Ein ganz besonderes Wandelkonzert brachte im Mai 2019 ein gesamtes Schulgebäude zum Tönen und Klingen: Zwei Jahre lang hatten Akteur_innen des Instituts für musikpädagogische Forschung, Musikdidaktik und Elementares Musizieren an der mdw, der Neuen Oper Wien und der Neuen Mittelschule 12 am Johann-Hoffmann-Platz im Rahmen eines kollaborativen Kunstprojektes zusammengearbeitet. Der Schluss- und Höhepunkt des Projektes, das von Axel Petri-Preis (IMP) initiiert und geleitet wurde, präsentierte die Ergebnisse der Zusammenarbeit vor zahlreich erschienenem Publikum.

© Armin Bardel

Die Partnerschaft der drei Institutionen wurde als eine von 18 österreichweit von KulturKontakt Austria im Rahmen des Förderprogrammes Blick_Wechsel finanziell unterstützt, dessen Ziel laut Ausschreibungstext die Förderung von kultureller Schulentwicklung in Pflichtschulen mit chancenbenachteiligten Kindern und Jugendlichen ist. Die drei Institutionen mdw, NOW und NMS12 definierten den gemeinsamen Prozess ihrer Zusammenarbeit jedoch über diese politische Zielvorgabe hinaus als „Kollaboration“, die laut dem deutschen Soziologen Mark Terkessidis von der „Widersprüchlichkeit der Verhältnisse und der Aktivität der Individuen“ ausgeht. Im Gegensatz zur Kooperation endet sie nicht mit der Rückkehr in intakte Einheiten, sondern löst einen Transformationsprozess aus, bei dem „die Akteure_innen einsehen, dass sie selbst im Prozess verändert werden, und diesen Wandel sogar begrüßen“. Es wurde eine Partnerschaft in den Blick genommen, in der alle beteiligten Akteur_innen potenziell einen transformativen Bildungsprozess durchlaufen und mit ihrer veränderten Welt- und Selbstsicht ihre jeweiligen Institutionen neu formen und prägen. Man strebte keine monodirektionale Veränderung der Schule mit Hilfe des Kulturpartners an. Auf einseitige Defizitzuschreibungen wurde verzichtet.

Insgesamt waren über zwei Jahre hinweg vier Schulklassen verschiedener Jahrgänge – davon eine Integrationsklasse – mit insgesamt rund 100 Schüler_innen, sowie 30 Pädagog_innen, zehn Künstler_innen und 45 Studierende der Bachelor- und Quereinstiegsstudien Lehramt Musikerziehung beteiligt. Die Einbindung der Studierenden ist dabei bildungspolitisch insofern relevant, als die „Lehrer_innenbildung Neu“ die gemeinsame Ausbildung aller Pädagog_innen für die Sekundarstufe I und II und somit auch für die Neue Mittelschule vorsieht. Erfreuliches Detail am Rande: Zwei der beteiligten Studierenden unterrichten mittlerweile an der NMS12.

Im Zentrum des Projekts stand die Erarbeitung eines experimentellen Musiktheaters unter dem Motto EINANDER. Die Besonderheit des Themas war, dass es durch das Anfügen von Präfixen unterschiedliche Bedeutungstransformationen von miteinander über füreinander bis gegeneinander annehmen konnte, an die in den unterschiedlichen künstlerischen Medien Text, Musik und Bild angeknüpft wurde. Während im ersten Projektjahr auf Baschet-Instrumenten des IMP musiziert wurde, entwarfen die Schüler_innen im zweiten Jahr eigene Klangskulpturen, die sie aus Alltagsgegenständen und Abfällen bauten und schließlich bemalten.

© Armin Bardel

Bevor die Schüler_innen selbst zu komponieren begannen, improvisierte der Schlagwerker und mdw-Studierende Max Calanducci im Rahmen einer künstlerischen Intervention auf den Skulpturen und erweiterte so den Horizont der Jugendlichen hinsichtlich der Möglichkeiten der Klangerzeugung. Als Kompositions-Coaches unterstützten Studierende der Musikerziehung (ME) sowie der Komponist und mdw-Absolvent Mathias Johannes Schmidhammer die Schüler_innen dabei, eigene Texte zu vertonen, die sie zuvor im Unterricht mit ihren Pädagog_innen erarbeitet hatten. Aus dem Erkunden von Klängen und dem Improvisieren entstanden kurze Stücke, die in Form von grafischen Partituren auf Packpapier notiert wurden. In der finalen Phase des Projektes arbeiteten drei Regisseur_innen mit den Schüler_innen an der szenischen Umsetzung ihrer Kompositionen. Bei den Kostümen und der Transformation des Schulgebäudes zum Kunst-Raum halfen der Bühnenbildner Diego Rojas Ortiz und die Kunstpädagogin der NMS Martina Papadopoulos.

© Armin Bardel

Zentral für die künstlerische Arbeit im Projekt war die Herstellung einer Kommunikationssituation zwischen allen beteiligten Akteur_innen, die auf Vertrauen, Respekt und Wertschätzung beruhte. Im dynamischen Dazwischen, jenseits der Kategorien von richtig und falsch, konnte auf diese Weise eine Atmosphäre geschaffen werden, in der ästhetische Wahrnehmung und künstlerisches Handeln möglich wurden.

Unter dem Titel junge oper wien wird das Projekt 2020 in Kooperation mit der Neuen Oper Wien und dem Gymnasium Geblergasse fortgesetzt.

 

mdw.ac.at/imp/junge-oper-wien

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