Regie-Talent 2009 mit Dea Lohers Stationendrama Adam Geist. Er brachte es als Comicmärchen ins Akademietheater. Die Kritiken fielen gemischt aus. Wirklich in der Hauptstadt Fuß fassen konnte der Regisseur ein Jahr später mit seiner Inszenierung von Franz Xaver Kroetz’ Stallerhof. Sein Stallerhof war grandios. Bösch erzählte das harte, realistische Sozialdrama rund um Beppi, der zurückgebliebenen Tochter des Stallerbauern, die vom alten Knecht Sepp geschwängert wird, als krude Romanze. Er machte ein dunkles Märchen daraus und schuf mit Beppi und Sepp das unmöglichste, schönste Bühnenpaar seit Langem. Der Stumpfsinn erlangte in seiner Inszenierung die Würde zurück. Das war radikal und ein großes Kunststück. Seitdem ist Bösch Stammregisseur am Burgtheater. Derzeit ist das von ihm behutsam und zeitweise witzig inszenierte Drama Die Glasmenagerie von Tennessee Williams zu sehen.

Wenn Bösch über seinen Regieunterricht spricht, hört man seine Liebe für seinen Beruf heraus. Respekt sollen seine Studierenden haben, sagt er. „Vor den anderen. Vor sich selbst. Vor der Arbeit. Und nicht zu übermäßig vor dem Professor.“

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