Kamera weiterhin „männlich“, Schnitt nicht mehr „weiblich“

Die Veranstaltung der mdw zum 8. März widmete sich 2025 den Geschlechterverhältnissen im Film in Ausbildung und Filmproduktion. Angelehnt an das Konzept bisheriger Gender-Screening-Formate ging und geht es darum, die unterschiedlichen Domänen der mdw datenmäßig in Bezug auf die Dimension Geschlecht genauer unter in die Lupe zu nehmen und die Studierendendaten nach Frauen- und Männeranteilen zu screenen, um die (binären1) Geschlechterverhältnisse in Instrumentalstudien, pädagogischen Studien wie auch ausgewählten Studien des darstellenden Kunstbereichs sichtbar und diskutierbar zu machen. (Vgl. dazu die jährlich vom Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen herausgegebene Statistik Geschlechterverteilung an der mdw.)

Was erzählen uns die Daten über die Entwicklung der Geschlechterverhältnisse bei den Studierenden an der Filmakademie Wien?

Die Stabstelle Gleichstellung, Gender und Diversität (GGD) betrieb mit Unterstützung des Archivs eine historisch orientierte Datenerhebung, die sich seit Beginn der Filmausbildung im Jahr 1952 bis heute erstreckte2. Die Daten zeigen, dass es bei den fünf angebotenen Filmstudienrichtungen – Buch und Dramaturgie, Cinematography (früher Kamera), Montage (früher Schnitt), Produktion und Regie – zu einer egalitäreren Geschlechterverteilung gekommen ist. Gleichwohl sehen wir aber bei der Belegung der Masterstudiengänge eine ungleiche Geschlechterverteilung und vor allem im Fach Master Regie einen signifikanten Männerüberhang. Auffallend ist historisch gesehen, dass im Fach Kamera bis in die 1970er-Jahre keine Frauen und auch im Fach Regie nur vereinzelt Frauen zum Filmstudium zugelassen waren. Ganz anders im Schnitt, jetzt Montage: Als ein sogenanntes typisches „Frauenfach“ entwickelte es sich parallel zur Digitalisierung des Films in Richtung ausgewogenere Geschlechterteilhabe.

Fix the numbers!

Gender Screening Film. Perspektiven für gender- und diversitätsgerechtes Filmschaffen. Gespräch und Filmscreening zum Internationalen Frauen*tag nannte sich die am 13. März 2025 im Wiener Admiralkino abgehaltene Veranstaltung, die von der GGD in Kooperation mit der Filmakademie Wien konzipiert wurde. Nach einem Podiumsgespräch über Geschlechterverhältnisse im Film, worüber im vorliegenden Beitrag berichtet wird, folgte ein Screening zweier ausgewählter Filme, die durch den institutseigenen Gender/Queer/Diversity-Call der Filmakademie Wien gefördert worden waren, mit anschließenden Filmgesprächen, kuratiert und moderiert von Barbara Wolfram und Bianca Rauch.

Unter der Moderation der versierten Filmkuratorin Djamila Grandits führten Barbara Albert, Professorin für Regie und stellvertretende Institutsleitung an der Filmakademie Wien, Iris Zappe-Heller, die stellvertretende Direktorin des Österreichischen Filminstituts (ÖFI), und die langjährige Leiterin der GGD an der mdw, Andrea Ellmeier, ein Gespräch über Perspektiven für ein gender- und diversitätsgerechteres Filmschaffen. Die Grundlage für das Gespräch bildete ein Zusammenlesen der von der GGD vorgelegten Daten zur Film(aus)bildung an der mdw mit der Analyse der vom ÖFI in Auftrag gegebenen Film Gender Reports. Ellmeier zur Datenerschließung an der mdw: „Ein erfreuliches Fazit der mdw-Datenzusammenschau ist, dass sich die Filmstudienbelegung von Männern und Frauen – außer bei einzelnen MA-Studien, in denen sich ein deutlich höherer Männeranteil zeigt – im Modus der Annäherung befindet“, woraus jedoch nicht geschlossen werden kann, dass dies auch im Arbeitsbereich Film so sei: Hier herrscht meist noch nach wie vor eine sehr klassisch-stereotype Geschlechteraufteilung (vgl. Film Gender Report). Der österreichische Film ist – so der Film Gender Report – ein Arbeitsmarkt mit starker Geschlechterdifferenzierung, d. h. dass es „weiterhin ‚männliche‘ und ‚weibliche‘ Stabstellen, damit sind die einzelnen Bereiche eines Films gemeint, gab. Weiterhin unterrepräsentiert waren Frauen in ‚technischen‘ Stabstellen wie Licht (8 %), Ton (14 %) oder Kamera (20 %) sowie den machtvollen Kern-Departments Produktion (35 %), Drehbuch (41 %) und Regie (43 %).“ (Dritter Film Gender Report, 2024, S. 4) Es habe sich aber – das wird betont – in allen Stabstellen des österreichischen Films der Frauenanteil erhöht, was vor allem auf die Frauenfördermaßnahmen des ÖFI, das sogenannte Gender Incentive – eine 30.000-Euro-Produktionsförderung für mehr Frauen in Leitungspositionen im Film – sowie das Gender Budgeting zurückgeführt werden kann. Dies belege einmal mehr, so Zappe-Heller, dass dezidierte Frauenfördermaßnahmen keineswegs überholt, im Gegenteil für nachhaltige Strukturänderungen im Bereich Film absolut notwendig sind. Auch Barbara Albert begrüßte diese Maßnahmen als politische Steuerungsinstrumente und bekräftigte die Wichtigkeit von aussagekräftigen Zahlen und Daten, die ein evidenzbasierteres Arbeiten, insbesondere im Kontext von Zulassungsprozessen ermöglichen. Andrea Ellmeier schlug vor, dass die öffentliche Kunst- und Kulturförderung, die ÖFI-Frauenfördermaßnahmen als Best-Practice-Beispiel in anderen Kunstsparten promoten resp. einfordern sollten. Auffallend bleibt der Bereich Kamera, die Conclusio lautet: „Nach wie vor zu wenig Kamerafrauen! Besonders Männer, aber auch Frauen arbeiten vorwiegend mit Kameramännern“ (Dritter Film Gender Report, 2024, S. 4). Ein Grund dafür sei der noch immer erschreckend geringe Anteil von 20 % Frauen im Arbeitsbereich Kamera. Die um einiges höheren Frauenprozentanteile in den BA- und MA-Studiengängen Kamera/Cinematography der Filmakademie sind also im konkreten Filmherstellungsprozess noch keineswegs wirksam. Damit der Filmbereich geschlechter- und diversitätsgerechter wird, braucht es weitere mutige politische Anstrengungen wie auch ein diskriminierungskritisches Bewusstsein und Agieren in den Filminstitutionen selbst: Die Filmakademie Wien kann dafür mit einer engagierten geschlechtergerechten Politik und Strategie einen zentralen Beitrag leisten.

  1. Inter*, trans und nicht-binäre Personen lassen sich leider mit dem derzeit zur Verfügung stehenden Datenmaterial nach wie vor nicht abbilden: Es handelt sich dabei um ein der Statistik bekanntes herausforderndes, nach wie vor ungelöstes Datenerhebungs- und -darstellungsproblem.
  2. Ab 1984 gibt es an der mdw digital eingespeistes Datenmaterial.
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