Helga Meyer-Wagner zum 80. Geburtstag

Zurückblickend auf eine 30-jährige Gesangskarriere mit einer Entwicklung vom Alt über Mezzosopran bis zum dramatischen Sopran und einem Repertoire von mehr als 100 Partien aus drei Fächern wird Helga Meyer-Wagner nicht müde zu erzählen, dass sie zwar schon als Kind sehr gerne gesungen habe, der Berufswunsch Sängerin sich aber anfangs eher zufällig im Laufe ihrer Ausbildung zur Musikpädagogin entwickelt habe. Dem abgeschlossenen Schulmusik-, Opern- und Konzertfachstudium folgte für die damals bereits dreifache Mutter ein Eleven-Vertrag an der Wiener Volksoper. Folgeengagements führten sie an zahlreiche Opernhäuser und Konzertsäle Mitteleuropas, wie das Landestheater Linz, das Stadttheater Würzburg, die Staatsoper Wien, die Deutsche Oper Berlin oder die Salzburger und Bregenzer Festspiele, um nur einige wenige Beispiele herauszugreifen.

Helga Meyer-Wagner
Helga Meyer-Wagner bei der Verleihung des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst (16. 12. 2014) ©Georg Stefanik

Befragt nach ihren schönsten Erinnerungen antwortet Helga Meyer-Wagner: „Meine Gastspiele an der Wiener Staatsoper als Sesto in La clemenza di Tito und als Ortrud in Lohengrin sind für mich als Wienerin absolute Höhepunkte meiner Karriere, ebenso wie die Altpartie der Magdalena in Kienzls Evangelimann, die ich als junge Frau an der Wiener Volksoper an der Seite von Anton Dermota sang – ein unauslöschlich tiefes Erlebnis für mich.“

Beginnend mit dem Jahr 1990 führte sie neben ihrer Sängerlaufbahn ihre erste gesangspädagogische Tätigkeit zunächst an die Schauspielschule des Wiener Volkstheaters. In weiterer Folge unterrichtete sie dann an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, sowohl am Institut für Gesang und Musiktheater als auch am Antonio Salieri Institut für Gesang und Stimmforschung in der Musikpädagogik sowie an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien. 1999 wurde ihr der Berufstitel Professorin verliehen, 2014 erhielt sie das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst.

Was ihre Leidenschaft, Gesang zu unterrichten, immer befeuerte, beschreibt die Jubilarin mit folgenden Worten: „Für mich zählt das Unterrichten zu den Künsten. Ich muss auf jede Person, die sich mir anvertraut, gesondert eingehen. Es gibt in meinem Unterricht kein Rezept, das ich für alle anwenden kann. Wenn ich mir ein Bild von den Anlagen und dem Können der mir Anvertrauten gemacht habe, gebe ich ein ehrliches Urteil ab und versuche das Niveau zu verbessern. Wenn sich dann eine Änderung in meinem Sinne einstellt, beflügelt das meinen Ehrgeiz, das Talent weiterzuentwickeln.“ Überhaupt sollten junge Menschen nur dann den Sänger_innenberuf anstreben, wenn sie eine große Leidenschaft dafür empfinden. Wenn sie darüber hinaus auch den Wunsch verspüren, die eigene Freude an dieser Kunst weiterzugeben, und es als oberstes Ziel betrachten, die Lust am Singen und am gemeinsamen Musizieren – von Anfang an auch im Chor – zu wecken und zu fördern, dann können sie auch gute Gesangslehrer_innen werden.

Auf die Frage nach der größten Tugend beziehungsweise Untugend von Gesangspädagog_innen gibt Helga Meyer-Wagner folgende Antwort: „Ich halte die Flexibilität der Ansprüche und Methoden sowie eine positive Einstellung zu den Studierenden für die wichtigste Tugend. Die gefährlichste Untugend ist für mich das Festhalten an einer Methode, der man sich verpflichtet fühlt, ohne Rücksicht auf die zu erziehende Persönlichkeit.“

Basierend auf der Überzeugung, dass auch die praktisch-szenische Erfahrung einen wesentlichen Bestandteil der Gesangsausbildung darstellt, entwickelte Helga Meyer-Wagner folgendes Unterrichtskonzept: Opernquerschnitte wurden musikalisch und szenisch unter ihrer Anleitung in Zusammenarbeit mit einem Korrepetitor von den Studierenden erarbeitet und anschließend in angedeuteter Dekoration und Kostümierung mit Klavierbegleitung in Schulen aufgeführt. Ergänzt wurden diese Aufführungen durch ihre Moderation, die das jugendliche Publikum an die Kompositionen heranführen sollte und bei denen auch alle erdenklichen Fragen gestellt werden konnten. Den Studierenden dienten diese Aufführungsserien zur Entwicklung ihrer Bühnenpersönlichkeit, der Stimmentfaltung sowie der Optimierung des persönlichen Umgangs mit Nervosität und Lampenfieber. Die Kinder und Jugendlichen konnten andererseits „Oper hautnah“ erleben und so Zugang zum „Wesen der Oper und des Gesanges finden“, wie es Helga Meyer-Wagner formuliert.

Darüber hinaus war stets ihr Bemühen um fachlichen Austausch sowie die Förderung der Kommunikation unter Gesangslehrer_innen aller Sparten und Ausbildungsstufen ein wesentlicher Teil ihres pädagogischen Selbstverständnisses, das sich nicht zuletzt in ihrem langjährigen Engagement als Präsidentin von EVTA-Austria, der Interessensvertretung der österreichischen Gesangspädagog_innen, manifestierte.

Die Aufzählung weiterer Begabungen und Interessen der Jubilarin ließe sich noch fortsetzen; geht man aber davon aus, dass die Summe aller Teile noch lange nicht das Ganze ergibt, so würde dies Helga Meyer-Wagner in ihrer Vielfältigkeit nicht gerecht werden. Daher: Herzliche Gratulation zu diesem besonderen Geburtstag, verbunden mit den besten Wünschen für zukünftige Aufgaben und Projekte!

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