„Schreiben heißt, Wissen zur Sprache zu bringen. […] Das Schreiben im Studium ist ein Trainingsfeld für selbständiges und kritisches Denken.“1

Wer wie Otto Kruse, einer der Pioniere der Schreibwissenschaft, heute den Stellenwert des Schreibens im Hochschulkontext betont, rennt offene Türen ein. Längst ist das Schreiben als Disziplin aus dem Studienalltag nicht mehr wegzudenken, auch nicht an einer Kunstuniversität. Schreiben ist ein wichtiges Instrument des Lernens und der Weiterentwicklung des Wissens. Dennoch wird über Schreiben oft nicht weiter nachgedacht, es wird als selbstverständlich angesehen und als bereits in der Schule erworbene Fähigkeit vorausgesetzt. Das führt bei Studierenden oftmals zu Überforderung, denn Schreiben von akademischen Texten setzt neben inhaltlichem Wissen auch Textsorten- und rhetorisches Wissen voraus sowie Wissen rund um den Schreibprozess und die Diskursgemeinschaft, in welcher der/die Schreibende sich bewegt. An vielen Universitäten leisten Schreibzentren daher einen wertvollen Beitrag zur Schreibdidaktik: Sie unterstützen Studierende in der Entwicklung ihrer Schreibkompetenz, indem sie, unabhängig von Fachdisziplinen und außerhalb von Prüfungssituationen, das Schreiben als Prozess in den Mittelpunkt rücken.

Vor diesem Hintergrund hat die ub.mdw als erste Musikbibliothek Österreichs 2020 ein Schreibzentrum gegründet, in dem die Bibliothekarinnen und ausgebildeten Schreibtrainerinnen Anna Eberhöfer und Barbara Fuchslehner nicht nur individuelle Schreibberatung, sondern auch Workshops zu verschiedenen Themen anbieten. In Zitieren kompakt wird beispielsweise das Referieren fremder Quellen geübt, während in einem Kick-off-Workshop für Abschlussarbeiten vor allem Kompetenzen rund um das Planen und Strukturieren sowie verschiedene Schreibtechniken und Schreibtipps vermittelt werden. Daneben bietet das Schreibzentrum Kurse zu Literaturverwaltungsprogrammen an und veranstaltet gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum für Akademische Integrität und der hmdw regelmäßig die Write Night in der Bibliothek.

Ihren Schwerpunkt sehen die Schreibberaterinnen jedoch in der Einzelberatung. Denn Schreiben ist mehr als korrekte Orthografie und die Anwendung von Zitierregeln. Um es zu erlernen, ist es vielmehr unerlässlich, dass Studierende gleich von Beginn an Erfahrungen im akademischen Schreiben sammeln und dadurch Strategien für ihr Schreibhandeln entwickeln. Dafür ist in den Curricula eines Musikstudiums oft wenig Raum. In der Schreibberatung, die als Vieraugengespräch stattfindet, können Studierende ohne Leistungsdruck Fragen stellen und erhalten rasche Unterstützung in allen Phasen der Textproduktion, angefangen beim Zeitmanagement über Literaturrecherche und Gliederung bis hin zum Feedback zu fertigen Textbausteinen.

Nicht zuletzt ist Schreiben aber auch ein persönlicher Prozess, der stark von der individuellen Schreibbiografie abhängt. Während sich ein fehlerhafter Quellenverweis schnell korrigieren lässt, sind andere Probleme, die mit dem Schreiben zusammenhängen, nicht so leicht aus der Welt zu schaffen. „Viele Studierende kommen das erste Mal mit einem unguten Gefühl in die Schreibberatung“, so Barbara Fuchslehner. „Sie sind unzufrieden mit ihrem Text, finden, ihre Gedanken klängen nicht ‚wissenschaftlich‘, und suchen die Schuld bei sich. Meist können wir sie recht schnell beruhigen, wenn wir ihnen klarmachen, dass Schreiben ein Prozess ist, bei dem man sich dem fertigen Text in kleinen Teilschritten annähert und bei dem es auch einmal einen Rückschlag geben kann.“

Zu wissen, wie man sich durch diesen Schreibprozess bewegt, wie man motiviert bleibt und Schreibhemmungen gekonnt vermeidet, ist eine Frage der Übung und kann erlernt werden. Die Aufgabe des Schreibzentrums ist es, Studierende in diesem Lernprozess zu begleiten, ihnen aufzuzeigen, wie sie mithilfe von verschiedenen Schreibtechniken anfängliche Hürden überwinden und zu ihrer eigenen Stimme finden. Wenn die Studierenden dann den Punkt erreichen, an dem sie Schreiben nicht mehr als lästige Pflicht, sondern als sinnhaft erfahren, weil es ihnen ermöglicht, vorhandenes Wissen mit ihrer persönlichen Gedanken- und Erlebniswelt zu verbinden, sehen die beiden Schreibberaterinnen ihre Mission erfüllt.

Alle Termine und weitere Informationen inklusive vieler Materialien sowie Schreibtipps finden Sie unter: bibliothek.mdw.ac.at/schreibzentrum

  1. Otto Kruse, Keine Angst vor dem leeren Blatt. Ohne Schreibblockaden durchs Studium, Frankfurt/Main 2007, 12. Aufl., S. 21.
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