Analyse der Spielposition bei Cellist:innen

Auszug aus einer Masterarbeit, die im Rahmen des Projekts  "Investigating cello sound production beyond ordinary bowing" entstanden ist:

Scheiblauer, Anna (2025)
The cello position and the cellists’ bow movement: Analysis of the cello sitting position and bow movement using motion capture

Institut für Musikalische Akustik – Wiener Klangstil, Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.  

Zusammenfassung:

Die Art und Weise, wie Cellist:innen sitzen und das Instrument halten, ist sehr wichtig für ihre Technik und zur Vermeidung von Verletzungen. Um mehr über die Interaktion zwischen Cellist:innen und ihren Instrumenten zu erfahren, wurden in dieser Studie erfahrene Cellist:innen mit Motion-Capture-Kameras aufgenommen, um ihre Sitzposition und die Bewegung des Bogens in 3D zu erfassen. Die Studie diente auch dazu, eine Position zu finden, in der wir das Cello auf einer Spielplattform fixieren konnten, so dass es sowohl von menschlichen Spieler:innen als auch von einem Roboterarm bequem gespielt werden konnte. Wir verglichen die Situation, in der die Cellist:innen frei spielen konnten, mit der Situation, in der das Cello auf einem speziellen Ständer platziert war, der verhinderte, dass es sich während des Spiels bewegte. Bei diesen Untersuchungen wurden Informationen über die Position des Cellos, die Sitzgewohnheiten des Cellist:innen und die Art, wie der Bogen bewegt wird, gesammelt. 

Versuchsaufbau und Teilnehmer:innen

Die Aufnahmen erfolgten in einem Motion-Capture-Labor mit 12 Optitrack Prime 13 Infrarotkameras, die in einer rechteckigen Form angeordnet waren und mit 240 Bildern pro Sekunde (fps) die Bewegung der Musiker:innen aufnehmen konnten. Das Cello, der Bogen, der Spieltisch und einige Körperteile der Cellist:innen wurden mit reflektierenden Markern ausgestattet, die die Motion-Capture-Aufnahme ermöglichen. Bei den Messungen wurden Bewegung, Ton und Video gleichzeitig aufgezeichnet. 

Es wurde eine Spielplattform verwendet, um normale Spielbedingungen mit dem Spielen auf einem festen Instrument zu vergleichen. Diese Plattform ermöglicht es sowohl einem Roboterarm als auch einer Person, das Cello zu streichen. Wir untersuchen auch, wie die Teilnehmer:innen im Verhältnis zu ihrem Instrument positioniert sind. Die Spielplattform und die Position des Cellos konnten an jeden Teilnehmer:in angepasst werden.

Sechs Teilnehmer:innen nahmen an der Studie teil. Alle waren entweder jetzige oder ehemalige Studierende der mdw (Universität für Musik und darstellende Kunst Wien) und hatten zwischen 12 und 25 Jahren Erfahrung im Cellospiel. Die Größe der TeilnehmerInnen lag zwischen 157 und 183 cm. Sie waren zu gleichen Teilen Männer und Frauen und waren zwischen 25 und 30 Jahre alt. 

Parameter der Analyse:

Um die Auswirkung der Spielsituation auf der/n Cellist:in zu untersuchen, wurden zunächst die Cello- und Bogenbewegung visualisiert und für drei getestete Bedingungen verglichen: A) freies Spielen wie in einer Konzertsituation, B) Spielen mit dem Cello an einer von jedem Spieler gewählten Position und C) das Cello ist für alle Spieler an der gleichen Position befestigt. Dann werden einige Parameter aus der Motion-Capture-Aufnahme kalkuliert, wie im Bild zu sehen: Neigung des Cellos, Länge des Cello-Stachels, Höhe des Stuhls, Abstand zwischen Stuhl und Stachel, Neigung des Oberkörpers und Kniewinkel. Diese Parameter wurden dann mit der Körpergröße der Teilnehmer und der Größe einiger ihrer Körperteile verglichen (siehe [1] für die vollständige Studie). 

In einer anschließenden Analyse wurden auch Spielparameter ermittelt. Das sind die Parameter, die die Spieler während des Bogenspiels verändern und die aus den Motion-Capture-Daten extrahiert werden können: der Abstand zwischen Bogen und Brücke, die Winkel zwischen Bogen und Saiten, die Bogengeschwindigkeit... 

Ergebnisse:

Bei den Messungen mit Cellist:innen wurden viele interessante Ergebnisse erzielt. Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel dafür, wie fünf verschiedene Spieler:innen eine Reihe von Bogenwechseln (Wechsel vom Aufwärts- zum Abwärtsbogen) auf allen vier Saiten des Cellos durchführen würden. Obwohl die Bewegung eines einzelnen Markers, der am Frosch des Bogens befestigt ist, bei allen Spieler:innen sehr ähnlich zu sein scheint, können wir, sobald wir den Abstand zwischen Bogen und Saite berechnen, beobachten, dass jede:r Spieler:in eine andere Strategie verfolgt, um den Bogen bei jeder Saite näher oder weiter vom Steg zu positionieren. Wir können auch feststellen, dass der Winkel zwischen dem Bogen und der Saite etwa 90 Grad beträgt, da Cellist:innen lernen, diesen Winkel für eine korrekte Technik beizubehalten. Schließlich können wir sehen, wie die Neigung des Bogens auf dem Instrument von der gespielten Saite abhängt, und so können Cellist:innen auswählen, welche Saite gespielt wird. 

Schlussfolgerung:

Anna Scheiblauers Studien im Rahmen des Projekts „Investigating cello sound production beyond ordinary bowing“ (Klangerzeugung beim Cello mit unkonventioneller Bogentechnik) trugen dazu bei, eine Position des Cellos auf der Spielplattform zu finden, die während des gesamten Projekts verwendet werden sollte, um sowohl menschliche Spieler:innen als auch einen Roboterspieler aufzunehmen. Einige Teilnehmer:innen hatten Schwierigkeiten, sich an ein Instrument zu gewöhnen, das sich nicht bewegen konnte; die meisten Spieler:innen zeigten ähnliche Streichmuster in einer freien und in einer eingeschränkten Aufstellung. Sie berichteten auch, dass die Befestigung des Cellos keine negativen Auswirkungen auf ihr Spiel hatte. Wir beobachteten jedoch, dass die Spieler:innen ihre Haltung (Neigung des Oberkörpers, Kniewinkel usw.) anpassten, wenn das Cello befestigt war, damit sie eine bequeme Position einnehmen konnten, um die gleiche Reichweite mit dem Bogen zu erzielen. In der Studie wurde beobachtet, dass sich die Bogenhaltestrategie und die Bogenbewegung auf den Saiten nicht veränderten. Das zeigt, dass das gewünschte "dual setup" mit einem befestigten Cello tatsächlich möglich ist; allerdings muss den Spieler:innen genügend Raum gelassen werden, damit sie sich frei um das Instrument herum bewegen und andere Parameter, wie Sitzposition und -höhe, anpassen können. Während des Prozesses beobachteten wir Korrelationen zwischen der Länge des Stachels und dem Neigungswinkel des Cellos, wobei beide von der Körpergröße des Cellisten abhängen. 

Referenzen:

Anna Scheiblauer, Alexander Mayer, Montserrat Pàmies-Vilà (2022) 
"Investigating the cello position, bow motion and cellist posture using motion capture",
Proc. Meetings on Acoustics (Vienna Talk 2022), Vienna. 
https://doi.org/10.1121/2.0001677