Maria Gstättner-Heckel und Martin Mühlfellner, beide Lehrende am Leonard Bernstein Institut für Konzertfach Blas- und Schlaginstrumente, berichten über ihre Erfahrungen mit Covid-19.

Bevor Sie sich mit Covid-19 infiziert haben, wie ernst haben Sie diese Erkrankung genommen?

Maria Gstättner-Heckel (MGH): Zu Beginn schien mir alles sehr suspekt. Mein Mann und ich haben aber im März 2020 sehr schnell reagiert, unseren Sohn aus der Schule genommen und sind in unser Haus im Burgenland gefahren. Am Anfang dachte ich noch, dass sich die ganze Sache nach zwei bis drei Wochen wieder erledigt haben wird. Trotzdem haben wir die Maßnahmen sehr ernst genommen und auch umgesetzt.

Martin Mühlfellner (MM): Ich hatte keine Gelegenheit, mir Gedanken zu machen, denn ich habe mich bereits in der ersten Welle infiziert. Am 16. März 2020, dem Tag, an dem in Österreich der erste bundesweite Lockdown verhängt wurde, lag ich bereits mit schweren Symptomen im Bett.

Ich glaube, das Problem ist, dass es schwierig ist, die Auswirkungen der Krankheit zu verstehen, wenn man nicht selbst oder das direkte Umfeld betroffen ist. (Martin Mühlfellner)

Wie haben Sie sich angesteckt?

MGH: Ich muss leider sagen, durch die Rücksichtslosigkeit anderer. Im Herbst 2020 ist unsere mittlere Tochter an Covid-19 erkrankt. Sie war zu dem Zeitpunkt sechzehn Jahre alt und hatte über mehrere Tage sehr starkes Fieber. Es hat mich beunruhigt, dass ein junges, gesundes Mädchen so stark betroffen ist. Trotzdem haben wir uns hier noch nicht infiziert. Wir waren bereits zehn Tage in Quarantäne, als mein Mann zu einer Theaterprobe musste. Dort waren nicht alle kooperativ, und so hat sich mein Mann bei jemandem angesteckt – und in weiterer Folge auch mich.

Wie haben Sie darauf reagiert?

MGH: Ich war sehr wütend. Wir haben uns an die Quarantäne und an alle Maßnahmen gehalten. Wir wurden sogar drei Mal von der Polizei kontrolliert. Und dann hat sich mein Mann in der Probe angesteckt. Ich habe mich sehr darüber geärgert, dass andere Leute so wenig achtsam sind.

Maria Gstättner-Heckel © Bernhard Schramm

Herr Mühlfellner, können Sie nachvollziehen, wie Sie sich infiziert haben?

MM: Wir waren gerade mit den Wiener Philharmonikern auf einer Konzerttournee in München, als sie plötzlich abgesagt wurde. Die Organisation des Rücktransports war extrem kompliziert, die Heimreise mit dem Flugzeug undenkbar. Ich habe mich daher in den Zug gesetzt und bin heimgefahren. Vor mir ist ein Herr gesessen, der vier Stunden durchgehustet hat – so schlimm, dass es schon richtig unangenehm war und ich meine Kopfhörer aufsetzen musste. Drei Tage später hatte ich selbst Symptome.

Die Gefahr war Ihnen zu dem Zeitpunkt noch nicht bewusst?

MM: Nein, auch meine Kolleg_innen im Orchester wussten nicht, was da vor sich geht. Keiner hat verstanden, warum die Tournee plötzlich abgesagt wurde. Zunächst war auch noch alles in Ordnung, aber drei Tage nach dem Kontakt im Zug habe ich begonnen, mich unwohl zu fühlen. Kurz darauf hatte ich Fieber und sehr starke Kopfschmerzen. Es war ein Gefühl, als würde mein Kopf explodieren.

Was haben Sie dann gemacht?

MM: Ich habe täglich etwa zehn Mal bei 1450 angerufen, bin aber nie durchgekommen. Auch alle meine Bekannten, die Ärzte sind, konnte mir nicht helfen. Mir wurde geraten, so lange wie möglich zu Hause zu bleiben und Schmerzmittel zu nehmen. Am schlimmsten war, dass ich keine Luft bekommen habe. Ich war kurz davor, die Rettung zu holen. Ich erinnere mich, dass ich im Bett lag und dachte „Jetzt müssen sie mich holen, es geht nicht mehr“.

Martin Mühlfellner © Lois Lammerhuber

Wie ist die Infektion bei Ihnen verlaufen, Frau Gstättner-Heckel?

MGH: Bei mir hat es mit Durchfall, Erbrechen und Kopfweh begonnen. Die nächsten zwei bis drei Tage ist es mir nicht so schlecht gegangen. Am fünften Tag kam dann plötzlich der Geschmacks- und Geruchsverlust dazu. Probleme mit der Lunge hatte ich überhaupt nicht, stattdessen war mein Nervensystem lahmgelegt. Ich war sehr matt und müde, konnte aber kaum schlafen. Zudem konnte ich meinen Körper überhaupt nicht mehr spüren – ein furchtbarer Zustand, den man nicht beschreiben kann. Ich konnte nicht begreifen, dass es nichts gibt, was mir hilft. Zum Glück konnte ich nach den ersten Tagen der Starre mit einem Homöopathen über Telefon eine gute Therapieform für mich finden. Ebenso empfahl mir eine bekannte Ärztin weitere alternativmedizinische Medikamente.

Welche Auswirkungen hatte diese Situation auf Ihre Psyche?

MGH: Große, es ging mir richtig schlecht. Nach weiteren vier bis fünf Tagen ist mein Geschmacks- und Geruchssinn langsam wiedergekommen. Die intensive Zeit hat zehn bis zwölf Tage gedauert. Zusätzlich habe ich mich irrsinnig matt und schwach gefühlt. Zu diesem Zeitpunkt war mein Ct-Wert immer noch so hoch, dass ich noch ansteckend war. Ich bin also zu Hause gesessen und habe gewartet, dass mein Wert sinkt. Heute geht es mir aber wieder gut, es ist nichts zurückgeblieben.

Man muss klar sagen, diese Krankheit zu verleugnen, bedeutet einen großen Schaden für andere. Masken tragen hilft. Setzen wir sie bitte auf! (Maria Gstättner-Heckel)

Wie lange hatten Sie mit den Auswirkungen von Covid-19 zu kämpfen, Herr Mühlfellner?

MM: Die Nachwirkungen begleiten mich bis heute. Ich bin noch immer bei einer Lungenfachärztin in Behandlung. Zudem habe ich mir eine Apple Watch besorgt, die den Sauerstoffgehalt im Blut misst. Mein Maximalwert liegt nach wie vor bei 94 %. Bei meiner ersten Untersuchung im Juli hatte ich einen Maximalwert von 85 %. Auf meinem Lungen-CT sieht man deutlich drei Fibrosen, vernarbtes Gewebe, auf der Lunge. Diesen März, also nach genau einem Jahr, war ich wieder bei der Kontrolle. Es wird langsam besser, aber ich bin noch immer nicht dort, wo ich sein sollte.

Das heißt, Sie können seit einem Jahr Ihren Beruf nicht wie gewohnt ausüben?

MM: Genau. Ich bin von Beruf Trompeter. Bei den Salzburger Festspielen stand die 6. Symphonie von Gustav Mahler auf dem Programm, und ich wollte unbedingt selber spielen, um zu sehen, ob es funktioniert. Es hat zwar funktioniert, aber nicht gut. Es war für mich sehr unangenehm und eines der schwierigsten Konzerte, die ich je gespielt habe. Ich war einfach nicht Herr meiner Kräfte. Die Auswirkungen der Infektion begleiten mich bis heute. Es geht zwar besser und ich mache meinen Dienst, aber ich bin noch nicht dort, wo ich hinwill.

Wie hat Ihr Umfeld auf Ihre Erkrankung reagiert?

MM: Die Diagnose Covid-19 habe ich ja nie bekommen. Ich hatte dann erst die Bestätigung, nachdem wir mit dem Orchester im Juni einen Antikörpertest gemacht haben. Da war ich dann der erste Positive. Es ist interessant zu sehen, wie man plötzlich zum Außenseiter wird. Das war sehr schwer zu verdauen, muss ich ehrlich sagen. Es wurden auch Vorwürfe laut, dass ich selber schuld war an der Erkrankung, obwohl ich nichts falsch gemacht habe.

MGH: Dieses Gefühl des geradezu Aussätzigseins kann ich gut nachvollziehen. In unserem privaten Umfeld haben wir dennoch versucht, uns gegenseitig zu helfen. Einige unserer Freunde waren bereits infiziert, so konnten wir Erfahrungen austauschen.

MM: Es gibt aber auch die gegenteilige Sichtweise, nämlich dass die Bedrohung gar nicht wahrgenommen wird. Mir ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass es eben nicht nur eine Grippe ist. Ich glaube, das Problem ist, dass es schwierig ist, die Auswirkungen der Krankheit zu verstehen, wenn man nicht selbst oder das direkte Umfeld betroffen ist. Unser Nachbar, 78 Jahre, ist an Corona gestorben – nicht „mit“, sondern „an“. Der Onkel meiner Frau ist nach sechs Wochen Intensivstation verstorben. Es hat uns wirklich stark getroffen. Und es sind leider auch Freundschaften daran zerbrochen.

MGH: Die Gesprächsbasis ist bei manchen Leuten einfach nicht mehr vorhanden, wenn die Krankheit weiterhin verleugnet wird, obwohl wir sie schon hatten. Oder wenn es jemanden aus deinem Umfeld trifft, wie einen Kollegen meines Mannes, der mit sechzig Jahren an Covid-19 verstorben ist. Ich bin normalerweise ein unglaublich positiver Mensch, sogar mit dem Hang zum Schönreden, aber das ist eine Sache, die man ernst nehmen muss und wirklich nicht weg- oder schönreden kann. Ich wünsche diese Zustände, die ich hatte, wirklich niemandem. Man muss klar sagen, diese Krankheit zu verleugnen, bedeutet einen großen Schaden für andere. Masken tragen hilft. Setzen wir sie bitte auf!

Was möchten Sie Ihrem Umfeld mitgeben?

MGH: Die Leute sollen sich selbst und andere schützen. Diese Krankheit gibt es wirklich, und sie kann schlimme Auswirkungen haben. Schließlich trägt man auch Verantwortung anderen Menschen gegenüber. Indem man die Masken aufsetzt und sich testen lässt, trägt man seinen Teil zur Eindämmung der Pandemie bei. Ich bitte alle, diese Krankheit ernst zu nehmen. Je mehr wir zusammenhalten, desto besser werden wir der Lage Herr werden.

MM: Mir wäre wichtig, dass die Menschen ihre Energie nicht damit verschwenden, die Bestätigung ihrer eigenen Meinung auf Social Media zu suchen. Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass sie in einer Blase stecken. Mein Appell wäre daher, mit den Leuten direkt zu reden. Außerdem wünsche ich mir, dass die Leute eine Maske aufsetzen, sich regelmäßig testen lassen und auf Distanz gehen, dann kann man schon viel zur Eindämmung der Krankheit beitragen.

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