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Vom 30. Mai bis 6. Juni 2025 fand an der mdw das Joint Seminar Quality versus Participation? Politics in Music and Performing Practices (Qualität versus Partizipation? Politik in Musik und darstellenden Praktiken) statt. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit der internationalen Graduate School Performing Sustainability brachte die einwöchige Veranstaltung Studierende der mdw, der University of Cape Coast (Ghana), der University of Maiduguri (Nigeria), der Kunstuniversität Linz und des Center for World Music der Universität Hildesheim (Deutschland) zusammen.

Aufbauend auf dem ersten Seminar mit dem Titel A Global Classroom, das im April 2024 im Rahmen der internationalen Konferenz Critiques of Power in the Arts ebenfalls an der mdw stattfand, wurde diese zweite Veranstaltung in einem Blended-Learning-Format mit Online-Sitzungen und einer gemeinsamen Präsenzwoche in Wien angeboten. Das zentrale Ziel bestand darin, die politische Bedeutung des künstlerischen Ausdrucks kritisch zu beleuchten und zu erforschen, wie Kunst als transformative Kraft in Postkonfliktgesellschaften wirken und letztlich zu den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) beitragen kann.

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Ein wichtiger Baustein des Seminars war die Kooperation mit den Wiener Festwochen unter der künstlerischen Leitung von Milo Rau. Gemeinsam mit der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit und Community Building des Festivals, für die Kolja Burgschuld und Eva Wolfesberger verantwortlich zeichnen, besuchten die Studierenden ausgewählte Aufführungen der Wiener Festwochen und nahmen an strukturierten Reflexionssitzungen teil, in denen die Teilnehmenden intensiv über verschiedene Konzepte von Kunst, künstlerischer Qualität, Machtstrukturen und Partizipation diskutierten. Das Seminar ermutigte die Studierenden, Musik und darstellende Praktiken als Instrumente des sozialen Engagements und des politischen Diskurses neu zu denken.

Das kritische Hinterfragen eurozentrischer Ideen von künstlerischem Wert sowie Institutionskritik bildeten weiterer Schwerpunkte des Seminars war. Sowohl die mdw als auch die Wiener Festwochen haben sich aktiv mit der eigenen Geschichte in Bezug auf Elitismus und Kulturpolitik auseinandergesetzt. Die Seminarteilnehmer_innen wurden dazu ermutigt, traditionelle Definitionen von Kunst zu hinterfragen und andere Perspektiven auf die Rolle der Kunst im gesellschaftlichen Wandel zu entwickeln.

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Dank des transdisziplinären Ansatzes  – das Seminar verband Kulturinstitutionenforschung, Popmusikforschung, Ethnomusikologie, künstlerische Forschung, kulturpolitische Forschung und interkulturelle Philosophie – wurde den Studierenden ein facettenreiches Verständnis globaler kultureller Phänomene ermöglicht. Aufgrund der Diversität und Heterogenität unter den Seminarteilnehmenden entstand ein reichhaltiger sowie nachhaltiger Austausch über kulturelle und disziplinäre Grenzen hinweg, was die Studierenden dazu anregte, ihre Position als aktive Mitgestalter_innen einer globalen Gesellschaft zu reflektieren.

Da die Veranstaltungen nicht nur in Unterrichtsräumen oder Außenbereichen am Campus der mdw stattfanden, sondern auch an verschiedenen öffentlichen und institutionellen Orten, war die Vielfalt in Bezug auf Umgebung, Räumen und Atmosphären ebenfalls ein wesentliches Merkmal des Seminars. Besuche im Festivalzentrum der Wiener Festwochen im Funkhaus, in dessen Garten, aber auch in großen Theatern sowie unkonventionellen Orten wie St. Marx für alle schufen wechselnde Perspektiven darauf, wie Räume Wahrnehmungen und Diskurse prägen. Stadtrundgänge und informelle Gespräche vertieften die Sicht auf Wien als Bühne für soziale Aushandlungsprozesse und künstlerische Interventionen und machten die Stadt zu einer aktiven Protagonistin der kritischen Erkundungen des Seminars.

Eröffnet wurde die Seminarwoche mit einer Performance von Benjamin Verdonck und Jetse Batelaan, die Debatten über die politische Rolle der Kunst, dekoloniale Praktiken und globale Ungleichheiten entfachte. Der achtstündige Wiener Kongress (Milo Rau) am Samstag setzte sich mit Cancel Culture, künstlerischer Freiheit und Zensur auseinander und führte die Gruppe von Konsens zu komplexen, oft widersprüchlichen Ansichten. Die Diskussionen vertieften sich in der Podiumsdiskussion „Curating Change“ zum Thema Widerstand gegen Unterdrückung, gefolgt von kreativen Reflexionen über Performances wie Milo Raus Burgtheater. In den folgenden Tagen erkundeten die Teilnehmer_innen inklusive Gemeinschaftsräume, nahmen an „Blind Dates“ teil und beschäftigten sich mit dekolonialer Kritik am Diversity-Washing. Werke wie Perzen Triomf van Emphatie und Die weiße Witwe entzogen sich binären Denkweisen und forderten einen differenzierten Umgang mit Konflikten. Sessions zu den Themen Klang, Kulturpolitik und Doktorandenforschung bekräftigten die Notwendigkeit struktureller Veränderungen. Das Seminar entwickelte sich zu einem Raum des interkulturellen Austauschs und der Neukonzeption der Rolle der Kunst im politischen Wandel.

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Begriffe wie „künstlerische Freiheit“, „Provokation“ und „Zensur“ verloren ihre feste Bedeutung, als die Teilnehmenden die Risiken des Ausschlusses abweichender Meinungen gegen die Verstärkung von Machtungleichgewichten abwogen. Ethische Überzeugungen wurden komplexer und führten zu einer produktiven Desorientierung, die Widersprüche einer schnellen Lösung vorzog. Das Seminar wurde zu einem Raum, in dem Meinungsverschiedenheiten unverzichtbar waren und sowohl den künstlerischen als auch den politischen Diskurs vertieften.

Das Festival hob die Kluft zwischen kuratorischer Absicht und Zugänglichkeit für das Publikum hervor. Einige Produktionen, wie beispielsweise das Gemeinschaftsstück Ein gefräßiger Schatten, richteten sich trotz globaler Themen hauptsächlich an ein kulturell und sprachlich homogenes Publikum, was Fragen der Inklusion aufwarf. Das Seminar entwickelte sich zu einer Kritik der Barrieren und blinden Flecken im Kulturbereich und betonte, dass politische und partizipative Kunst institutionelle Selbstreflexion, strukturelle Veränderungen und den Mut erforderna, symbolische Inklusion durch echte Vielfalt zu ersetzen.

Team-Teaching:

  • mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Österreich (Lisa Gaupp, Marko Kölbl, Magdalena Fürnkranz)
  • Kunstuniversität Linz, Österreich (Amalia Barboza, Murat Ates)
  • International Graduate School „Performing Sustainability“:
    • University of Maiduguri, Nigeria (Naomi Andrew Haruna)
    • University of Cape Coast, Ghana (Sabina Appiah-Boateng)
    • Universität Hildesheim, Deutschland (Lea Frauenknecht, Arne Nickel, Peter Meister, Maite Herborn)
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