Luftfeuchtemessungen in Konzerthallen

aus einer Masterarbeit, Teil II:

Nagl, Wolfgang (2020)
Humidity influence on natural drumheads.
Department of Music Acoustics – Wiener Klangstil, University of Music and Performing Arts Vienna.

Einleitung

In der Arbeit von Wolfgang Nagl wird im ersten Teil der Einfluss der Luftfeuchtigkeit auf das Naturfell unter Laborbedingungen gemessen und analysiert. Im zweiten Teil erfolgte dann eine Serie von Temperatur und Luftfeuchtigkeitsmessungen in Konzerthallen während Konzerten. Eine Übersicht der Ergebnise und Erkenntnisse soll hier wieder gegeben werden.

Einfluss des Publikums

Bei der ersten Messung in einem Konzertsaal ging es darum, den Einfluss des Publikums auf die Luftfeuchtigkeit nachzuweisen. Zu diesem Zweck wurden zwei Messungen durchgeführt. Eine Messung bei der Generalprobe und die andere beim Konzert. Beide Messungen fanden am selben Tag im selben Saal statt. Es wurde ein Konzert im Wiener Konzerthaus gewählt. Das erste Diagramm (Probe) zeigt fast keine Veränderung der Luftfeuchtigkeit im Laufe der Zeit, während die Messung im Konzert eine viel größere Schwankung der Luftfeuchtigkeit zeigt.

Generalprobe

Bei näherer Betrachtung ist ein leichter Anstieg der Luftfeuchtigkeit vor Beginn der Probe zu erkennen, wenn die Musiker ihre Plätze einnehmen. Und ein Absinken der Luftfeuchtigkeit lässt sich zumindest erahnen, sobald die Pause beginnt. Alles in allem bewegte sich die Luftfeuchtigkeit zwischen 5,2 g/m3 und 5,6 g/m3.

Absolute humidity while rehearsing − “Wiener Konzerthaus.”

Absolute Luftfeuchtigkeit bei der Probe − Wiener Konzerthaus

Konzert

Die Messung bei dem Konzert zeigt dagegen eine viel größere Schwankung der Luftfeuchtigkeit. Die Türen wurden 35 Minuten vor Beginn des Konzertes geöffnet. Dies ließ frische Luft in den Saal und sorgte dafür, dass die Luftfeuchtigkeit spürbar sank. Die absolute Luftfeuchtigkeit sank von 5,7 g/m3 auf 4,9 g/m3. Je mehr Leute eintraten, desto mehr stieg die Luftfeuchtigkeit wieder an. Dieser Effekt setzt sich bis zu seinem Höhepunkt von 6,6 g/m3 am Ende des ersten Teils des Konzerts fort. Während der Pause sank die Luftfeuchtigkeit wieder auf 5,4 g/m3, was dazu führte, dass die Luftfeuchtigkeit am Ende des zweiten Teils des Konzerts erneut 6,9 g/m3 erreichte.

Absolute Luftfeuchte beim Konzert − Wiener Konzerthaus

Der höchste Anstieg wurde bei einem Konzert im Musikverein in Wien gemessen. Das Orchester führte Bernsteins 3. Symphonie im zweiten Teil auf. Dies erforderte die Mitwirkung eines Sprechers, eines Gesangssolisten, eines großen Orchesters plus Chor und sogar eines zusätzlichen Knabenchors. Alles in allem war der Pauker von etwa 200 Personen umgeben. Im ersten Teil des Konzerts stieg die Luftfeuchtigkeit von 7,7 g/m3 auf 10,3 g/m3 an. Nachdem sie in der Pause auf 9,2 g/m3 gesunken war, stieg die Luftfeuchtigkeit im zweiten Teil auf 11,2 g/m3.

Berücksichtigt man diese Werte und vergleicht sie mit den Labormessungen, kann man davon ausgehen, dass sich die Pauken spürbar verstimmen würden. Die gesamte Veränderung der absoluten Luftfeuchtigkeit beträgt 3,5 g/m3 und dauerte etwa 140 Minuten. Die Befeuchtung von 4 g/m3 in den Labortests dauerte 28 Minuten und bewirkte, dass das Trommelfell um nicht weniger als einen Halbtonschritt (Ziege) bzw. im Falle des Kalbs sogar um mehr als einen Volltonschritt verstimmt wurde. Aufgrund der längeren Befeuchtungsdauer während des Konzerts wird mindestens die Laborveränderung angenommen, wahrscheinlich wäre die Veränderung aber noch größer.

Die Luftfeuchtigkeit steigt nicht nur an, sie kann auch dramatisch sinken. Gemessen bei einem Konzert im Linzer Brucknerhaus liefert die Grafik der relativen Luftfeuchtigkeit einige interessante Details. Erstens der starke Rückgang der Luftfeuchtigkeit während der Konzertpause. Zweitens der Rückgang der Luftfeuchtigkeit während der Zugabe des Solisten.

Ausgleich von Feuchtigkeitsschwankungen / Messungen im Inneren einer Pauke

Die erwähnten Feuchtigkeitsschwankungen führen zu gravierenden Tonhöhenveränderungen an den Instrumenten. Um diesen Schwankungen entgegenzuwirken, verwenden die Musiker oft Stücke von nassem Stoff auf einem Holzstab oder Metalldraht. Diese Stoffstücke werden in die Pauke gelegt, indem sie durch das Loch am Boden des Kessels gesteckt werden. Ursprünglich wurde diese Technik erfunden, um an sehr trockenen Tagen tiefe Basstöne zu erzielen, indem die Pauken von innen befeuchtet wurden. Es stellte sich jedoch heraus, dass diese Befeuchtung auch verhindert, dass die Pauken große Tonhöhenschwankungen aufweisen.

Um das Innere eines Paukenkessels zu messen, wurde am Institut für musikalische Akustik – Wiener Klangstil (IWK) ein spezieller Datenlogger gebaut. Dazu wurden drei DHT22-Feuchtigkeits- und Temperatursensoren auf Saugnäpfen montiert, die auf die Innenseite des Kessels angebracht werden konnten. Dazu musste das Trommelfell abmontiert werden. Die Kabel wurden durch das Loch im Kessel geführt, und der Datenlogger wurde unter der Pauke angebracht.

Messungen

Beim Konzert im Brucknerhaus wurde nicht nur die Luftfeuchtigkeit im Saal gemessen, sondern auch die Innenseite der Basspauke. Das Innere wurde etwa eine Stunde vor Beginn der Aufführung mit nassen Stoffstücken befeuchtet. Der Datenlogger startete 7 Minuten vor Konzertbeginn und zeichnete alle 15 Sekunden die aktuelle Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit auf. Aus diesen Daten wurde die absolute Luftfeuchtigkeit bestimmt.

Die Sättigung des Volumens war viel höher als bei jeder Messung zuvor. Zu Beginn des Konzerts lag die absolute Luftfeuchtigkeit bei 16,8 g/m3. Diese blieb bis auf wenige Schwankungen, die auf das Spielen des Musikers zurückzuführen sind, mehr oder weniger auf demselben Niveau. Beim Auftreffen auf die Haut wird das Luftvolumen im Inneren komprimiert, was durch das Loch am Boden des Kessels ausgeglichen wird. Die befeuchtete Luft wird nach außen geblasen und die äußere, trockenere Luft wird angesaugt. Aus diesem Grund blieb die Luftfeuchtigkeit bis zur Zugabe des Solisten, als die absolute Luftfeuchtigkeit 17 g/m3 betrug, nahezu konstant. Ab diesem Zeitpunkt wurde das Instrument nicht mehr benutzt, und das feuchte Tuch im Inneren befeuchtete das Volumen des Kessels bis auf 17,6 g/m3. Mit Beginn der Pause (17,4 g/m3) dauerte es eine Weile, bis die trockene Luft das Innere des Kessels erreichte. Aber auch die im Saal gemessene starke Abnahme der Luftfeuchtigkeit wirkte sich über das kleine Luftaustauschloch am Boden des Kessels auf das Innere des Kessels aus und führte zu 16 g/m3 absoluter Luftfeuchtigkeit. Im zweiten Teil des Konzerts wurde die Pauke bis Minute 92 eingesetzt und danach nicht mehr benötigt. Dies ist auch in der Grafik zu erkennen, da das nasse Tuch das Volumen des Kessels ungestört durch den Musiker befeuchten kann. Dadurch konnte die Luftfeuchtigkeit von 16,4 g/m3 zu Beginn des zweiten Teils auf 18 g/m3 am Ende ansteigen.

Absolute humidity inside the bass timpano − “Brucknerhaus”

Absolute Luftfeuchtigkeit im Innerren einer Bass-Pauke − Brucknerhaus

Rasche Änderungen

Es wurde erwartet, dass der Bühnenbereich eines Opernhauses eine andere Luftzusammensetzung aufweist als der Zuschauerbereich, da die Luft erst durch den Vorhang beim Heben oder Drehen der Bühne freigesetzt wird. Aus diesem Grund wurden die 3-Minuten-Intervall-Messungen in den Laborversuchen durchgeführt. Um zu sehen, wie groß diese Veränderungen unter realen Bedingungen sind, wurde die Premiere von von Einems Oper Der Besuch der alten Dame im Theater an der Wien für die Messungen ausgewählt.

Vorhänge

Während der Aufführung wurde der Vorhang zweimal hochgezogen, zu Beginn und nach der Pause. Es scheint, dass die Luft im Bühnenbereich sehr viel trockener ist als die Luft im Orchestergraben oder im Zuschauerraum. Die Luftfeuchtigkeit fällt an diesen Stellen deutlich ab. Zu Beginn der Oper sinkt die Luftfeuchtigkeit in weniger als zwei Minuten von 11,2 g/m3 auf 9,2 g/m3. Auch nach der Pause ist dieser Effekt ziemlich stark und findet in genau einer Minute statt, wenn die Luftfeuchtigkeit von 10,8 g/m3 auf 9,2 g/m3 sinkt.

Drehungen der Bühne

Um die Aufführung nicht zu stören, basierte die Inszenierung auf fließenden Szenen, die ohne klare Schnitte durch den Vorhang wechselten. Dies wurde dadurch erreicht, dass beim Szenenwechsel die gesamte Bühnenfläche für eine andere Gestaltung gedreht wurde. Die meisten dieser Szenenwechsel zeigen ähnliche Symptome, wie sie bei der Bewegung des Vorhangs auftreten. Der Kulissenwechsel bringt trockene Luft in den Zuschauerbereich und in den Orchestergraben, was sich stark auf die Luftfeuchtigkeit auswirkt. Je kürzer die Intervalle des Kulissenwechsels waren, desto mehr vermischten sich die beiden Luftkompositionen. Dies zeigt sich in Szene 4 bis Szene 6, wo das Drehen kaum Auswirkungen auf die Luftfeuchtigkeit hat. Eine Ausnahme ist Szene 6, wo die Drehung keine Auswirkungen hat, aber diese Schlussszene verlangte den Sängern auf der Bühne viel ab, was zu einem deutlichen Anstieg der Luftfeuchtigkeit während der letzten Szene vor der Pause von 9,2 g/m3 auf 11 g/m3 führte.

Absolute humidity − Besuch der alten Dame premiere.

Absolute Luftfeuchtigkeit − Besuch der alten Dame premiere Theater an der Wien 

Um zu beweisen, ob die Feuchtigkeitsveränderungen in der Oper durch das beschriebene Phänomen verursacht wurden oder einfach nur zufällig entstanden sind, wurde dieselbe Aufführung von von Einems Der Besuch der alten Dame mit zwei anderen Messungen derselben Produktion kombiniert. Nicht alle der zuvor beschriebenen Kulissenveränderungen sind zu sehen, aber die meisten waren reproduzierbar.

Composition of different performances of Der Besuch der alten Dame.

mehrere Auffüuhrungen: "Der Besuch der alten Dame"

Ein paar Dinge fallen sofort ins Auge:

  • Die enormen Schwankungen der Luftfeuchtigkeit während der Pause. Leider hat der Autor die Pause nicht protokolliert. Daher lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, woher diese Schwankungen kamen. Vermutlich von Bauarbeiten auf der Bühne. Nichtsdestotrotz sind auch diese Arbeiten bei jeder Aufführung gleich und in der Tabelle
  • Ablaufunterschiede im zweiten Teil der Aufführungen: Der Grund dafür ist ganz einfach und liegt in der unterschiedlichen Länge der Pausen, die im Diagramm nicht synchronisiert werden konnten, ohne die gesamte Grafik zu verfälschen.
  • Unterschiedliche Werte der absoluten Luftfeuchtigkeit. Obwohl die Aktionen auf der Bühne reproduzierbar zu sein schienen, war die Gesamtfeuchtigkeit es nicht. Das „Theater und der Wien“ ist ein altes Opernhaus aus dem Jahr 1801 (Vereinigte Bühnen Wien, 2019). Die technische Ausstattung ist nicht so modern wie in neueren Häusern, was dieses Opernhaus anfällig für äußere Einflüsse macht, da es nicht in der Lage ist, der Temperatur und Feuchtigkeit entgegenzuwirken, die von außen durch offene Türen oder das Anlieferungstor für die Kulissenteile in das Opernhaus eindringen. Ein genauerer Blick auf das Wetter in Wien stützt diese Annahme (siehe dazu die Daten auf Seite 58 der Diplomarbeit).

 

Moderne Konzerthäuser

Im Gegensatz zum alten Theater an der Wien gibt es natürlich auch neuere Opernhäuser, in denen bereits viel Technik eingebaut ist. Leider konnte im Rahmen dieser Arbeit nur eine Messung in einem neu errichteten Opernhaus durchgeführt werden, die aber bereits zeigt, dass sich der technische Aufwand lohnt.

Absolute humidity − “Musiktheater Linz.”

Absolute LÖuftfeuchte − Musiktheater Linz

Fazit

Mit moderner Technik lassen sich große Umweltunterschiede vermeiden, die sich sowohl auf die Interpreten als auch auf die Instrumente auswirken. Im Vergleich zu den Labormessungen haben die Schwankungen im Musiktheater Linz wahrscheinlich kaum einen Einfluss auf die Intonation.

Auf der Grundlage der für diesen Artikel durchgeführten Studien sollte es keinen Zweifel mehr an den Auswirkungen von Feuchtigkeit auf natürliche Trommelfelle geben. Die gezeigten Experimente sollen diese Veränderungen veranschaulichen und MusikerInnen eine Vorstellung davon geben, wie das Zusammenspiel von Luftfeuchtigkeit und Instrument abläuft. Ob Oper oder Konzert, nach dieser Arbeit sollte jede/r PaukistIn in der Lage sein, die zu erwartenden Veränderungen vorauszusehen und ihnen entsprechend entgegenzuwirken.