Das FAL Klangtheater als neue Spielstätte elektroakustischer und experimenteller Musik

Mit dem Rotting Sounds Symposium am 23. und 24. September und dem Konzertabend Einschreibung, Übertragung, Abtragung am 12. November in Kooperation mit dem Festival Wien Modern konnten wir das Klangtheater im Future Art Lab (FAL) erstmals einem Publikum öffentlich präsentieren.

Obwohl beide Veranstaltungen auch hochqualitativ gestreamt wurden, kann dies nicht das immersive Klangerlebnis im physischen Raum ersetzen.

© Stephan Polzer

Wie in dem Artikel Das Klangtheater. Virtuelle Räume und donnernder Untergrund am Campus von Wolfgang Musil (Ausgabe Dezember 2020/Jänner 2021) ausgeführt, verfügt der Raum über herausragende akustische und tontechnische Eigenschaften, die ihn als akustisches Labor in Forschung und Lehre und besonders für die Aufführung elektroakustischer Musik prädestinieren. Der Konzertabend Einschreibung, Übertragung, Abtragung im Rahmen von Wien Modern fokussierte besonders auf zwei Aspekte musikalischen Schaffens: zum einen auf das dynamische Verhältnis zwischen Konzeptionen von Komposition und Interpretation und zum anderen auf die Fixierung von Musik zwischen Notation und Klangspeicherung. Die präsentierten Kompositionen verwenden ein breites Spektrum von Vorgaben in „konventioneller“ Notenschrift, grafischen Anweisungen, oder sie sind auf analogen oder digitalen Medien fixiert. Welche Form auch immer verwendet wird, es ergibt sich ein jeweils spezifischer Möglichkeitsraum für die musikalische Interpretation – in der instrumentalen Gestaltung wie auch in der klanglich-räumlichen Umsetzung der elektroakustischen Beiträge. Werke von Anestis Logothetis, einem Absolventen der Akademie für Musik und darstellende Kunst Wien (der späteren mdw), wurden anlässlich des 100. Geburtstags des Komponisten in das Zentrum gerückt. Seine grafischen Partituren sind nicht als offene Werke gedacht, dennoch birgt der Übergang vom visuellen zum akustischen Medium interessante Transformationsmöglichkeiten in Form und Gestus auf verschiedenen Zeit- und Klangebenen. Dies wurde auf zweierlei Weise ausgelotet: einerseits durch vier kurze Arbeiten von Studierenden des Lehrgangs für elektroakustische und experimentelle Musik (ELAK), die individuelle Übertragungen solcher Partituren in elektronische Medien entwickelt haben.Andererseits durch das Webern Ensemble unter Jaime Volfson, das Logothetis’ Orchesterwerk Styx in zwei Anläufen unterschiedlichen Zugangs durchmaß – einmal rein instrumental, einmal zusätzlich mit einer elektronischen Stimme. Bei den beiden den Abend umrahmenden, fixierten Stücken echtzeitcomputermusik und LOGOTHETIS handelt es sich um auf den jeweiligen (analogen oder digitalen) Medien direkt entstandene Kompositionen. Deren Interpretation – also die akustische Projektion im Klangtheater mit insgesamt 21 hemisphärisch angeordneten Lautsprechern – entspricht die Herausforderung, stereophone Klangaufzeichnungen räumlich in Szene zu setzen.

© Stephan Polzer

Die notenschriftlichen Vorgaben von rill (Adam McCartney und Thomas Grill im Rahmen des künstlerischen Forschungsprojekts Rotting sounds) sind trügerisch: Wiewohl die Originalkomposition mittels digitaler Hilfsmittel einwandfrei gesetzt ist, weisen die beiden folgenden Varianten beträchtliche, durch Erosionsvorgänge hervorgerufene Unschärfen auf. Diese fehlerhafte beziehungsweise lückenhafte Notation verlangte von den Ausführenden, über den üblichen Spielraum instrumentaler Interpretation hinauszugehen und mitunter weitgehende Änderungen zu erarbeiten. Die rein elektroakustische vierte Variante bediente sich des so interpretierten Klangmaterials und „korrigierte“ dieses wiederum aus der idiomatischen Perspektive des Erosionsmodells.

© Stephan Polzer

Das Klangtheater bietet für die in vielen experimentellen Kompositionen kultivierte Verschränkung von instrumentalen/analogen und elektroakustischen/digitalen Ästhetiken ideale Voraussetzungen. Klanglich-räumliche Beziehungen können durch die sehr trockene Raumakustik analytisch herausgearbeitet werden; auch sehr dynamische Lautstärkegestaltung (von unhörbar bis überlaut) ist mit Genuss erlebbar.

Der Lehrgang für elektroakustische und experimentelle Musik (ELAK) hat die Praxis der musikalischen Gestaltung in diesem sehr spezifischen Konzertsaal in Lehre und Forschung verankert. In den nächsten Monaten wird dazu die Aufführung aller 13 elektroakustischen Kompositionen von Iannis Xenakis erarbeitet. Zur öffentlichen Präsentation im Mai 2022 laden wir schon jetzt herzlich ein – save the date!

© Stephan Polzer

Comments are closed.