Der Zentrale Informatikdienst der mdw


Maximilian Sbardellati, Leiter des Zentralen Informatikdienstes der mdw, hat einer altehrwürdigen Institution IT-Leben eingehaucht.

Text: Wolfgang Franz, erschienen in der Beilage des Magazins Computerwelt vom 20.11.2015

Maximilian SbardellatiFoto: ©Wolfgang Franz

Der IT-Dirigent

"Ich freue mich, dass Sie hier sind. Aber eines sage ich Ihnen gleich: Computer kommt mir keiner ins Zimmer."

So wurde Maximilian Sbardellati von einigen Lehrkörpern begrüßt, als er seinen Job an der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien antrat. Das war 1994, als hier ein paar Mac Classics als besserer Schreibmaschinenersatz herumstanden und einfache Verwaltungsprogramme das Höchste der Gefühle waren.

Kein Grund, das Handtuch zu werfen: "Ich fand es als sehr spannende Herausforderung, in einer künstlerisch-wissenschaftlichen Bildungseinrichtung den Aufbau der IKT wesentlich mitgestalten zu können", so Sbardellati.
21 Jahre später: Aus dem ehemals Zwei-Mann-Team wurde eine 22 Köpfe starke IT-Abteilung. Und die mdw ist heute eine der weltweit größten und renommiertesten Universitäten in den Bereichen Musik, Theater und Film, wobei die IT eine wesentliche Rolle spielt. Sbardellati hat die EDV-Geschichte des Hauses quasi als Dirigent von der Ouvertüre bis zum heutigen Tag begleitet.

Die Laufbahn des gebürtigen Kärntners begann an der HTL für Elektrotechnik in Pinkafeld. Nach dem Studium der Informatik an der TU Wien war er während des Doktoratsstudiums Universitätsassistent am Institut für Programmiersprachen und Compilerbau. Nach einem Intermezzo als selbstständiger Programmierer bewarb er sich erfolgreich an der damals noch unter der Bezeichnung Hochschule für Musik und Darstellende Kunst laufenden Institution, deren künstlerische Anfänge ins Jahr 1817 zurückreichen.

Server-Raum der mdwFoto: Serverräume der mdw ©Thomas Dörflinger


Schritt für Schritt

Die lange Reise in Sachen IT begann mit der Verkabelung der Hauptstandorte. Mitte der 1990er-Jahre kam ein Novell-Server für E-Mail- und File-Services dazu: "Dafür haben wir in der Lothringerstraße ein Besenkammerl bekommen", schildert Sbardellati die ersten zaghaften Schritte in Richtung digitales Zeitalter.

1997 brachte eine wichtige Zäsur: Die Bibliothek der mdw ist dem österreichischen Bibliothekenverbund beigetreten. Man begann, den gesamten Bestand, immerhin rund 250.000 Informationsträger, nach einheitlichen Kriterien elektronisch zu erfassen. 2012 wurde das Monsterprojekt abgeschlossen, womit es möglich ist, die gesamte Bibliothek nach Metadaten zu durchsuchen.

Mit dem Umzug an den heutigen Hauptstandort am Anton-von-Webern-Platz im Jahre 1999 konnte das IT-Team den ersten Serverraum in Betrieb nehmen, "der diesen Namen auch verdient. Mittlerweile stehen uns zwei Serverräume zur Verfügung, die uns eine hochverfügbare, redundante und damit ausfallssicherere IKT-Infrastruktur ermöglichen."

Mit der Planung des neuen Hauptstandortes übernahm der ZID auch die Verantwortung für die Telefonie. 2004 wurden alle zwölf Standorte der mdw – vom Hauptstandort im dritten Wiener Gemeindebezirk bis zum Max Reinhardt Seminar und Schlosstheater Schönbrunn – via Glasfaser vernetzt und breitbandig an die weltweite Wissenschafts-Community angeschlossen. "Seit dem steht uns eine Netzwerkinfrastruktur zur Verfügung, die es uns ermöglicht, die zentralen IT-Services an jedem Arbeitsplatz performant zur Verfügung zu stellen, was auch wesentlich wirtschaftlicher ist als klassische IT", so der ZID-Leiter.

Server-Raum der mdwFoto: Serverräume der mdw ©Thomas Dörflinger

Im selben Jahr hat die mdw mit der von der TU Graz entwickelten campusOnline-Lösung ein modernes Web-basiertes Campus Management-System eingeführt, womit unter anderem alle Prozesse im Student-Life-Cycle abgebildet werden können. In nackten Zahlen: Die Uni bietet 105 Studienrichtungen und 68 Universitätslehrgänge in 24 Instituten für über 3.000 Studierende aus mehr als 70 Nationen.

Mit moderner Infrastruktur und hohen Bandbreiten als Basis konnte Sbardellati sich an die Arbeit machen, die IT-Systeme Schritt für Schritt zu virtualisieren. Heute stehen zirka 80 physische Server mit Cluster für VMware, Novell-OES und Oracle RAC zur Verfügung, mit denen an die 200 Dienste versorgt werden. Zudem spielt der IT-Leiter auf der Klaviatur eines virtualisierten Storage-Systems zur Verwaltung der hochverfügbaren Speicherressourcen sowie des Nearline Storage.

Near in the distance 2Foto: Near in the distance 2 ©Gerard Spee


Digitale Transformation

"Interessanter als all das ist die digitale Revolution im Video-Audio-Bereich", verrät Sbardellati eine seiner wahren Leidenschaften in Sachen IT. Das Aufnahmevolumen des Hauses ist immens: Veranstaltungen wie Wettbewerbe und Tagungen werden über Live Streaming oder Video on Demand weltweit zugänglich gemacht. Die mdw veranstaltet immerhin mehr als 1.300 künstlerische und wissenschaftliche Events pro Jahr und ist somit Österreichs größter Kulturveranstalter. Selbst Klassenabende werden aufgezeichnet und für die Nachwelt archiviert: "Es könnte ja der Mozart des 21. Jahrhunderts darunter sein."


Internationale Interaktion

Ein ganz besonderes Event, das eine enorme Herausforderung für die IT darstellte, ging im Juni dieses Jahres über die Bühne. "Bei Near in the Distance 2 agierten Künstler an verschiedenen Orten simultan miteinander, teilweise in virtuellen Räumen. Ein Tänzer war im Wiener Museumsquartier, eine Tänzerin, die Choreographin und der Videokünstler in Barcelona, die Musiker im Wiener Museumsquartier, Prag, Ljubljana und Judenburg. Dazu eine Live-Videozuspielungen aus New York."

Near in the distance 2Foto: Near in the distance 2 ©Gerard Spee

Die größte Herausforderung bei interaktiven Live-Performances liegt auf der Hand: die Latenzzeiten. "Die Wartezeiten eines ORF-Interviews via Satellit können wir uns nicht leisten. Immerhin sind wir dank unserer Wissenschaftsleitungen und 'low latency network connections' privilegiert, aber ganz ohne Latenzzeiten geht es nicht. Daher müssen die Kompositionen darauf ausgerichtet sein."

Um der rasanten Entwicklung in diesem Bereich Rechnung zu tragen, wurde im letzten Jahr ein Audio-Video-Zentrum direkt im ZID etabliert. Dieses Zentrum, zu dem die IT die Infrastruktur und Knowhow beisteuert, hatte Sbardellati bereits als kleines Kästchen in das Organigramm gezeichnet, das am Anfang seiner Karriere stand – seine Visionen wurden 20 Jahre später Realität.

Ein Thema, das immer stärker angefragt wird, ist Fernunterricht via Videokonferenzsystemen. Was für wissenschaftliche Lehrveranstaltungen ein erstrebenswertes Projekt ist, stößt im Instrumentalunterricht auf Ablehnung: "Ziel ist es nicht, dass der Schüler in Japan sitzt und über die Technik von hier aus unterrichtet wird. Wir reden hier von Kunst und sehr enger Interaktion zwischen Lehrer und Schüler. Bei modernen Videoconferencing-Systemen, die auf Sprache und Bild optimiert sind, lässt sich der Klang teilweise schon sauber herüberbekommen. Doch es ist nicht dasselbe, wenn Sie daneben sitzen. Sie spüren es anders."


High Volume Data

Eine weitere Baustelle der ITAbteilung liegt ebenfalls auf der Hand: die enormen Datenmengen. "Das Datenvolumen eines 4K-Films mit einundeinhalb Stunden Länge in Rohversion bekommt man im Office-Bereich nicht in 20 Jahren zusammen", schildert Maximilian Sbardellati plastisch die Ansprüche aus Richtung der Filmakademie Wien, die ebenfalls Teil der mdw ist. Das Institut für Wiener Klangstil liefert zudem eine Menge Messdaten. Eine große Herausforderung für die nähere Zukunft ist daher die wirtschaftlich vertretbare Bereitstellung ausreichender Speicherressourcen und von Werkzeugen zur sinnvollen Verwaltung dieser Daten."

Technisch sei das kein großes Thema, wenn man genügend Speicher zur Verfügung hat – sprich wenn das Budget passt –, herausfordernd sei jedoch die Verwaltung etwa der Verwertungsrechte. "Man muss wissen, was man mit Content machen kann, sonst ist er wertlos", bringt Sbardellati es auf den Punkt. Um die großen Datenmengen in den Griff zu bekommen, laufen bereits einige Initiativen auf nationaler und europäischer Ebene.

Ein Thema, bei dem man in Sachen Datenverwaltung nicht vorbeikommt, ist Cloud Computing. "Public Cloud kommt für mich nicht in Frage, besonders wenn ich nicht weiß, wer aller Zugriff auf die Daten hat", so Sbardellati. Interessant wäre jedoch eine Community Cloud. Es geht darum, dass dort, wo Knowhow verfügbar ist, entsprechende Services der gesamten akademischen Community angeboten werden. "Mit ACOnet, dem österreichischen Wissenschaftsnetz, und den Bandbreiten haben wir die optimalen Voraussetzungen. Auch im Speicher-Bereich könnte das Sinn machen."

Server-Raum der mdwFoto: Serverräume der mdw ©Thomas Dörflinger


Für die Ewigkeit

Da es um nationales Kulturgut geht, ist Langzeitarchivierung eine der brennenden Aufgaben, die per se niemals zu einem Abschluss kommen kann. "Bei uns bedeutet Langzeitarchivierung die Sicherung der Daten, in der Regel sind es Schriftstücke, für hunderte oder tausende Jahre, – eigentlich für die Ewigkeit." Mit der Einführung eines Digital-Asset-Management-Systems und einer Dokumentenmanagement-Lösung schafft das IT-Team gerade die Voraussetzungen, den Bestand nicht nur zu verwalten, sondern auch der Nachwelt bereitzustellen.

Im Office-Bereich hat sich das Haus für Doxis4 der Firma SER entschieden. "Das alte Aktenlaufprogramm war auf die Verwaltung physischer Akten ausgelegt. Durch den Einzug der IT lagen mittlerweile beinahe alle Dokumente in digitaler Form vor. Besonders das Archiv und der ZID drängten daher auf eine Lösung", beschreibt Sbardellati die Ausgangslage.

2010 reifte an der mdw der Gedanke, für die Verwaltung der Dokumente im Office-Bereich ein Dokumentenmanagementsystem (DMS) einzuführen. Der IT-Leiter warnt: "Es ist wichtig, von Beginn an zu verstehen, dass die Umstellung auf ein DMS Einfluss auf die Arbeitsprozesse nimmt und daher in erster Linie als ein Projekt der internen Organisation gesehen werden muss und erst in zweiter Linie als IT-Thema. Hier ist Change Management gefordert."

Im Frühjahr 2012 folgte die Empfehlung der eingesetzten Projektgruppe an das Rektorat, Doxis4 zu verwenden, wobei keine Big-Bang-Implementierung, sondern eine schrittweise Einführung geplant war – schrittweise, offensichtlich ein Motto, dem Sbardellati seine gesamte Karriere treu bleibt.

Im Jänner 2015 wurde die finale Konfiguration vom Testsystem auf das Produktivsystem transportiert. Ein aktuelles Projekt ist der Personalakt, das im Jänner 2016 abgeschlossen sein soll. Zudem wird auf CSB 3.1 migriert. "Damit steht uns auch das neue Business Process Management in Doxis4 zur Verfügung", resümiert Sbardellati.


Imagewandel

Was sich seit Beginn seiner Karriere verändert hat? "Anfänglich war ich operativ unterwegs. Ich bin aber sehr schnell in die Lage gekommen, strategische Beratung zu leisten und Innovationen voranzutreiben, was am Anfang nicht einfach war. Für einen Computer musste man einen Budgetantrag ans Ministerium stellen. Von der Anforderung bis zur Lieferung hat es ungefähr ein Jahr gedauert. Zum Glück ist das heute anders."

Das heißt, dass sich das Image der IT grundlegend geändert hat. Heute ist sie auch an der mdw ein unverzichtbares Werkzeug des 21. Jahrhunderts.