Aller Anfang ist prekär. – Das gilt für viele Projekte in kreativen, künstlerischen Branchen. Die Filmakademie-Studierenden Vivian Bausch und Fabian Rausch durften bei ihrem Filmprojekt SOLDAT das Gegenteil erfahren. Wie sie eine hochdotierte Filmförderung für sich nutzen konnten, wie sich Drehbuchschreiben im Duo anfühlt und wie die beiden die aktuelle Lage für Filmschaffende in Österreich bewerten, erzählen sie im Interview mit dem mdw-Magazin.

Ein Mädchen in Militäruniform. Wochenlang lebt sie, existiert sie, wandelt sie nur in diesem einen Kleidungsstück herum, ohne es jemals abzulegen. Es ist Schutzschild und Kampfansage zugleich. Mitschüler_innen finden sie wohl seltsam, wie sie da so in der immergleichen Kluft in der Klasse erscheint. Das Mädchen weigert sich jedoch, ihre Uniform abzulegen. Zu gut fühlt es sich an, von der Außen- und Umwelt abgeschirmt zu sein, innerhalb der martialisch anmutenden Hülle ein Eigenleben zu kultivieren. In einem südlichen Stadtteil von Linz konnte man, ungefähr zur Jahrtausendwende, diesem Mädchen namens Vivian begegnen. In Auwiesen, der Siedlung, in der sie aufgewachsen ist. Ein Mädchen, das später eine abgeänderte und fiktionalisierte Version ihrer selbst zum Leben erwecken würde – in ihrem ersten Spielfilm als Regisseurin.

Dieser Film heißt SOLDAT. Regie führt Vivian Bausch, das Drehbuch hat sie ebenfalls geschrieben, in Zusammenarbeit mit dem Drehbuchautor Fabian Rausch. Beide studieren an der Filmakademie Wien. Der Film sei jedoch nicht autobiografisch zu verstehen, hält Vivian Bausch, die in München geboren wurde, ihre Jugend jedoch in Linz verbrachte, im Interview fest. Die Inspiration zur Geschichte bezog Bausch dennoch aus ihrer Vergangenheit, während eines Workshops mit Regisseurinnenlegende Doris Dörrie.

„Die Idee schwirrte schon länger in meinem Kopf herum. Ich hatte einen Creative Writing Workshop mit Doris Dörrie. Sie geht ja sehr ins Persönliche rein und meinte, man solle über irgendeine Art von Kleidungsstück aus der Kindheit schreiben. Da ist mir eingefallen, dass ich mit acht Jahren ein Jahr lang die österreichische Militäruniform getragen habe und sie nicht ausziehen wollte. Ich habe auch jeden Tag Liegestütze darin gemacht, immer mit dieser Kappe geschlafen. Es war einfach wie ein Schutzpanzer. Es war mir völlig egal, was irgendwer dazu sagt. Es hat auch voll arg ausgeschaut“, lacht Vivian Bausch. Doris Dörrie sei positiv erstaunt gewesen. So eine Filmfigur habe sie noch nie gesehen. Ermutigt durch die positive Reaktion der Regisseurin begann Bausch, die Idee weiterzuspinnen, bis sie schließlich die Gestalt eines Drehbuchs zu einem Coming-of-Age-Film annahm.

Hier kam Fabian Rausch ins Spiel. Er stieg vor ungefähr zwei Jahren in das Projekt ein, einige Zeit, nachdem Vivian Bausch bereits die Idee und die ersten Seiten des Drehbuchs entwickelt hatte. „Vivian hatte davor schon die Grundidee von diesem Kind, das bei der Mutter aufwächst, und einige Motive, zum Beispiel jenes der Militärjacke. Auch der Titel SOLDAT war von Anfang an da, der hat sich nie verändert. Wir haben uns auf dem Filmdreh von Night of Passage von unserem Kollegen Reza Rasouli kennengelernt, der auch an der Filmakademie studiert. Das war ein Kennenlernen und Abtasten und Herausfinden, ob man eine gemeinsame Sprache, einen gemeinsamen Zugang oder eine gemeinsame Utopie für dieses Projekt findet.“ Es sei dann schnell klar gewesen, dass die Art und Weise, wie sie zusammenarbeiteten, sehr gut funktionierte.

Bis das Drehbuch zu SOLDAT das Licht der (öffentlichen) Welt erblickte, gab es für Vivian Bausch noch ein paar kleine Hürden zu überwinden. „Ich habe 2022 begonnen, einfach mal ein Exposé zu schreiben. Ganz schnell. Jedoch mit erheblichem Schamgefühl“, gesteht Vivian Bausch. Diese Zurückhaltung habe sie in ihrer Laufbahn schon des Öfteren begleitet. „Bei den ersten Filmen, die ich gemacht habe, oder besonders bei Autobiografischem, bei persönlichen Themen, habe ich meine Arbeit oft selbst schnell negativ bewertet. Ich glaube, darunter liegt diese Scham, wenn man schmerzhafte persönliche Dinge thematisiert und ausspricht. Aber irgendwie finde ich es auch wichtig, da reinzugehen.“ Sie habe das Exposé dann trotzdem eingereicht, für den Carl-Mayer-Drehbuchpreis der Stadt Graz und die Talent-LAB-Förderung des Filmfonds Wien und des Österreichischen Filminstituts. „Und es hat sofort funktioniert.“

„Es ist sehr, sehr schnell sehr konkret geworden“, bezeugt auch Fabian Rausch. „Ohne irgendwelche Erwartungen bekamen wir ein halbes Jahr später den Anruf, dass wir diesen Preis auch tatsächlich gewonnen haben. Da war das Projekt aber dann schon viel weiter, weil wir konstant daran gearbeitet hatten.“

Vivian Bausch & Fabian Rausch © Diagonale / Miriam Raneburger

Eine stärkende Erfahrung für die beiden jungen Filmemacher_innen. Umso mehr, als sie auch die hochdotierte Talent-LAB-Förderung des Filmfonds Wien und des Österreichischen Filminstituts für SOLDAT lukrieren konnten. Diese unterstützt junge Filmemacher_innen mit einer Summe von rund 1,2 Mio. Euro und darüber hinaus Workshops, Beratungen und Möglichkeiten zum Austausch mit anderen Filmschaffenden und Branchenvertreter_innen, ihre Projekte zu entwickeln und auf professionelle Beine zu stellen. SOLDAT war eines der fünf Filmprojekte, die die diesjährige Förderung bekommen haben – und der Film konnte ungemein davon profitieren. „Ich habe dort viel von den anderen Projekten und Menschen gelernt“, sagt Vivian Bausch. Neben dem Austausch, den sie mitunter als berührend und sehr bereichernd empfand, hat sie dabei auch die wertschätzende, konstruktive Feedbackkultur, das hohe Maß an Offenheit und die Möglichkeit, gemeinsam zu debattieren, wie man in Zukunft Filme machen wolle, überaus geschätzt. Fabian Rausch hebt positiv hervor, dass das Talent-LAB-Programm ihnen ermöglichte mit Unterstützung von Mentor_innen noch einmal tief ins Drehbuch reinzugehen: „Mit den anderen vier Erstlingsfilmen gemeinsam zu wachsen und voneinander zu profitieren, war eine wunderbare Sache.“ Ungefähr ein Dreivierteljahr lange wurden sie „sehr intensiv begleitet“. „Das ist ein bisschen wie ein kleines Filmproduktionserstlings-Bootcamp“, so Bausch.

Allgemein stellen die beiden Filmemacher_innen der Förderlandschaft für Nachwuchsfilm in Österreich ein gutes Zeugnis aus. „Wenn man sich den europäischen Raum anschaut, sieht man, dass ganz viele ihr Budget wirklich knallhart aus allen möglichen Töpfen zusammenziehen müssen. Meine deutschen Kolleg_innen hatten es beispielsweise ungleich schwerer, einen Debütfilm finanziert zu bekommen. Ich finde, 1,2 Millionen, wie sie das Talent LAB zur Verfügung stellt, ist wirklich eine krasse Summe“, meint Vivian Bausch. Auch Fabian Rausch sieht sich im österreichischen Film in einer privilegierten Lage: „Ich glaube, dass wir uns in Österreich, was Möglichkeiten, Stipendien, Preise, Ausschreibungen, Förderungen angeht, sehr glücklich schätzen können, dass das alles existiert. Es existiert noch, da das Geld ja immer enger wird, vor allem weil es immer mit öffentlichen Geldern zu tun hat, aber ich glaube, die Infrastruktur ist in Österreich sehr gut.“ Der Film sei als kreative Branche natürlich kompetitiv und die Mittel umkämpft, weil viele das Gleiche wollen, „aber grundsätzlich würde ich sagen, dass wir in Österreich eine Situation haben, wo man wirklich auch eine gute, realistische Chance für seine Projekte hat“, so Fabian Rausch.

Die hohe Anzahl an gelungenen österreichischen Nachwuchsfilmen, die die letzten Jahre hervorbrachten, sind für Vivian Bausch ein weiteres Zeugnis der funktionierenden Förderlandschaft in Österreich: „Es gab in den letzten Jahren so viele Debütfilme, die wahnsinnig toll waren. Siehe zum Beispiel Pfau – Bin ich echt? von Bernhard Wenger.“ Für sie persönlich sei der budgetäre Rahmen für ihr Erstlingswerk genau richtig: „Wenn ich noch viel mehr Budget hätte, würde ich die Verantwortung für den ersten Film vermutlich gar nicht packen“, lacht sie.

Dass Vivian Bausch überhaupt Filme macht, kam aus einer rein intrinsischen Motivation heraus, und einem kleinen Schubser vom AMS – besser gesagt während einer AMS-Berufsorientierung in der Schule. „Ich hatte in der Hauptschule einen AMS-Termin, wo man so eine Einstufung macht, was beruflich passt. Und ich weiß noch genau, was bei mir stand: Es standen sehr viele Sachen, aber das, was am besten passte, war Theaterregie. Ich weiß noch, ich habe das niemandem erzählt, weil es mir peinlich war, aber ich dachte mir: ,Oh, wow. Das hätte ich mir nicht gedacht.‘“ Mit elf hatte sie auch immer eine Kamera dabei und filmte überall. „Das war halt überhaupt nicht cool in der Schule. Ich wurde sogar fast rausgeschmissen wegen dem Blödsinn“, lacht Vivian Bausch. Über Umwege, unter anderem über das Sportfernsehen und auch ein Studium der „Zeitbasierten und Interaktiven Medienkunst“ an der Kunstuniversität Linz, kam Bausch dann schlussendlich an die Filmakademie Wien. „Ich hatte oft die Rückmeldung bekommen, dass ich überhaupt nicht in dieses Raster von Regie passe. Weil ich nicht so ‚bestimmt‘ bin vom Charakter her.“ Durch die Zusammenarbeit mit Regisseurinnen wie beispielsweise Barbara Albert erhielt sie dann doch immer mehr Selbstbewusstsein und die Einsicht, dass die Regieführung verschiedensten Persönlichkeitstypen offensteht.

Fabian Rauschs Liebe zum Film wurde unter anderem von Luis Buñuel entfacht. Dessen surrealistisches Meisterwerk Ein andalusischer Hund zu sehen, „war als 18-Jähriger so ein Erlebnis damals, obwohl das ein sehr alter Film ist. Das zu sehen und dass das irgendwie geht – ich verstand das alles nicht, aber es machte etwas mit mir. Ich komme ja aus diesem Dorf und die Idee, im Film zu arbeiten, war mir sehr lange sehr fremd. Das habe ich lange nicht in Betracht gezogen. Ich wusste zu wenig und machte mir keine Gedanken darüber.“ Als er dann auf Filme von österreichischen Regisseur_innen wie etwa Adrian Goiginger stieß, der wie er aus Salzburg stammte, merkte Rausch, dass es für jemanden wie ihn sehr wohl möglich sei, Filme zu machen. Von allen Disziplinen im Film zog es ihn relativ schnell zum Drehbuch: „Das Schreiben war für mich immer das Organischste oder das Indirekteste und das Unmittelbarste, wo ich sofort den Zugang gefunden habe. Daher ist es dann das Drehbuch geworden, ohne viel über Drehbücher zu wissen.“ Als er dann an der Filmakademie akzeptiert wurde, habe er immer mehr gemerkt, dass das eine wirklich große Leidenschaft sei. „Das Drehbuch und den Text durch den Film dem Bild anzunähern, ist für mich genau das Richtige.“

Die letzten Drehbuchfassungen für SOLDAT werden im Herbst 2025 geschrieben, die Castings sind im Gange. Ab Sommer 2026 soll gedreht werden. Wo die beiden Filmemacher_innen sich nach Abschluss ihres ersten gemeinsamen Projekts sehen? Hier scheinen die beiden ähnliche Vorstellungen zu haben: „Ich möchte in Italien leben. Mit anderen Leuten. Ich würde so gerne einmal in meinem Leben am Meer wohnen“, lautet die prompte Antwort von Vivian Bausch. Und Katzen sollten dort sein. „Mein Wunsch wäre, dass ich in ein, zwei Jahren in Buenos Aires bin und Kinofilme mache“, lautet die ebenso überzeugte Antwort von Fabian Rausch. Der Fußball habe es ihm angetan, natürlich neben Meer, Land und Leuten. Auf wärmere Gefilde können sich die beiden also einigen. Eine weitere Zusammenarbeit der beiden jungen Filmemacher_innen ist ja ohnehin auch über die Distanz möglich.

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