Stefanie Reinsperger im Portrait


Die 1988 geborene Schauspielerin Stefanie Reinsperger ist Ensemblemitglied am Wiener Volkstheater und frisch gekürte Schauspielerin des Jahres.


Stefanie ReinspergerFoto: ©www.lupispuma.com / Volkstheater

"Für zwei, drei Stunden in einen Menschen hineinschauen"

Gespielt hat Stefanie Reinsperger schon immer. Das war schon als Kind so, wie die 1988 in Baden bei Wien geborenen Schauspielerin erzählt. Fernsehen durften die beiden Reinsperger-Töchter (sie hat noch eine Schwester) nur am Sonntag, ansonsten wurde gemeinsam gespielt. "Das war nicht aus irgendeiner Ideologie heraus. Meine Eltern haben einfach gesagt: wir haben einen Garten, wir haben Spielzeug, ihr habt einander – macht was draus!" Das Repertoire war schon damals groß: mal kamen Märchen auf den Spielplan, die mit Barbie-Puppen inszeniert wurden, oft waren es auch die Geschichten, die am Vorabend vorgelesen worden waren.

Schon damals interessierte sie sich mehr für Charaktere als für Verkleidung und Tand: "Die Prinzessin wollte ich nie spielen. Ich wollte immer ein armes Mädchen sein – das fand ich viel spannender." In London, wo Stefanie Reinsperger mit ihrer Familie lebte, ging sie bald in eine Kindertheatergruppe, nachdem die Familie nach Wien zurückgekehrt war, spielte sie im Theater der Jugend. Um sich schließlich die entscheidende Frage zu stellen: Wie wird man das eigentlich, Schauspielerin?


Studium am Max Reinhardt Seminar

Das Vorsprechen an der Ernst-Busch-Schule verlief enttäuschend, in der Endrunde schied sie aus. "Das hat mich sehr ernüchtert, danach wollte ich eigentlich nicht mehr." Es brauchte einen Schubser von der Mutter, einen letzten Versuch, der sie schließlich doch zur Schauspielerin machen sollte: Sie sprach am Konservatorium und am Max Reinhardt Seminar an der mdw vor, wäre an beiden Schulen aufgenommen worden und entschied sich für das Max Reinhardt Seminar.

Bereut hat sie es nicht: "Das war für mich die beste Schule, die mir hätte passieren können. Ich hatte dort das Gefühl, erst einmal so angenommen zu werden, wie ich bin. Mir wurde zwar durchaus bewusst gemacht, was da alles nicht ist – aber ohne etwas aus mir herauszwingen zu wollen. Vielmehr wurde sehr liebevoll versucht, diese Seiten hervorzukehren. Ich habe mich dort sehr wohl und geborgen gefühlt."


Nach dem Studium

Seither hat Steffi Reinsperger eine beachtliche Karriere hingelegt: Bevor sie zu Anna Badora ans Volkstheater wechselte (eine "Bauchentscheidung", wie sie sagt), war sie Burgschauspielerin und spielte dort in so erfolgreichen Produktionen wie "Die lächerliche Finsternis" unter der Regie von Dušan David Pařízek, die heuer auch als beste deutschsprachige Aufführung für den Nestroy nominiert ist.

Und schließlich wurde sie im Sommer 2015 in der alljährlichen Theater heute-Kritikerumfrage sowohl zur Schauspielerin als auch zur Nachwuchsschauspielerin des Jahres gekürt. Gefreut hat sie sich darüber sehr – trotzdem "geht es ja weiter. Ich probe wieder, der Job hört ja jetzt nicht auf."


Theaterspielen als Verantwortung

Es geht ihr bei diesem Beruf auch um mehr, als nur um den Ruhm. Für sie hat Theater immer auch mit Verantwortung zu tun: "Wir gehen auf die Bühne und tun oder sagen Sachen in aller Öffentlichkeit, die sich die Leute vielleicht selbst nicht zu tun oder zu sagen trauen, von denen sie vielleicht auch nicht genau wissen, wie sie sie formulieren können oder sollen. Dafür sind wir da. Das muss auch so sein. Sonst würde ich mir die Frage stellen: Wieso gehen wir da hinaus?"


Stefanie ReinspergerFoto: Szenenfoto "Nora" von Henrik Ibsen / Elfriede Jelinek, Regie: Dušan David Pařízek
©www.lupispuma.com / Volkstheater

Geht es ihr also um ein Weltverändern, ein Weltverbessern? "Ja, im besten Fall. Und ich glaube total daran, dass Theater das kann. Für mich muss es das, sonst kann ich diese Arbeit gar nicht machen." Zum einen Teil speist sich die Arbeit (und auch die Faszination) der Schauspielerin Stefanie Reinsperger wohl aus diesem politischen Anspruch, diesem Ernst-Nehmen.

Die andere Hälfte ist die Lust am Spiel, die Freude am Facettenreichtum des menschlichen Sein und Scheinen. Tatsächlich kann man ja überall dort, wo Menschen zusammenleben, Rollen entdecken, die es zu spielen gäbe.

Stefanie Reinsperger etwa hat die Vienna Business School besucht und erzählt: "Wenn ich BWL- oder Management-Präsentationen machen musste, dann habe ich sie gespielt. Die ersten Jahre habe ich Ferialjobs in Firmen oder Banken gemacht, das war dann auch eine Rolle, die ich sechs Wochen lang gespielt habe." Wobei es hier nicht darum geht, vorzugeben, jemand zu sein – sondern vielmehr darum, bestimmte Verhaltens- oder Sprechweisen im Reservoir der eigenen Persönlichkeit zu entdecken und zu bergen.


Bühnenluft macht frei

Es geht ihr aber nicht nur um das pure Entdecken – sondern auch um eine Freiheit, die es im "echten Leben" wohl niemals geben wird. "Man darf hier alles sein, was man ist. Man kann viel mehr sein als im Leben." Dort nämlich versucht jeder, die Rolle seines Gegenübers möglichst genau zu definieren: Ist das ein lustiger Mensch? Ein jähzorniger? Menschen müssen das wohl tun, um halbwegs reibungsfrei miteinander leben zu können. Der einzelne landet so natürlich schnell in einer Schublade, in die er eigentlich gar nicht gehört.

So gesehen versteht man, wieso Stefanie Reinsperger sagt, sie sei auf der Bühne viel geschützter, freier. "Es ist ein Spielplatz. Ich meine damit nicht, dass man Theater als Selbsttherapie begreift, nach dem Motto: 'Weil es mir scheiße geht, muss ich auf der Bühne auch so sein.' Aber man lässt auf der Bühne einfach Sachen raus, die sonst vielleicht nirgends hin können."

"Wenn ich länger nicht probe, werde ich wahnsinnig unausgeglichen. Mir fehlt dann etwas: eine Art von Streitlust, eine Sehnsucht, Hass, Liebe… – eben alles, was auf der Bühne Platz hat und im Leben nicht. Oder nur in einer sehr gedrosselten Version."


Interesse für's Mensch-Sein

Wenn man es herunterbrechen wollte, müsste man wohl sagen: Stefanie Reinsperger interessiert sich für das Mensch-Sein. Sie schwärmt von jenen SchauspielerInnen, die sich auf der Bühne wirklich ausliefern: "Ich finde es am spannendsten, wenn ich für zwei, drei Stunden in einen Menschen hineinschauen darf."

Das ist es auch, was ihr Spiel ausmacht: Sei es Henrik Ibsens und Elfriede Jelineks Nora, die sie spielt oder die Hilga in Fasching – sie lässt einen in diese Menschen hinein schauen. Auf dass man die Welt vielleicht ein wenig anders sieht, wenn man das Theater danach verlässt.


Text: Andrea Heinz

Der Artikel ist in der Kunsträume Ausgabe #4-2015 erschienen.