Seit 2015 bereist Marialena Fernandes mit ihren Studierenden regelmäßig die indische Provinz Goa. Gemeinsam konnten sie im Beethoven-Jahr 2020 ganz besondere musikalische Eindrücke sammeln.

In Mumbai geboren, ist es der international tätigen Pianistin Marialena Fernandes ein großes Anliegen, Interaktion zwischen aktiven Musiker_innen und interessierten Zuhörenden, die motiviert werden mitzuwirken, zu erreichen. Ihr soziales Engagement sowie die intensive Beschäftigung mit persönlichen Wurzeln im Rahmen ihrer Dissertation führte 2015 zu einem einzigartigen Bildungsprojekt. Es geht um den Dialog, den junge Künstler_innen aus Indien und Österreich miteinander über die Musik führen können.

Alles begann auf einer ihrer Konzertreisen nach Indien. Im Jahre 2005 wurde Fernandes von ehemaligen Schulkolleg_innen auf einen Abstecher nach Goa eingeladen, wo sie in der Ortschaft Siolim spätabends unerwartet auf eine Statue von Ludwig van Beethoven traf. Sie beschreibt diese „Begegnung“ so:

„Riesige Blätter, wilde Bäume, viel Unkraut im Dschungel, bis mein Fuß an ein steinartiges Ding stieß. Da ich in der Finsternis nichts sehen konnte, musste ich mit den Händen fühlen, die wurden immer länger und höher, bis einer der Freunde mir eine Taschenlampe borgte und …O mein Gott … da stand er, völlig alleingelassen, herabschauend, aber umarmend.

Mein Held, Herr Ludwig van Beethoven, viktorianisch angezogen, Arme ausgestreckt, in einer Hand ein Buch, in der anderen einen Stab. So begann meine Reise zu dem Beethoven in Indien – Goa – Siolim, ein Fischerdorf im Norden des Landes.“

© Marialena Fernandes/privat

Die Statue hatten die Nachkommen eines musikbegeisterten Hausbesitzers im Vorgarten errichten lassen. Nach einem kurzen Moment des ungläubigen Staunens war rasch die Entscheidung getroffen, an diesem einzigartigen Ort künftig zu musizieren.

Zurück in Wien reifte der Plan, Studierende und Lehrende, darunter der damalige Vizerektor der mdw, Wolfgang Klos, an diese Stätte zu bringen. Von Anfang an war die grundlegende Idee des Projekts, dass Musik hier nicht nur aufgeführt, sondern vor allem mitgeteilt und geteilt werden soll. Der österreichische Konsul in Goa unterstützte das Beethovenprojekt, die lokalen Bildungs- und Kulturträger wurden aktiv, und so fanden im Jahr 2007 innerhalb weniger Tage über 300 Jugendliche den Weg zu etwas Neuem, das alle Beteiligten nachhaltig bereichern sollte. Rund um Beethovens und Schuberts Musik brachten die Musiker_innen aus Wien ein Programm mit, das das Publikum begeisterte und zum Mitsingen und Tanzen animierte.

In weiterer Folge initiierte Fernandes 2015 eine neue Projektserie namens Quest for Passion, ein Kultur-, Bildungs- und nicht zuletzt Sozialprojekt für Kinder und Jugendliche. Diese führt sie jedes Jahr gemeinsam mit diversen Ensembles und Künstler_innen nach Indien – zuerst mit der Gruppe Hotel Palindrone, im Jahr darauf mit dem Music-Comedy-Trio The ThreeX, 2017 mit dem Trio ViennAir, 2018 mit dem Trio Infernal und 2019 mit Amitri.

Im Beethoven-Jahr 2020 reiste Marialena Fernandes im Februar zum sechsten Mal mit mdw-Studierenden, diesmal mit dem Trio Sphere, auch nach Siolim in Goa. Auf dem Programm standen Beethoven und Mozart. Das goanesische Ensemble Ultra Brass Sound (UBS) unter der Leitung des Hornisten und Gitarristen Rui Lobo sowie die Sängerin Kim Ann Costa traten auf, der Abend klang erneut mit gemeinschaftlichem Singen und Tanzen aus.

Das Resümee der Sängerin belegt den Erfolg der Veranstaltung: „Der Höhepunkt dieser musikalischen Begegnung zwischen den beiden Ländern mit Beethovens Ode an die Freude war ein großartiges Finale.“

Und Lobo fasst zusammen: „Es passte sehr gut zu Marialenas Projekt, denn eines der charakteristischen Merkmale ihrer Arbeit in Indien über die Jahre hinweg war die musikalische Vielfalt, die sie in jedes Programm einbringt. Es war pure Freude, dass sie und ihr fantastisches Team uns sowohl im Rahmen von Workshops als auch Einzelunterricht begleitet haben. Der Auftritt mit UBS in Siolim vor einem großen, dankbaren Publikum war ein musikalischer Höhepunkt in diesem Jahr. Unser tiefster Dank gilt Marialena und allen Organisationen, wie der mdw, dem österreichischen Konsulat, den lokalen goanischen Vereinen sowie einer Reihe anonymer Einzelpersonen, die diese Aktivitäten unterstützen. Das motiviert uns alle, nach Spitzenleistungen zu streben.“

Auch das österreichische Trio Sphere aus Wien zeigt sich von der Reise beeindruckt:

Quest for Passion – ein Projekt organisiert von Marialena Fernandes – führte uns (Martina Stückler, Mojca Pecman und Stefan Mancic) auf eine Entdeckungsreise nach Indien, wo wir in eine völlig fremde Kultur mit neuartigen Klängen und ungewohnten Gerüchen eintauchen durften. Die Reise übertraf jegliche Erwartungen und erfüllte uns mit wunderbaren, musikalischen und herzerwärmenden Momenten und persönlichen Begegnungen. So offenbarte sich uns eine komplett fremde Welt, in der wir auf unserer Suche nach Leidenschaft auch auf Beethoven trafen. Während des Musizierens konnten wir die mystische, kraftvolle und universelle Sprache der Musik spüren, die uns alle trotz großer kultureller Unterschiede im Moment vereinte.“

Und die Quest for Passion, die Suche nach der Leidenschaft, geht weiter: Mit leidenschaftlichem Eifer und großem Engagement organisiert die Pianistin, Kammermusikerin und Cross-Over-Expertin bereits die nächste Reise – immer mit dem Ziel vor Augen, den Dialog zwischen den Menschen und Kulturen durch die Musik zu vertiefen.

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