Wer geistig-schöpferisch tätig ist, egal ob in der Musik, Literatur oder Wissenschaft, ist immer auch auf den Zugang zu bereits vorhandenen Ideen, Methoden und Genres angewiesen. Erst in der Auseinandersetzung mit dem Bestehenden entsteht das Neue.

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Open Access ©thinkstock

Während in Kunst und Kultur das „Alte“ oft implizit als Inspiration oder Reibungsfläche dient, ist der Bezug in der Wissenschaft viel unmittelbarer. WissenschaftlerInnen stehen nicht nur sprichwörtlich auf den Schultern von Riesen, in der täglichen Forschungsarbeit sind sie ständig auf den Zugang zu Forschungsergebnissen ihrer jeweiligen „Scientific Community“ angewiesen. Wissenschaftliche Zitate sind gleichermaßen Werkzeug und Währung, relevant ist, was gelesen und zitiert wird. Der Wissenschaftssoziologe Robert K. Merton prägte in diesem Zusammenhang den Begriff des „Wissenskommunismus“ und meinte damit die Notwendigkeit, Forschungsergebnisse zu veröffentlichen, um diese in der Folge kritisch prüfen, replizieren und fortschreiben zu können. Demnach ist es für den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess umso besser, je offener und freier Forschung zugänglich ist.

Traditionell war und ist es die Aufgabe von Universitätsbibliotheken, diesen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen zu gewährleisten. Dank neuer digitaler Technologien und dem Internet ist es so einfach und günstig wie nie zuvor, wissenschaftliche Ergebnisse weltweit kostenlos bereit zu stellen. Denn im Unterschied zu stärker marktlich organisierten Feldern wie Musik oder Film, verbinden WissenschaftlerInnen mit ihrer Forschung kein unmittelbares Verwertungsinteresse. Das spiegelt sich auch in dem Umstand wider, dass in den meisten Disziplinen weder AutorInnen noch GutachterInnen von wissenschaftlichen Beiträgen ein Honorar erhalten. Obwohl Erstellung und Qualitätssicherung in Form von Begutachtungsverfahren („Peer Review“) also größtenteils öffentlich finanziert sind, ist damit aber noch lange nicht automatisch auch öffentlicher Zugang zu Forschungsergebnissen oder gar den dahinterstehenden Forschungsdaten verbunden. Im Gegenteil, Universitätsbibliotheken kämpfen seit Jahren mit kontinuierlichen Preissteigerungen von wissenschaftlichen Zeitschriften. Bisweilen ist sogar von einer „Zeitschriftenkrise“ die Rede, weil die Preise von wenigen zentralen Zeitschriften so stark angestiegen sind, dass bei stagnierenden Bibliotheksbudgets weniger Geld für die Anschaffung von Nischenzeitschriften und Monografien bleibt.

Überwiegend öffentlich finanzierte Forschung wird demnach von öffentlich finanzierten WissenschaftlerInnen kostenlos begutachtet und dann von Verlagen, deren Leistung in der Regel aus Lektorat, Satz und Distribution besteht, für teures Geld an öffentlich finanzierte Bibliotheken zurückverkauft. Für die großen Wissenschaftsverlage wie Elsevier, Springer oder Taylor & Francis sind auf diese Weise enorme Margen zu verdienen – der österreichische Wissenschaftssoziologe Gerhard Fröhlich spricht von „Gewinnraten wie im Waffen- und im Drogenhandel”.
Der Grund für diese Entwicklung liegt in der historisch gewachsenen Reputation wichtiger Zeitschriften. Wollen WissenschaftlerInnen Karriere machen, müssen sie in diesen sogenannten „Top-Journalen“ publizieren und wollen Universitäten in einem bestimmten Bereich forschen, müssen ihre Bibliotheken eben diese „Top-Journale“ abonnieren. Deshalb verfügen die Verlage sowohl gegenüber den AutorInnen als auch gegenüber den Bibliotheken über große Verhandlungsmacht, obwohl die Reputation der Zeitschriften eigentlich an den AutorInnen sowie den wissenschaftlichen HerausgeberInnen und nicht beim Verlag selbst liegt.

Den Beleg dafür lieferte jüngst der Fall der sprachwissenschaftlichen Zeitschrift Lingua. Deren Herausgeber war unzufrieden mit der Preispolitik des Verlegers Elsevier und forderte die Umstellung der Zeitschrift auf ein Open-Access-Modell. Als Open Access werden Publikationswege bezeichnet, bei denen die Forschungsergebnisse frei zugänglich im Internet angeboten werden. An der Qualitätssicherung mittels Peer Review ändert sich dadurch erst einmal nichts, finanziert wird Open Access entweder über Publikationsgebühren oder durch institutionelle Zahlungen von Bibliotheken und Wissenschaftsverbänden.

Im Fall von Lingua war Elsevier zur Umstellung auf ein Open-Access-Modell nicht beziehungsweise nur gegen sehr hohe Publikationsgebühren bereit. In der Folge entschied sich das gesamte 31-köpfige HerausgeberInnenteam unter Leitung von Johan Rooryck dazu, Lingua den Rücken zuzukehren. Stattdessen setzten dieselben ForscherInnen ihre Arbeit unter dem Dach des neugegründeten Open-Access-Journals Glossa fort.

Auch wenn das Beispiel Lingua bislang noch die Ausnahme ist, zeigt es, dass die Macht der Verlage bisweilen auf durchaus tönernen Füßen steht. Der Trend geht immer stärker in Richtung Open Access, wenn nicht gar Open Science. Zu letzterem Thema schloss der Kommunikationswissenschaftler Christian Heise kürzlich seine Doktorarbeit ab. Dem Thema entsprechend veröffentlichte er nicht nur das finale Werk unter einer offenen Lizenz im Internet, bereits der gesamte Schöpfungsprozess konnte und kann unter offene-doktorarbeit.de nachvollzogen werden. Sein Fazit nach vier Jahren Arbeit: „Offener Zugang hilft!“

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