Stetteldorf 2012

Thema: Dreiecks-Beziehung „Musik – Pädagogik – Therapie“ „Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an“ (E. T. A. Hoffmann)

 

Was machen MusikpädagogInnen am ersten Ferientag? – Sie halten eine Klausurtagung ab! So geschehen am 30. Juni 2012 im inspirierenden Ambiente des Schlosses Stetteldorf am Wagram im südwestlichen Weinviertel in Niederösterreich, wo sich rund 80 TeilnehmerInnen heuer der Dreiecks-Beziehung „Musik – Pädagogik – Therapie“ widmeten.

„Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an“ (E. T. A. Hoffmann)
Im ersten Teil der Tagung, „Warum Musiktherapie an unserer Universität?“, ging es um die Rolle der Musik in der Musiktherapie, um die Vorstellung des Studiums am Institut für Musik- und Bewegungserziehung sowie Musiktherapie und um das Arbeiten als MusiktherapeutIn in der Praxis. In seinem Vortrag sprach der Leiter der Abteilung für Musiktherapie, Thomas Stegemann, von den Grenzen zwischen Musiktherapie (Musik im Rahmen einer therapeutischen Beziehung), Musikmedizin (Gesundheit durch Musik) und Musikermedizin (gesundheitliche Schwierigkeiten, die aufgrund der Musikausübung entstehen). Damit räumte er mit dem Vorurteil auf, die Musiktherapie würde zwischen zwei Stühlen sitzen, und verwies auf die Vorzüge des interdisziplinären Zugangs dieses Faches. Das Herz der Musiktherapie ist das Erleben in Musik und dessen Reflexion. Es wird durch das gemeinsame Spielen/ Musizieren ein Sagen und Antworten initiiert und damit ein kreativer Prozess in Gang gesetzt: Kreativität als Gegenteil von Krankheit. Seit 2009 existiert das Berufsgesetz Musiktherapie, welches die Berufsberechtigung und die Berufspflichten der MusiktherapeutInnen regelt. Denn tatsächlich ist das Arbeitsfeld ein großes und reicht von Neonatologie und Kinderonkologie über Psychosomatik, Psychotherapie, Neuroreha bis hin zu minimal-responsiven PatientInnen und HospizpatientInnen, um nur einige zu nennen. Dieser wichtigen gesellschaftlichen und gesundheitlichen Realität trägt die Universität für Musik und darstellende Kunst Rechnung, indem es für die Musiktherapie ab dem Studienjahr 2012/13 einen neuen Studienplan gibt, basierend auf drei Säulen: auf der Persönlichkeitsentwicklung, der musikalischen Ausbildung und der Musiktherapeutik.

Bleibt noch zu klären: „Warum Musiktherapie an unserer Universität?“ Darauf gab Stegemann folgende Antworten: Wien hat, gemeinsam mit London, die älteste akademische Ausbildung in diesem Bereich und es gibt die „Wiener Schule der Musiktherapie“. Musik spielt eine zentrale Rolle in der Ausbildung und der Praxis. Die Art der Ausbildung, das Menschenbild, das in der Musiktherapie gelehrt wird, und die Synergien, die durch die Interdisziplinarität entstehen, führen zu einem zusätzlichen Imagegewinn der Universität.
In der anschließenden Podiumsdiskussion zum Thema „Improvisation zwischen Kunst und Therapie“ diskutierten die Geigerin Ulrike Danhofer (Hellmesberger-Institut), die Musiktherapeutin Elena Fitzthum und der Klavier- und Improvisationslehrer Paul Hille (beide vom Institut für Musik- und Bewegungserziehung sowie Musiktherapie) sowie die Musiktherapeutin Monika Smetana (Wiener Institut für Musiktherapie). Dabei waren sich die DiskutantInnen einig, dass es bei der Improvisation einer Atmosphäre bedarf, in der die Scheu überwunden werden und der Kontakt zu sich selbst entstehen kann. Für das „gute Gelingen“ gebe es keine objektiven Kriterien, wichtig sei vielmehr die intersubjektive Qualität.

Sind MusikpädagogInnen „Eier legende Woll-Milch-Säue?“
Am Nachmittag stand die Frage „Müssten PädagogInnen heutzutage nicht eigentlich TherapeutInnen sein?“ im Interesse der TeilnehmerInnen. In sechs Arbeitsgruppen wurden die Anteile von Musikpädagogik beziehungsweise Musiktherapie an den Feldern Therapie, Sonderpädagogik und Pädagogik diskutiert und erarbeitet und schließlich im großen Plenum unter der Leitung von Peter Röbke (Institut für Musikpädagogik) zusammengeführt. In dieser abschließenden Podiumsdiskussion mit Gertraud Berka-Schmid (Institut Antonio Salieri), Thomas Stegemann, Helga Neira- 4 Zugasti (Institut für Musik- und Bewegungserziehung sowie Musiktherapie) und DiskutantInnen aus dem Plenum wurden die Herausforderungen der jeweiligen Fachgebiete dargelegt. In diesem Zusammenhang wurde der Problemdruck erläutert, der sich aus der gegenwärtigen Art zu leben ergibt: Das enge Raum-Zeit-Korsett, die Vielschichtigkeit des sozialen Umfeldes, der sprichwörtliche Rückzug des Kindes/ der Kindheit und der Bildungsdruck kreieren eine komplexe Atmosphäre, in der besonders PädagogInnen gestärkt werden sollten. Denn an ihnen liegt es schließlich, den Spagat zwischen Individualität und Anforderungen zu bewerkstelligen. Vor der Therapie die Prävention – zu diesem Schluss kamen die TeilnehmerInnen unter anderem.
TonTexTanz Die Tagung fand mit einer abwechslungsreichen Veranstaltung Lehrender (Angelika HauserDellefant und Klaus Göhr) und Studierender des ersten und zweiten Jahrgangs vom Institut für Musik- und Bewegungserziehung ihren Abschluss. Eigenchoreografien und -kompositionen wurden in tänzerisch und rhythmisch ausgefeilter Form zur Aufführung gebracht, eine Performance als Tribut an die Fußball-EM 2012 war ebenso dabei wie ein interaktives Computergame, haarige Extensions, die Vorführung des Films „Bach im Wald“ und schließlich eine Samba-Batería im Schlosshof. Das Publikum war vergnügt, äußerst begeistert und geriet regelrecht ins Staunen... Schloss Stetteldorf – eine „Fluchtburg“ für MusikpädagogInnen Zum Gelingen der Veranstaltung trug nicht nur das vielschichtige Programm und der gut organisierte Tagesablauf bei, sondern auch die besondere Atmosphäre des Tagungsortes: Das Schloss Stetteldorf, erbaut im Jahre 1588, bot den MusikpädagogInnen bereits zum vierten Mal „Zuflucht“, um fächerübergreifende Themen zu besprechen. Die Schlossherren Georg und Brigitte Stradiot (Lehrende am Institut Antonio Salieri), denen das Gedeihen der ehrwürdigen Mauern sehr am Herzen liegt, was in jedem noch so kleinen Detail spürbar ist, kümmerten sich gemeinsam mit ihrem Team ebenso liebevoll um die Tagungsgäste. Da konnte man glatt vergessen, dass eine Tagung eigentlich Arbeit bedeutet und Aufmerksamkeit fordert! Und so wurden die TeilnehmerInnen mit lukullischen Köstlichkeiten aus der Region verwöhnt. Weiters stand vor dem Abendessen eine Schlossführung durch den Sobieskitrakt und die Gartenanlage auf dem Programm.