Seit 2016 leiten Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber die Diagonale, das Festival des österreichischen Films. Mit dem mdw-Magazin haben sie über Filmfestivals gesprochen und auch einen ersten kleinen Ausblick auf die Diagonale‘18 gegeben.

Sebastian Hoeglinger Peter Schernhuber
Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber leiten das Filmfestival in Graz seit 2016 ©Lukas Maul

Warum sollte man als FilmemacherIn bei einem Filmfestival mitmachen?

Sebastian Höglinger (SH): Es gibt ja verschiedenste Filmfestivals mit unterschiedlichen Funktionen, etwa klassisch-inhaltlich ausgerichtete oder auch Themenfestivals. Die Diagonale ist ein Filmfestival, das sich der österreichischen Kinematografie in ihrer vollen Breite widmet. Daher kann sie gerade für junge Filmschaffende eine Plattform sein, um Öffentlichkeit zu bekommen. Besonderes Augenmerk liegt auch darauf, dass die Filme in optimaler Qualität sowohl vor Publikum als auch Branche gezeigt werden.

Peter Schernhuber (PS): Im besten Fall schafft ein Festival Aufmerksamkeit – und das in mehrere Richtungen: einerseits branchenintern, andererseits auch zum Publikum hin. Sieht man sich den regulären Kinobetrieb an, stellt man fest, dass gewisse Formen von Film beinahe ausschließlich auf Festivals ihren Platz haben. Das wirkt dann auch auf die Filmschaffenden zurück. Der filmische Nachwuchs beginnt häufig mit kürzeren Formaten und ist auch deswegen sehr gut bei Festivals aufgehoben.

Was ist die Rolle eines Filmfestivals?

PS: Ein Festival sollte ein Ort sein, der auf vielerlei Ebenen Interesse weckt und sich auch dadurch verdient machen kann, junge Namen zu entdecken. Für uns war es wichtig, ganz bewusst keine Nachwuchsschiene einzuführen, sondern einen Wettbewerb zu haben, in dem Filme aus unterschiedlichen Kontexten um Aufmerksamkeit hoffen und idealerweise auch noch untereinander korrespondieren. So sollen junge Filmschaffende die Chance haben, Seite an Seite mit den arrivierteren RegisseurInnen zu laufen.

SH: Wir versuchen auch Räume zu schaffen, in denen es zu einem Austausch unter den Filmschaffenden kommen kann, denn unser Konzept sieht einen Generationendialog vor. Diesen gibt es zum einen natürlich bei den verschiedenen Branchenveranstaltungen, zum Beispiel beim Diagonale Film Meeting oder dem Cinema Next Breakfast Club. Zum anderen bietet sich Graz als Ort an, weil ein Großteil der Branche in Wien arbeitet und extra nach Graz anreist. So trifft man sich dann ungezwungen in den Straßen und Kinos – und das wiederum lässt sich auch nützen.

Wie entscheidet ihr, welche Filme in das Festival genommen werden?

PS: Bei der Diagonale ist die Ausgangslage eine andere als bei anderen Filmfestivals, wo der Geschmack der Intendanz ein Angebot an das Publikum macht. Wir haben einen kulturpolitischen Auftrag, dem österreichischen Film möglichst viel Aufmerksamkeit in einer verdichteten Woche einzuräumen.

SH: Trotzdem wollen wir eine Haltung des Festivals formulieren, eine Position einnehmen und wir zeigen nicht automatisch alles. Angesichts des Produktionsvolumens in Österreich wäre das auch gar nicht möglich. Der Auswahlprozess erfolgt bei uns mit einem Sichtungsteam bestehend aus BeraterInnen für jedes Genre. Einer von uns beiden ist bei allen Screenings und Beratungen dabei. Die Bewertung machen wir vor allem nach folgenden Gesichtspunkten: Was hat sich dieser/ diese Filmschaffende vorgenommen? Welchen Anspruch hat der Film? Ist es zum Beispiel ein Film, der das große Publikum ansprechen will? Oder ist es eine experimentelle Arbeit? Anschließend stellen wir die Frage, ob der Film diesen Ansprüchen auch gerecht wird. Wir treffen die Entscheidung gemeinsam und stehen hinter jedem Film genauso wie hinter jeder Ablehnung.

PS: Im besten Fall ergibt sich daraus ein Festival, das sich zwischen Repräsentativität und Haltung einpendelt. Ein Festival, bei dem die Filme idealerweise auch nicht einzeln auf Aufmerksamkeit hoffen, sondern sich Erzählungen ergeben – es gibt ja auch die Spezialprogramme, die wir rundherum positionieren. Zugegeben sind wir da sehr romantisch und gehen davon aus, dass sich das Publikum auch mehr als einen Film anschaut. Wenn sich beim Besuch des Festivals eine gewisse Narration oder Augenblicke ergeben, an die man sich Jahre später noch erinnern kann, dann ist tatsächlich etwas gelungen.

Geht ihr auch auf andere Filmfestivals?

PS: Ja. Gute Festivals, die an der Schnittstelle von Branche und Publikum angesiedelt sind, können gleichzeitig Ausnahmezustand und Teststrecke sein, wie Filme beim Publikum ankommen. Dennoch ist es unabdingbar, auch den regulären Kinobetrieb zu verfolgen. Es ist mir wichtig, auch Festivals anderer Sparten und Disziplinen zu besuchen, um zu sehen, wie dort gewisse Dinge abgehandelt und welche Strategien gewählt werden. Sonst läuft man zu sehr Gefahr, sich nur in der Echokammer „Filmfestival“ zu bewegen und zu enge Scheuklappen zu haben.

SH: Wir haben nicht den unmittelbaren Auftrag, dauernd von Festival zu Festival zu reisen, weil unser Fokus der österreichische Film ist. Man kann natürlich die eine oder andere internationale Premiere begleiten – das ist auch schön und wertschätzend, aber wir sind nicht die klassischen Festivalleiter, die herumfahren, um Filme zu scouten. Man holt sich auf Festivals Ideen, sieht sich an, wie gearbeitet wird und welche Formate es gibt, die eventuell auch interessant für die Diagonale in Graz wären.

Könnt ihr schon einen ersten Ausblick auf die Diagonale‘18 geben?

SH: Im Kern wird natürlich wieder der Wettbewerb stehen und bald geht es in die Intensivsichtungen, da die Einreichphase nun vorbei ist. Es wird auf jeden Fall wieder ein historisches Special geben: Was 2017 Pop und österreichischer Film waren, werden 2018 die Blicke in die Provinz und aus der Provinz sowie das Verhältnis von Stadt und Land sein. Auch die Frage des Provinzialismus im Film wird in diesem Narrativ eine Rolle spielen.

PS: Ein Thema, das in den letzten Jahren schon eine Rolle gespielt hat, begleitet uns auch 2018: Die Frage nach dem Kino und die damit einhergehende Herausforderung, wie man mit dem filmkulturellen Erbe und letztlich auch mit der Kulturtechnik „Kino“ umgeht – und wie es gelingen kann, beides jenseits von Nostalgie und falschem Purismus zu erhalten.

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