Kunst birgt das Potenzial, Altes zu verwerfen, Neues zu denken und Gewohntes neu zu kontextualisieren. Gleichzeitig stehen Kunst- und Kulturbetriebe, ebenso wie Kunstuniversitäten in der Kritik, die bestehenden Macht- und Eliteverhältnisse zu stabilisieren (Jäger 2023: 29). Dies beginnt bereits mit Ausschlüssen, die durch Vorstellungen von Exklusivität und Exzellenz bedingt werden und beispielsweise in voraussetzungsvolle Zugangsprüfungen münden (Reitsamer/Prokopp 2018). Darüber hinaus erfahren jene Personen, die gesellschaftlich marginalisiert werden, auch im Universitätsalltag häufig Abwertungen und Diskriminierungen. Kunst- und Musikuniversitäten sind demnach auf besondere Weise von komplexen Hierarchien, Abhängigkeitsverhältnissen und Unsicherheiten durchzogen, was sich nicht nur durch einen männlich geprägten, heteronormativen und eurozentrischen künstlerischen Kanon bedingt, sondern auch durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse, fließende Grenzen zwischen Ausbildung und Berufsausübung sowie körperzentrierte Unterrichtsformen und Einzelunterrichtssettings, die anfällig für Grenzüberschreitungen und Machtmissbrauch sind (Mayer/Müller 2025: 89f.). Wenn man dies in den Blick nimmt, wird schnell klar, dass ein guter Wille hier nicht ausreicht. Machtverhältnisse durchziehen die Strukturen der Hochschule und manifestieren sich in ganz unterschiedlichen Bereichen, wie dem Sprachgebrauch, der Personalstruktur oder auch in der Frage, wie inklusiv betriebliche Prozesse ablaufen. Vor diesem Hintergrund braucht es einen diskriminierungskritischen und ganzheitlichen Blick auf die Strukturen, Praktiken und Prozesse innerhalb der Universität, um strukturell verankerte Ungleichheitsverhältnisse nachhaltig anzugehen.

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Die Diversitätsstrategie der mdw stellt einen solchen Ansatz dar, bei dem von Beginn an ein machtkritisches Verständnis von Diversität leitend war. Zentral ist hierbei, die Universität gesellschaftspolitisch zu kontextualisieren und einem antidiskriminatorischen Ansatz zu folgen, um die Zugangs- und Teilhabemöglichkeiten möglichst vieler zu stärken und Diversität als Querschnittsthema zu verankern (Mayer/Müller 2025: 93). Eine solche Strategie berührt interne Prozesse, Vorstellungen und Normen, so die Vizerektorin Gerda Müller im kürzlich veröffentlichten Band Üben und Ver_üben. Diversität als diskriminierungskritische Praxis in Kunst, Kultur und Bildung (Mayer 2025: 178). Der Band entstand im Zuge der Arbeit an der mdw-Diversitätsstrategie und geht tiefergehend auf Wissen und Reflexionen sowie auf die Maßnahmen ein, die seit der Verankerung im Jahr 2017 umgesetzt wurden. So wurden beispielsweise alternative Prüfungsmethoden bei der Zulassung zum Studium ermöglicht, um Ausschlussmechanismen im Aufnahmeprozess zu reduzieren, das Webtool Tricky Moments ins Leben gerufen, das Wissen bereitstellt, um sich in Hinblick auf diskriminierungsarme und inklusive Lern- und Lehrsituationen zu sensibilisieren, sowie das Mentoring-Programm Reach higher, reach beyond gestartet, das Frauen, inter* und nichtbinäre Personen in ihrer wissenschaftlichen oder künstlerischen Laufbahn unterstützt, um so der strukturellen Geschlechterungleichheit entgegenzuwirken. Ein weiterer wichtiger Handlungsbereich der mdw-Diversitätsstrategie betrifft die Überarbeitung der Curricula, bei der Gender- und Diversitätskompetenz in das Lehrveranstaltungsangebot Eingang finden. Zudem arbeitet die Stabstelle Gleichstellung, Gender und Diversität an der Entwicklung von Wissensvermittlungsformaten, um Gender- und Diversitätskompetenz an der mdw weiter zu stärken, etwa durch ein Zertifikatsprogramm und ein Online-Tutorial zur vorurteilsbewussten Personalauswahl.

Wichtig bei diesen Maßnahmen ist, dass der Aspekt des Lernens – und damit auch des Verlernens – keine nur individuelle Angelegenheit ist, sondern Bestandteil eines umfassenden diversitätsorientierten Organisationsentwicklungsprozesses ist (Mayer/Müller 2025: 94). Dies zieht nach sich, dass Diversität keineswegs einfach abgehakt werden kann. Im Gegenteil, birgt diese Vorstellung die Gefahr, hinter den gesteckten Zielen zurückzubleiben. Davor warnt auch die Genderforscherin Sara Ahmed und hebt hervor, dass jene Rhetorik dazu beiträgt, dass Diversität und Antidiskriminierung eben nicht als kontinuierliche selbstreflexive Prozesse verstanden werden (Ahmed 2012). Auch durch die Behauptung, man sei bereits selbstkritisch, so Nikita Dhawan in ihrem Beitrag zum Band Ver_Üben, wird der Status quo oftmals eher konsolidiert, als dass er infrage gestellt wird (Dhawan 2025: 32). Was es demnach braucht, ist das Eingeständnis, dass unsere Wirkungsräume in allen Bereichen der Universität trotz erster Schritte und guter Absichten Ausschlüsse produzieren können, die die Diversifizierung ebendieser Räume verhindern (Jäger 2023: 30). Produktiv ist hierbei, sich über die historisch gewachsenen Macht- und Diskriminierungsverhältnisse bewusst zu werden und immer wieder zu reflektieren, wie diese in unseren internalisierten Wissensbeständen und institutionellen Strukturen verwurzelt sind. Es gehört aber auch ein kontinuierliches Nachdenken über unser eigenes Handeln, unsere Positionalität und unsere Privilegien dazu. Dies bedeutet, wie Steffen Jäger im Gespräch mit Ulli Mayer auf den Punkt bringt, immer wieder zu hinterfragen, „wer eigentlich mitgedacht wird, wer sich eingeladen oder ernst genommen fühlen darf und für wen der Raum noch gar nicht vorbereitet ist“ (Mayer 2025: 124). Diversität im Sinne einer diskriminierungskritischen Praxis erfordert demnach ständige Aufmerksamkeit und die Bereitschaft, kontinuierlich auszuhandeln, wie Diskriminierungen im Hochschulkontext vorgebeugt werden kann und was verändert werden muss, damit bislang marginalisierte Menschen selbstwirksam vorkommen können (Jäger 2023: 32). Ganz in diesem Sinne gilt es, mit den aus dem Diversitätsstrategieprozess gewonnenen Erkenntnissen und Erfahrungen weiterzuarbeiten. Denn Diversität ist kein Projekt, das einmal erledigt und dann abgehakt werden kann.

Literatur:

Ahmed, Sara (2012): On Being Included: Racism and Diversity in Institutional Life. Durham: Duke University Press.

Dhawan, Nikita (2025): Welcher Unterschied macht einen Unterschied? Über das Verhältnis von Ästhetik, Politik und Ethik. In: Mayer, Ulli; Ellmeier, Andrea; Müller, Gerda (Hrg.): üben und ver_üben. Diversität als diskriminierungskritische Praxis in Kunst, Kultur und Bildung. S. 27–36.

Jäger, Steffen (2023): Diversität als Notwendigkeit. Kunsthochschulen müssen sich machtkritisch umstrukturieren – oder sie bleiben Teil des Problems. Kritische Berichte, Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften 51, 1 (2023).

Mayer, Ulli; Müller, Gerda (2025): Qualitätskriterien diversitätsorientierter Organisationsentwicklung. Die mdw-Diversitätsstrategie als Beispiel. In: Mayer, Ulli; Ellmeier, Andrea; Müller, Gerda (Hrg.): üben und ver_üben. Diversität als diskriminierungskritische Praxis in Kunst, Kultur und Bildung. S. 87–120.

Mayer, Ulli (2025): Diskriminierungskritische Praxis am Theater. Ulli Mayer im Gespräch mit Steffen Jäger, Stefanie Sourial und Ella Steinmann. In: Mayer, Ulli; Ellmeier, Andrea; Müller, Gerda (Hrg.): üben und ver_üben. Diversität als diskriminierungskritische Praxis in Kunst, Kultur und Bildung. S. 123–136.

Mayer, Ulli (2025): Arbeit in/mit/gegen Institutionen. Diversitätsorientierte Organisationsentwicklung. Ulli Mayer im Gespräch mit Nathalie Amstutz, Galina Baeva, Gerda Müller, Ivana Pilić und Ella Steinmann. In: Mayer, Ulli; Ellmeier, Andrea; Müller, Gerda (Hrg.): üben und ver_üben. Diversität als diskriminierungskritische Praxis in Kunst, Kultur und Bildung. S. 167–186.

Reitsamer, Rosa; Prokopp, Rainer (2018): Zwischen Tradition und Innovation: Zur Bewertung musikalischer Leistungen an Kunsthochschulen. In: Szabó-Knotik, Cornelia; Mayer-Hirzberger, Anita (Hrg.): Anklaenge – Wiener Jahrbuch für Musikwissenschaft. Wien: Hollitzer Verlag. S. 161–175.

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