Dance Resonance – Artistic Attunement in Motion lautete das Thema des diesjährigen Symposiums der Gesellschaft für Tanzforschung, das vom 25. bis 27. September in Kooperation mit dem Artistic Research Center und der Abteilung für Musik- und Bewegungspädagogik/Rhythmik der mdw sowie dem Institut für Theater, Medien und Populäre Kultur der Universität Hildesheim am mdw-Standort Rennweg, einem ehemaligen Klostergebäude der Salesianerinnen, stattfand. Dieser Ort hätte nicht idealer sein können, um die rund 100 Präsentationen (Vorträge, Lecture Demonstrations, Performances, Workshops und Panels) von und mit weit über 200 Teilnehmer_innen auf sechs stimmungsvolle Räume bzw. Säle zu verteilen, von denen jeder mit einem besonderen Charme aufwartete: „Bespielt“ wurden der großzügig-einladende Alte sowie Neue Konzertsaal (inklusive Buffetraum), die beiden freundlich-hellen Bewegungsräume, der prunkvolle Sitzungssaal des musikpädagogischen Dekanats sowie der durch seine Gewölbe geradezu idyllisch anmutende Seminarraum AEG10 im Erdgeschoss. Vor allem die Gäste von auswärts konnten kaum fassen, welche hervorragenden Möglichkeiten die mdw bietet, um Veranstaltungen dieser Größenordnung (fast mühelos) durchzuführen. Ebenso war für einige ein Studienalltag unter derart exzeptionellen Rahmenbedingungen kaum vorstellbar.

In einer ersten Keynote führte Gabriele Klein (Hamburg/Amsterdam) in Hartmut Rosas „Resonanz“-Begriff ein, der im Zentrum seiner Soziologie der Weltbeziehung (Berlin 2016) steht. Als soziologisch geschulte Tanzwissenschaftlerin und Performance-Theoretikerin gelang es ihr, wesentliche Kennzeichen dieser Theorie ebenso stringent wie differenziert darzulegen und gleichzeitig markante Kritikpunkte herauszuarbeiten, um schließlich zu erörtern, ob bzw. inwiefern dieses Konzept für die Tanzpraxis bzw. Tanzwissenschaft von Interesse sein könnte.

Die zweite Keynote der Tanzhistorikerin Andrea Amort (Wien) bildete den Nukleus zu einem innerhalb dieser grundsätzlich sehr offen und breit angelegten Jahrestagung kleinen Symposium, das sich ausschließlich den Nachwirkungen – Resonanzen im weiteren Sinne – der Hochschule für Rhythmik, Gymnastik und Tanz in Laxenburg bei Wien widmete. Diese Bildungseinrichtung war vor 100 Jahren (1925) von dem Dresdner Stadtteil Hellerau, wo der gebürtige Wiener Émile Jaques-Dalcroze „Rhythmik“ als ein musikpädagogisches Fach zunächst etabliert hatte, nach Österreich übersiedelt. Mit großem Elan und noch viel größerem Idealismus entwickelte sich dort eine eigenständige, dezidiert körper- und bewegungsorientierte Tradition der Rhythmik. Neben weiteren Vorträgen und Diskussionen zu den Wurzeln dieser spezifischen Wiener Rhythmik konnten durch Workshops und Performances praktische Dimensionen dieser Ansätze sehr anschaulich aufgezeigt werden.

Die dritte und abschließende Keynote von Darrel Toulon (Wien), der 15 Jahre als Chefchoreograf an der Oper Graz wirkte, bevor er sich auf der Basis eines von ihm kreierten „Docu-Dance-Theatre“ für (aus unterschiedlichsten Gründen) marginalisierte und stigmatisierte Menschen einsetzte, fokussierte Resonanzen in Transformationsprozessen. Mit Beispielen, die an einer sensiblen Schnittstelle von Kunst und realen Erfahrungswirklichkeiten lokalisiert sind, machte er eindringlich auf gesellschaftliche Herausforderungen aufmerksam, deren Brisanz – ebenso wie die Anliegen der Hauptakteur_innen seiner Tanzprojekte – noch weitgehend unbekannt ist.

© Stephanie Schroedter

Die thematische Spannbreite der anderen Präsentationen umfasste (u. a.) (multi-)sensorische, eco-somatische, ökologische, räumliche, digitale, soziale, relationale, queere, dekoloniale, pädagogische bzw. vermittelnde, gemeinschaftsstiftend-partizipative, inklusive und vor allem auch kritische Aspekte des Resonanz-Konzepts mit seinen Möglichkeiten zu künstlerisch-kreativen Gestaltungsprozessen. Nicht weniger beeindruckend war die Provenienz der Vortragenden, die aus verschiedensten Ländern Europas, Nord- und Südamerika, dem Nahen Osten sowie Ostasien nach Wien anreisten, um einen Beitrag zu einem Symposium zu leisten, das – vergleichbar mit Emergenz-Phänomenen – letztlich wesentlich mehr war als die Summe der Einzelbeiträge: ein buntes Kaleidoskop von Perspektiven, bei dem durch jede (Dreh-)Bewegung neue Facetten zum Vorschein kommen. Durchaus im Sinne des Resonanz-Konzepts von Hartmut Rosa entwickelten sich in diesen drei quirlig-intensiven Tagen aufgrund von Affizierungen (als „Fähigkeit und Erfahrung eines ,Berührtwerdens‘ durch Anderes, ohne durch dieses Andere dominiert oder fremdbestimmt zu werden“) und Selbstwirksamkeit („als Fähigkeit und Erfahrung, dieses Andere zu berühren oder zu erreichen, ohne über es zu verfügen oder es zu beherrschen“) Transformationen (als wechselseitige Anwandlungen, für die ein „Sich-Einlassen auf die Dinge sowie die Bereitschaft, sich selbst zu verändern, sich gleichsam aufs Spiel zu setzen“, erforderlich ist), deren Ergebnisse derzeit noch gänzlich offen sind. Ungeachtet dieser „Unverfügbarkeit“ weiterer Entwicklungen lassen jedoch die zahlreichen, überwiegend enthusiastischen Rückmeldungen vermuten, dass dieses Symposium noch lange „resonieren“ wird.

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