Bei manchen Menschen existiert ja ein seltsamer Dünkel allem Populären gegenüber. Wenn etwas beim Volk – lateinisch populus – beliebt ist und von der Masse geschätzt wird, so der in manchen Kreisen verbreitete Glaube, kann es nicht gut sein. Als Beweis für diese These werden dann gerne Biografien von Künstlern herangezogen, die heute zu den ganz Großen und allseits Verehrten ihres Faches gehören, nach denen jedoch zu Lebzeiten kein Hahn gekräht hat. Van Gogh, Kafka, Schubert.

Nur drei Beispiele für völlig unterschätzte Genies, die ein trauriges, ruhmloses Leben fristeten sowie einsam und verkannt von der ahnungslosen Masse ihr Ende fanden. Nun ist es jedoch so eine Sache mit Künstlermythen, erst recht, wenn alle Zeitgenossen tot sind und die Künstler obendrein. Gerüchte verselbstständigen sich, jeder erfindet eine Kleinigkeit dazu, das „Stille Post“-Spiel der Künstlerbiografien. Hie und da findet sich jedoch ein Autor, der einem Detektiv gleich mit hartnäckigen Mythen aufräumt.

Etwa der britische Tenor Ian Bostridge in seinem hinreißenden Buch über Schuberts Winterreise, in dem er nach eingehender Recherche feststellt, dass die Legende vom armen, erfolglosen Schubert tatsächlich als solche zu sehen ist. Als Fabel, die kritiklos von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Schubert war vielmehr der erste freischaffende Künstler seiner Zeit, der versuchte, außerhalb des gängigen Mäzenatentums seitens des Adels zu reüssieren und auch auf eine Fixanstellung in der Kirche verzichtete. Ein neuer Selbstständiger würde man heute dazu sagen. Schubert verdiente dabei mit seinen Auftritten in den Salons der besseren Gesellschaft gar nicht schlecht und war bei jenen, die ihn kannten, durchaus angesehen. Es kannten ihn nur zu wenige. Was auch an den Vertriebsmöglichkeiten lag. Hätte es damals iTunes gegeben, er wäre ein Superstar geworden. Damit etwas populär werden kann, muss es dem Volk eben auch zugänglich sein.

Ein gutes Beispiel dafür ist Mozart, eine Art Michael Jackson seiner Zeit. Wunderkind, Allroundgenie, in eine ehrgeizige Familie hineingeboren, die sich schon in jungen Jahren darum bemühte, dass den Filius möglichst viele Menschen zu hören bekommen. Mozart war gerade beim Volk beliebt und ist eine schöne Gegenthese zum elitären Naserümpfen: Nur weil es vielen gefällt, muss es nicht schlecht sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert