„Es gibt keine_n Schmidl-Schüler_in ohne schönen Ton.“ Kurt Franz Schmid, Klarinettist des Tonkünstler Orchesters Niederösterreich, lacht, als er diesen Satz sagt – und meint ihn zugleich sehr ernst. Für ihn wie für viele andere war Professor Peter Schmidl nicht nur Lehrer und Mentor, sondern eine prägende Persönlichkeit, die maßgeblich zu seiner eigenen künstlerischen Entwicklung und Haltung als Musiker beigetragen hat.

Am 26. November lädt das Leonard Bernstein Institut der mdw zu einem musikalischen Gedenkabend im Ehrbarsaal ein, um einen der bedeutendsten Musiker und Pädagogen Österreichs zu würdigen und sein künstlerisches Erbe lebendig zu halten.

Peter Schmidl wurde 1941 im mährischen Olomouc geboren, in eine Familie, deren musikalische Wurzeln bis in die Zeit Gustav Mahlers zurückreichen. Schon der Vater und Großvater waren Erste Klarinettisten der Wiener Philharmoniker beziehungsweise des Wiener Staatsopernorchesters. Schmidl selbst trat früh in diese Fußstapfen: Studium bei Rudolf Jettel, erstes Engagement an der Wiener Staatsoper 1965, ab 1968 Erster Soloklarinettist der Wiener Philharmoniker – eine Position, die er bis zu seiner Pensionierung 2010 innehatte. Gleichzeitig unterrichtete er an der mdw und prägte über vier Jahrzehnte hinweg das Klarinettenspiel weltweit. Von 2001 bis 2005 führte er die Philharmoniker auch als deren Geschäftsführer.

Kurt Franz Schmid erinnert sich, dass Peter Schmidl seinen Tag streng strukturiert hatte. Wer ihn erreichen wollte, musste zwischen neun und neun Uhr fünfzehn morgens anrufen – danach war sein Tagesablauf fix durchgeplant mit Proben, Unterricht, Kammermusik und Vorstellungen, oft sogar an verschiedenen Orten oder in anderen Ländern.

„Er hat uns Student_innen nicht nur beigebracht, wie man Klarinette spielt, wie man Phrasen zieht oder ein perfektes Staccato bekommt, sondern auch, wie man sich selbst als Musiker_in organisiert und verkauft.“

Peter Schmidl mit Studierenden © Privatarchiv von Peter Schmidl

Zur künstlerischen Karriere gehörte für Schmidl auch ein Bewusstsein für Selbstvermarktung und Strukturen. Schmid betont, dass Schmidl auch in seiner Rolle als Geschäftsführer der Wiener Philharmoniker dieselbe strategische Weitsicht bewies, die er seinen Studierenden vermittelte: „Er war ein sehr guter Geschäftsmann und hat es verstanden, wie man Strukturen schafft, um Kunst zu ermöglichen.“

Peter Schmidl war seiner Zeit weit voraus, wenn es um Körper- und Gesundheitsbewusstsein ging. Für ihn war klar, dass musikalische Höchstleistungen nur möglich sind, wenn der Körper fit ist. Schon in den 1960er- und 1970er-Jahren, als dies unter Musiker_innen noch ungewöhnlich war, ging er regelmäßig ins Fitnessstudio und achtete sehr bewusst auf seine körperliche Verfassung. Dieses Verständnis lebte er auch seinen Studierenden vor.

Das Wichtigste im Leben war für Peter Schmidl jedoch immer die Musik. „Für ihn war die Musik ein Herzenswunsch, ein Lebensmittelpunkt. Alles, was er tat, ging von dieser tiefen Liebe zur Musik aus“, sagt Kurt Franz Schmid.
Schmidl selbst sprach einmal davon, wie die Musik ihm half, persönliche Verluste zu verarbeiten: „Die Musik ist die beste Therapie, um den Tod meiner Mutter zu überwinden.“ Diese Leidenschaft übertrug sich unmittelbar auf die Studierenden. Schmid erinnert sich daran, wie eindrucksvoll Schmidl Inhalte vermitteln konnte: Durch seine Ausbildung am Max Reinhardt Seminar hatte er die besondere Fähigkeit, bildhaft und anschaulich zu sprechen.

„Wenn ich heute Noten aufschlage, auf denen seine handschriftlichen Anmerkungen stehen, höre ich immer noch seine Stimme. Jede seiner Erklärungen war wie eine kleine Szene, die man nie mehr vergisst.“

Kein Wunder, dass Schmidl durch sein Charisma, sein Wissen und sein Engagement seine Schüler_innen so begeisterte, dass fast alle in der Klasse so sein wollten wie er. Ein zentraler Teil seines Vermächtnisses war Schmidls unverwechselbarer Zugang zum Wiener Klangstil. Für ihn war dieser Klang kein museales Ideal, sondern eine lebendige Sprache, die sich ständig weiterentwickelt. Sein Spiel verband Wärme und Eleganz mit äußerster Präzision – eine Mischung, die Generationen prägte und den berühmten Wiener Klarinettenklang in die Gegenwart führte. „Wenn ich heute einen Klarinettisten höre, erkenne ich sofort, wer aus seiner Klasse kommt“, sagt Kurt Franz Schmid. „Es geht nicht nur um Technik, sondern um Fantasie. Peter hat uns beigebracht, dass jede Phrase eine Geschichte erzählt.“

Schmid berichtet außerdem, dass sein Lehrer offen für neue Wege war. So experimentierte Schmidl sehr viel mit Klarinettenblättern und Mundstücken. Diese Offenheit ermöglichte es seinen Schüler_innen, Tradition und Innovation zu verbinden und den Wiener Klangstil bis heute lebendig zu halten. Bei aller Strenge war Peter Schmidl auch für seinen Humor bekannt. Kurt Franz Schmid erinnert sich an eine Unterrichtsstunde, in der er als Teenager ein Sweatshirt mit einem halbverschlossenen Zippverschluss trug: „Er sah mich an und sagte: ‚Entweder machst du den ganz auf oder ganz zu. Entweder du spielst ganz laut oder ganz leise – aber dieses Mezzoforte deines Zippers, das mag ich nicht.‘“ Solche Momente lockerten den Unterricht auf – und zeigten, wie genau Schmidl Beobachtungen in musikalische Bilder übersetzte.

Auch sich selbst nahm er nicht allzu ernst. Schmid erinnert sich, dass ihm Schmidl einmal einige seiner eigenen CDs schenkte mit der Anmerkung: „Hör aber nicht immer zu genau hin.“ Gleichzeitig habe Schmidl nie aufgehört, an sich selbst zu arbeiten.
Wenn er uns etwas erklärte, merkte man, dass er diese Prinzipien genauso befolgte. Er hat sich durch seine Unterrichtstätigkeit selbst weiterentwickelt – und uns damit gezeigt, dass künstlerisches Wachstum niemals aufhört.“ Dieses gelebte Vorbild hat bei seinen Schüler_innen tiefe Spuren hinterlassen. „Ich bin seit fast 40 Jahren im Orchester und empfinde es immer noch ein Vorrecht und Freude, Musik machen zu dürfen“, erzählt Kurt Franz Schmid. Wenn er heute seine eigenen Studierenden ansieht, erkennt er, wie stark Schmidls Einfluss noch heute über Generationen wirkt: „Wir alle sind Teil dieser Linie.“ So lebt das Vermächtnis dieser besonderen Künstler- und Lehrerpersönlichkeit in seinen Schüler_innen und deren Schüler_innen weiter – als klingende Tradition, die niemals stillsteht.

Ein herzlicher Dank gilt Prof. Kurt Franz Schmid für seine persönlichen Erinnerungen und die Zeit, die er sich für dieses Gespräch genommen hat.

Wenn am 26. November ehemalige Schüler_innen, Studierende und musikalische Wegbegleiter_innen im Ehrbarsaal Wien zusammenkommen, werden sie nicht nur an einen großen Musiker erinnern, sondern auch an einen Menschen, der Musik als Lebensform verstand.

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