Bereits mit zwölf Jahren war Bine Katrine Bryndorf davon überzeugt, dass die Orgel ihr Weg sein sollte. Heute unterrichtet sie als Professorin an der Royal Academy of Music in London und ist Schlossorganistin am Schloss Frederiksborg in Hillerød, Dänemark, wo sie unter anderem die weltbedeutende Orgel von Esaias Compenius (1610) wöchentlich zum Klingen bringt.

Bine Katrine Bryndorf
Bine Katrine Bryndorf ist Schlossorganistin am Schloss Frederiksborg in Hillerød, Dänemark und Professorin für Orgel an der Royal Academy of Music in London. ©Britt Lindemann

Bine Katrine Bryndorf war dreizehn Jahre alt, als ihr damaliger Lehrer, Domorganist Kristian Olesen, das erste Mal Kontakt mit ihrem späteren Mentor Michael Radulescu aufnahm, um über ein Studium in Wien zu sprechen. Es war dasselbe Jahr, in dem sie erstmals an einem Meisterkurs des berühmten Organisten teilnehmen sollte. Bereits damals war klar, dass die talentierte Musikerin nach Vollendung ihrer Schulzeit die Aufnahmeprüfung an der mdw (damals noch Hochschule) absolvieren sollte. Also machte sie sich eifrig daran, Deutsch zu lernen und besuchte weitere Meisterkurse bei Radulescu in Liechtenstein und Dänemark.

Mit achtzehn Jahren nach Wien zu kommen, war ein großer Schritt für die gebürtige Dänin. „Ich war anfangs allein in einem Zimmer im 23. Bezirk, hatte einen weiten Weg zur Hochschule und die Sprache war auch anders als im Deutsch-Unterricht des dänischen Gymnasiums“, erinnert sie sich. Trotz des schwierigen Einstiegs, fand die junge Studentin schnell Freunde: „Es gab eine wunderbare Gemeinschaft unter den Studierenden in der Seilerstätte! Wir verbrachten den ganzen Tag zusammen – im Chor, in Übungszimmern, in der Mensa und beim Kaffee im kleinen Aufenthaltsraum.“ Eine besondere Inspiration war für sie der Unterricht bei Michael Radulescu. „Eine Stunde konnte mich für eine ganze Woche beflügeln und für viele Übungsstunden anspornen.“ In ihm sieht sie auch eines ihrer größten Vorbilder, denn die vier Jahre Studium sowie die anschließende Assistenz haben sie für ihr weiteres Leben beeinflusst. Auch der Tonsatzlehrer ihrer Jugendjahre in der Heimat Bjørn Hjelmborg war von großer Bedeutung für die angehende Organistin. „Hätte es mit der Orgel nicht geklappt, wäre ich sicherlich der Musiktheorie nachgegangen.“ Später fand Bryndorf „wunderbare und bedeutende“ Lehrer in Gordon Murray, Daniel Roth und William Porter. „Alle hatten sie Einfluss darauf, dass ich mit großer Begeisterung nicht nur Musikerin, sondern auch Lehrerin geworden bin.“

Bis heute sieht sich die begnadete Musikerin als Künstlerin und Pädagogin gleichermaßen. Nach ihrer wohl größten beruflichen Entscheidung im Jahr 2017, ihre Professur in Kopenhagen nach 24 Jahren zu kündigen und dem Musikerinnendasein mehr Gewicht zu geben, sie ihre Stelle als Schlossorganistin in Hillerød an. Bereits kurz darauf erhielt sie erneut ein Stellenangebot an einer renommierten Musikhochschule: „Ich wurde gefragt, ob ich die Professur von Susan Landale in London übernehmen möchte. Nun unterrichte ich vier Studierende an der Royal Academy of Music, darüber freue ich mich riesig!“ Im Unterricht entwickelt sich die Musik für Bine Bryndorf oft mehr als im Konzert, denn der Dialog inspiriert sie ganz besonders. Die Verbindung von Konzerttätigkeiten und Lehre ist in Österreich keine Seltenheit, so kombinieren die meisten Organist_innen ihren Beruf mit einem Job am Musikgymnasium, um davon leben zu können. In Dänemark, so Bryndorf, gibt es mehr als 300 hauptberufliche Kirchenmusikstellen, die zudem gut bezahlt sind, ein Nebenerwerb ist daher nicht zwingend notwendig und findet nur selten statt. Die Herausforderungen für Organist_innen seien eben von Land zu Land sehr unterschiedlich, erklärt sie. Überall gleich sind ihrer Ansicht nach die Tätigkeiten von Organist_innen als aktive Konzertgeber_innen, sei es mit Solo-, Chor-, Orchester- oder Kammerkonzerten. Selbst gibt die preisgekrönte Organistin ebenfalls gerne Kammermusikkonzerte, hier ist das Cembalo das Instrument ihrer Wahl. „Das Cembalo hat mein musikalisches Umfeld sehr bereichert. Die Orgel kam aber immer zuerst. Sie hat mich von Anfang an eingenommen.“ In der Kirchenmusik findet Bryndorf einen weiteren Wegbegleiter. Die Orgelsolistin war schon während ihres Studiums in Wien als Kirchenmusikerin tätig, ebenso wie in ihrer gesamten Zeit in Kopenhagen. Seit dem Sommer 2017 ist sie nun hauptamtlich Kirchenmusikerin auf Schloss Frederiksborg nördlich von Kopenhagen. Als eine weitere Herausforderung ihres Berufs sieht die erfolgreiche Künstlerin die berühmte gläserne Decke: „Ich habe im Studium keinerlei Diskriminierung gespürt, erst später auf Konzertreisen. Ich wurde etwa darauf angesprochen, ob ich denn meine Kinder gut genug pflege, wenn ich auch meinem Beruf nachgehe. Ich habe mich oft geärgert, dass männliche Kollegen offenbar als gute Familienväter gelten, wenn die Frau zu Hause auf die Kinder aufpasst, während Frauen als schlechte Mütter gelten, wenn der Vater zeitweise die Pflege der Kinder übernimmt.“ Allerdings sind es Fragen, die mit den Breitengraden abnehmen. „Nördlich von Flensburg gibt es diese Problematik kaum, denn in Skandinavien haben wir sehr viele Kirchenmusikerinnen.“ Egal ob Mann oder Frau, am wichtigsten ist laut Bryndorf, dass die Liebe zur Musik und die ansteckende Begeisterung das Leben tragen und begleiten. „Wo das gefördert wird, sollte man studieren, und anschließend so vielen anderen Menschen wie überhaupt möglich weitervermitteln. Unsere Zeit braucht mehr denn je fantastische Musiker_innen und wunderbare Musik!“

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