Kaum eine Phrase trägt mehr Überheblichkeit in sich als die gerne erhobene Forderung, man müsse „die Menschen dort abholen, wo sie sind“. Ob in der Medienbranche, in der Politik oder im Kulturbereich, dieses Bild wird beinahe inflationär verwendet. Nun mag damit durchaus etwas Sympathisches gemeint sein. Gleichstellung von Senden und Empfangen, Kommunikation auf Augenhöhe, aufeinander zugehen, anstatt in starren Positionen zu verharren, die ja immer etwas Hierarchisches in sich tragen. In der Kultur bedeutet das oftmals: hier das Museum, die Oper, das Theater oder eine beliebige andere Einrichtung des kulturellen Lebens einer Stadt, dort das Publikum, das mehr oder weniger passiv konsumieren, jedoch nicht intervenieren soll. Diese klassische Machtverteilung zu hinterfragen, alte Strukturen aufzubrechen und das Publikum offener und direkter anzusprechen, ist in jedem Fall ein lohnender Ansatz.

Das Bild des „Abholens“ ist dafür jedoch nicht geeignet. Es erinnert an Kinder, die vor der Schule geduldig warten müssen, bis die Erwachsenen sie mit nach Hause nehmen. Es hat den Gestus des Pädagogischen. Als müsste man die Menschen an der Hand nehmen und an das heranführen, was sie bisher nicht interessiert hat. Dann würde ihr Interesse schlagartig geweckt. Wäre es nicht vielversprechender, sich aufseiten der Kunstschaffenden und Kulturverantwortlichen stattdessen zu fragen, ob denn das, was man da so jahrein, jahraus produziert, der Lebensrealität vieler überhaupt noch entspricht? Ob die inszenierten Geschichten es schaffen, Menschen zu berühren und sie sich mit den Figuren auf der Bühne oder der Leinwand überhaupt noch identifizieren können? Das würde bedeuten, sich tatsächlich für jene zu interessieren, die man als neues Publikum für sich gewinnen will. Es wäre eine wirkliche Auseinandersetzung miteinander, ein echter Community Outreach. Es würde die Perspektive verändern, es wäre bereichernd. Und zwar für beide Seiten.

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