Denkt man an geeignete Literatur für Anfänger_innen am Klavier – abseits von Klavierschulen oder ähnlichen Lehrwerken – so kommt zumeist ein Standardwerk des Klavierunterrichts in den Sinn: Robert Schumanns Album für die Jugend, op. 68. Mit dieser aus 43 kleinen Kompositionen bestehenden Sammlung, die thematisch in die Kinderwelt eintaucht, setzte Schumann einen Impuls, dem etwa Pjotr Iljitsch Tschaikowsky, Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch, Dmitri Borissowitsch Kabalewski, Jacques François Antoine Ibert u. a. folgten. Ihre Kompositionen sind bis heute fester Bestandteil des Unterrichtsrepertoires, sichtbar in Konzertprogrammen von Musikschulkonzerten oder Jugendwettbewerben.

Doch wo sind in dieser Aufzählung die Komponistinnen? Namen wie Amy Beach, Cécile Chaminade, Marie Jaëll, Leni Alexander, Sofia Gubaidulina u. a. fehlen meist, obwohl sie ebenfalls bedeutende Beiträge zur Unterrichtsliteratur leisteten. Ihre Werke fanden seltener Eingang in Sammlungen oder Repertoirelisten. Diese unzureichende Sichtbarkeit rührt nicht von mangelnder Qualität, sondern von struktureller Diskriminierung von Frauen in der Musikgeschichte. Trotz eines zunehmenden Bewusstseins in Forschung und Lehre zeigt sich im pädagogischen Alltag ein anderes Bild: Das Unterrichtsrepertoire ist weiterhin überwiegend männlich geprägt. Die Ausnahme gilt einzig bei aktuellen Klavierschulen, deren Autorinnen oftmals weiblich sind. Dies spiegelt eher die traditionelle Rolle der Frau in der Pädagogik wider.

Ein wesentlicher Grund hierfür ist fehlendes Wissen über geeignete Werke von Frauen: Viele Lehrende kennen kaum Literatur, die technisch dem Niveau der Schüler_innen entspricht und zugleich künstlerisch überzeugend ist. Hier setzt gehört gespielt an.

Drei Phasen – ein Ziel: Vielfalt im Unterricht

Um Komponistinnen im Klavierunterricht sichtbarer zu machen, wurde am Ludwig van Beethoven Institut für Klavier in der Musikpädagogik ein dreiphasiges Projekt initiiert, das wissenschaftliche Recherche, künstlerische Praxis und mediale Sichtbarkeit miteinander verknüpft. Ziel ist es, ein diverses Repertoire in der Instrumentalausbildung zu etablieren.

Phase 1: Repertoire erforschen & kontextualisieren

Im Studienjahr 2024/25 beschäftigten sich Studierende des Ludwig van Beethoven Instituts in den Lehrveranstaltungen Didaktik des Instruments Klavier 1, 2 mit Kompositionen von Frauen für die Elementar- und Unterstufe. Die Werke wurden analysiert, interpretiert und im didaktischen Kontext präsentiert. So entstand eine fundierte Repertoirebasis und zugleich wuchs das Bewusstsein für eine ausgewogenere Unterrichtspraxis.

Phase 2: Multiplikationsphase & Konzert

Die gesammelten Werke wurden an Lehrende von Wiener und niederösterreichischen Musikschulen verteilt und dort im Unterricht eingesetzt. In der Folge fand im Rahmen der Festwoche der Musikpädagogik 2024 ein Kooperationskonzert an der mdw statt, bei dem Kinder und Studierende das Repertoire zur Aufführung brachten. Ein Kurzvortrag von Diána Fuchs (Musikschule Wien, mdw) und Zitate der Komponistinnen rundeten die Präsentation ab.

Phase 3: Digitale Sichtbarkeit – die Videoserie

Um die Ergebnisse dauerhaft zugänglich zu machen, entstand eine Videoserie: Jede Folge stellt eine Komponistin und zwei ihrer Werke vor. Die Einspielungen stammen von Studierenden, Melanie Unseld (mdw) lieferte begleitende biografische Informationen. Die Videos werden über die Kanäle des Instituts sowie in klavierdidaktischen Netzwerken (Klavierdidaktiker_innen-Kreis Österreich, Saarbrücker Gesprächskreis u. a.) verbreitet.

 

Nachhaltigkeit und Wirkung

Nach Fertigstellung der Videoserie haben sich Folgeinitiativen entwickelt: So wird am Ludwig van Beethoven Institut im Wintersemester 2025/26 ein Wahlfach mit dem Titel gehört gespielt – Unterrichtsliteratur von Komponistinnen von Daniela Fheodoroff angeboten. Weiters ist die Erstellung einer Repertoireliste mit für den Unterricht geeigneter Literatur von Komponistinnen in Vorbereitung.

Ein besonders bedeutsamer Effekt war der Wandel bei den Beteiligten: Was als didaktisches Projekt begann, entwickelte sich zu einer Bewusstseinsbildung. Lehrende, Studierende und Schüler_innen berichten, dass sie ihr Repertoire künftig bewusster auswählen und Ausgewogenheit anstreben wollen. gehört gespielt ist mehr als eine Ergänzung des Repertoires: Es ist ein Impuls zur Veränderung von Strukturen. Ziel ist, dass Werke von Komponistinnen im Unterricht nicht länger die Ausnahme, sondern ein integraler Bestandteil eines vielfältigen und gleichberechtigten musikalischen Kanons sind.

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