Rainer Prokop, Rosa Reitsamer, Higher Music Education and Employability in a Neoliberal World, Bloomsbury Academic, 2024.

Dieser von den beiden mdw-Lehrenden Rainer Prokop und Rosa Reitsamer herausgegebene Band setzt sich aus einer hervorragenden Sammlung wissenschaftlicher Artikel zusammen, die kritisch beleuchten, wie der Neoliberalismus in der jüngsten Vergangenheit die Änderungen im Bereich der musikalischen Bildung und den musikalischen Ausbildungslehrgängen geprägt hat. Dieser Sammelband ist eine veritable Pflichtlektüre für alle, die in der Musikszene oder an Bildungsinstitutionen tätig sind und verstehen wollen, wie sich Musikhochschulen verändert haben, um Effizienz und Profite zu maximieren und gleichzeitig ihre Lehrpläne an die Anforderungen eines prekären Musikarbeitsmarktes anzupassen.

© Bloomsbury Academic

Die Autor_innen der unterschiedlichen Beiträge untersuchen zwei umstrittene Konsequenzen dieses Kurswechsels: Erstens können Musikhochschulen und Studierende durch die Priorisierung von kompetenzorientierten Lehreinheiten weniger Zeit und Ressourcen für die künstlerische Entwicklung aufwenden. Zweitens kommt durch die Marktorientierung der Studienpläne der Erwerb von grundlegenden Kompetenzen wie kritisches Denken und soziales Engagement bei den Studierenden zu kurz (Kapitel 1, 3, 4, 15).

Das Buch liefert zahlreiche wertvolle Denkanstöße, vor allem was die komplexen Herausforderungen angeht, mit denen die Musikhochschulen derzeit konfrontiert sind. Dazu gehört, dass Studierende oftmals als Kund_innen gesehen und behandelt werden, was zur Ausbeutung internationaler Studierender, insbesondere aus Asien, geführt hat, wobei vor allem diese Studierenden mit Stereotypen konfrontiert sind und oft geringere Aufstiegschancen innerhalb des universitären Betriebes sowie auf dem europäischen Arbeitsmarkt haben (Kapitel 2, 12). Darüber hinaus werden Themen angesprochen, die innerhalb der Musikhochschulen lange Zeit als Tabu galten, wie z. B. die hierarchischen Beziehungen zwischen Lehrenden und Studierenden im Einzelunterricht. Das mit dieser Pädagogik einhergehende Machtgefälle führt häufig zu Missbrauchssituationen, die geschlechtsspezifisches Fehlverhalten und sexuelle Belästigung umfassen (Kapitel 7). Ein weiteres Problem ist das fortgesetzte Festhalten an einer eurozentrischen Bildungstradition, die den westlichen, von weißen Männern dominierten klassischen Kanon bevorzugt. Dies verstärkt nicht nur die vermeintliche Überlegenheit der klassischen Musik gegenüber anderen Genres, sondern marginalisiert auch Frauen und nicht-westliche, nicht-weiße Musiker_innen, deren Beiträge oft als weniger wertvoll angesehen werden (Kapitel 3, 4, 6, 8, 11, Epilog). Das Buch enthält auch kritische Überlegungen zu den jüngsten institutionellen Bemühungen um Vielfalt und Inklusion und argumentiert, dass die meisten dieser Bemühungen nicht effektiv sind, d. h., dass sie eine vermeintlich fortschrittliche Rhetorik fördern, ohne tatsächliche Veränderungen zu bringen (Kapitel 6, 8, 11).

Darüber hinaus wird in unterschiedlichen Beiträgen untersucht, wie der Neoliberalismus die Karrieren anderer musikbezogener Berufe wie Lehrer_innen, Musikveranstalter_innen, DIY-Produzent_innen und Musiktherapeut_innen geprägt hat, von denen die meisten nicht nur von den Marktkräften, sondern auch von Geschlechterstereotypen beeinflusst werden (Kapitel 12, 13, 14, 15).

Das Buch präsentiert jedoch auch einige positive Beispiele für alternative Ansätze in der Musikerziehung. In mehreren Kapiteln wird veranschaulicht, wie Lehrkräfte, Musikhochschulen und Lehrpläne zur Dekolonisierung der Musikausbildung beitragen, musikalische Hierarchien infrage stellen und ein inklusiveres Umfeld fördern können. Die Tatsache, dass die meisten dieser Beispiele aus Popularmusik-Lehrgängen stammen, die sich auf Genres wie Jazz, Pop, Bluegrass und Hip-Hop konzentrieren (Kapitel 3, 4, 5, 9), sowie aus Lehrgängen, in denen mithilfe der Technologie der Zugang für weniger privilegierte Schüler_innen verbessert wird (Kapitel 10), bestätigt die Aussage der meisten Autor_innen, dass der eurozentrischen Bildung nur eine begrenzte transformative und emanzipatorische Kraft innewohnt.

Dank der Bemühungen der mdw ist dieses Buch als Open-Access-Publikation verfügbar.

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