Zur Veranstaltung zum Internationalen Tag der Menschenrechte an der mdw

Am 10. Dezember 2019 fand bereits zum zweiten Mal anlässlich des Jahrestags der Deklaration der Menschenrechte an der mdw eine Podiumsdiskussion zu den Themen Menschenrechte, Gleichbehandlung und Antidiskriminierung statt. Rektorin Ulrike Sych begrüßte an diesem Abend die Künstlerin, Autorin und kunstbasierte Forscherin Belinda Kazeem-Kamiński von der Akademie der bildenden Künste Wien, den Ethnomusikologen Marko Kölbl von der mdw, die Vizepräsidentin des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs Anna Sporrer und die Ethnomusikologin Shzr Ee Tan vom Royal Holloway College der University of London.

Rosa Reitsamer © Stephan Polzer

In drei Fragerunden zu Kontext, aktueller Lage und möglichen Zukunftsvisionen für eine effektive Gleichbehandlung und Antidiskriminierung an österreichischen Kunstuniversitäten gab Moderatorin Rosa Reitsamer, Professorin für Musiksoziologie an der mdw, den Diskutant_innen Gelegenheit, ihre Erfahrung und Expertise zum Thema „Studieren ohne Diskriminierung“ einzubringen.

Anna Sporrer © Stephan Polzer

Die Juristin Anna Sporrer betonte, dass es ganz im Sinn des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auch beim Bundesgleichbehandlungsgesetz in erster Linie darum geht, die Wirksamkeit von Menschenrechten und Gleichbehandlung in der breiten Gesellschaft deutlich zu machen: „Human Rights must be seen to be done.“ Laut österreichischem Gesetz muss Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung in allen gesellschaftlichen Bereichen und auf allen Ebenen umgesetzt werden. Am Anfang von Antidiskriminierungsmaßnahmen steht zunächst aber oft die grundsätzliche Sensibilisierung für und Bewusstmachung von Diskriminierung.

Kunstuniversitäten nehmen eine ambivalente Rolle ein: Auf der einen Seite gelten sie als besonders fortschrittlich, inklusiv und aufgeschlossen, auf der anderen Seite verändern sich auch hier die universitären Strukturen nur langsam.

Belinda Kazeem-Kamiński © Stephan Polzer

Belinda Kazeem-Kamiński wies darauf hin, dass die Besetzung von Gleichbehandlungsstellen, Arbeitskreisen für Gleichbehandlungsfragen (AKGs) und anderen universitären Gremien wie z.B. Berufungskommissionen inklusiver gestaltet werden muss. Gelebte Inklusion betrifft alle intersektionalen Kategorien, das heißt nicht nur Ethnizität, sondern auch Geschlecht, Klasse, sexuelle Orientierung, Alter, Behinderung bzw. (Dis)Ability und Religion. Dabei ist eine wertschätzende Kommunikation aller Akteur_innen im universitären Feld und darüber hinaus grundlegend für eine funktionierende Demokratie.

Als Mitglied des Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen (AKG) an der mdw und als Senior Researcher der Ethnomusikologie sprach auch Marko Kölbl vom Problem des Bewusstwerdens von Diskriminierung in ihren unterschiedlichen Formen.

Marko Kölbl © Stephan Polzer

Es benötige auch einen gezielt aufklärenden Diskurs innerhalb der universitären Institution, denn gerade im Bereich des musikalischen Einzelunterrichts kann das Nähe-Distanz-Verhältnis zwischen Lehrperson und Student_in auch „aus dem Lot geraten“. Dass Grenzüberschreitungen dann aber auch als solche wahrgenommen werden, sei ein Bewusstwerdungsprozess, der je nach professionellem und – nicht zu vergessen – familiärem Druck stattfindet oder eben nicht. In dieser Hinsicht hat die #MeToo-Debatte auch die Kunstuniversitäten eingeholt.

Shzr Ee Tan © Stephan Polzer

Zur Situation außerhalb Österreichs sprach Shzr Ee Tan, die sich als „East-Asian, born in Singapore“ vorstellte. Das koloniale Erbe Großbritanniens sei ambivalent zu bewerten: Westliche klassische Musik spielte in der Geschichte des Kolonialismus die Rolle einer „soft power“, deren Auswirkungen bis heute spürbar sind. Trotz einer Haltung der Offentheit und Inklusion an Kunstuniversitäten halten sich spezifische Formen der Stereotypisierung und Rassifizierung. Ein Beispiel, zu dem Tan gemeinsam mit der Musikwissenschaftlerin Maiko Kawabata aktuell arbeitet, ist die Rassifizierung ostasiatischer Musiker_innen im klassischen Musikbereich: Die Dekonstruktion des Phantasmas, junge ostasiatische beziehungsweise chinesische Musiker_innen würden die Hegemonialmacht westlicher, weißer Musiker_innen bedrohen, beschrieb Tan als „undoing the script“ (siehe auch das Interview mit Tan, S. 8).

Positiv verstanden ermöglichen erst die internationalen Studierenden, speziell die Drittstaaten-Angehörigen mit einem Anteil von 22 Prozent in den künstlerischen Studien laut einer IHS-Studie von 20151, dass Inklusion als unumgänglich (an)erkannt wird. Sie sind es, die Diskriminierung ins Bewusstsein der Mehrheitsbevölkerung rufen und in der Folge auf Inklusion drängen.

Eine zentrale Frage war dann auch der Zusammenhang zwischen strukturellen Ausschlüssen wie Rassismen und Sexismen, individuellen Taktiken des Umgangs mit ihnen sowie institutionellen Strategien zur Transformation ebendieser Strukturen auf der Basis der Grundrechte. Konsens herrschte am Podium darüber, dass Vermeiden und Ausblenden von Diskriminierung keine Lösung des Problems darstellt. Vielmehr müsse eine diskriminierungssensible und machtkritische Perspektive in sämtliche (Lehr-)Veranstaltungen hineingetragen werden.

© Stephan Polzer

In der Diskussion wies Rektorin Ulrike Sych darauf hin, dass in diesem Zusammenhang die zukünftigen Arbeitsfelder der Studienabgänger_innen nicht außer Acht gelassen werden sollten. Der universitäre Raum bietet zunächst nur ein geschütztes Experimentierfeld an. Dennoch gibt es, so das Fazit am Podium, keine völlig diskriminierungsfreien Räume, wir können nur im Sinn von bell hooks engagierter Pädagogik versuchen, Räume wie den Klassenraum diskriminierungssensibler zu machen. Diversity Trainings können als Maßnahme zur Umsetzung von Diversitätsstrategien hilfreich sein, sind aber keine Garantie für gelebte Antidiskriminierung und Gleichbehandlung.

  1. Petra Wejwar und Berta Terzieva, Diskriminierungserfahrungen von Studierenden, equIHS, Wien 2015.
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