Das Palais Cumberland

Sein ursprünglicher Erbauer war einer der einflussreichsten Männer am Hofe Maria Theresias. Emanuel Teles da Silva, Duc de Silva-Taroucca (1691 – 1771) kam 1730 aus Lissabon nach Wien und gewann bald das Vertrauen Kaiser Karls VI, der ihn zum Lehrer seiner Tochter in staatspolitischen Angelegenheiten bestimmte. Da Silva war von 1744 bis 1749 Hofbaudirektor und stand der jungen Kaiserin in den ersten zehn Jahren ihrer Regierung als Berater maßgeblich zur Seite.

1744 kaufte er die drei Bürgerhäuser, die auf den heutigen Parzellen Penzinger Straße 9 – 11 standen, ließ sie abbrechen und errichtete auf Nr. 9, also dem heutigen Reinhardt Seminar, ein Palais. Wenige Jahre danach erwarb es Maria Theresia, da sie für ihren Schwager, Prinz Karl von Lothringen, einen Schönbrunn benachbarten Sommerwohnsitz brauchte.

Wenige Jahre später (um 1750): Da Silva baute sich auf Nr. 11 (heutige Botschaft) ein neues Palais, das lange im Familienbesitz blieb und dann nach zehn Besitzerwechseln von der Familie Pouthon erworben wurde.

Auf der Parzelle Penzinger Straße Nr. 7 (Neue Studiobühne und Opernabteilung) befand sich eine kleine Kavalleriekaserne, die 1758 unter Kaiserin Maria Theresia errichtet worden war und die Wachmannschaft für Schloss Schönbrunn beherbergte. Als die Kaserne 1840 abgerissen wurde, verwandelte man den einstigen Exerzierplatz in den Garten.

Kaiser Franz Josef kaufte 1867 der Familie Pouthon das ehemalige Palais Silva-Taroucca ab und ließ es mit dem benachbarten Lothringerhaus zu einem neuen Palais vereinen. Er stellte es dem ehemaligen König Georg V von Hannover (1819 – 1878) zur Verfügung, der 1866 auf der Seite Österreichs gegen Preußen gekämpft hatte, nach dem verlorenen Krieg aber abdanken musste und nach Österreich geflüchtet war. Nachdem er sein Königreich verloren hatte, lebte er hier bis zu seinem Tode unter dem Titel eines Herzogs von Cumberland. Es war ihm gelungen, einen Teil seines enormen Vermögens nach Wien zu retten, wo er das Palais kaufte und aufwändig ausstattete. Für das Doppelgebäude kam nun die Bezeichnung „Cumberland Palais“ auf.

1908 wurde an das Palais das ehemalige kaiserliche Jägerhaus (1747) auf Nr. 13, das aber bereits 1781 zu einem Privathaus wurde, angeschlossen. Nach dem Ende der Habsburger-Monarchie zog die Gesandtschaft der neugeschaffenen Tschechoslovakischen Republik 1921 in die Gebäudeteile Penzinger Straße 11 und 13 ein.

1940 übersiedelte das Reinhardt-Seminar aus dem Schloss Schönbrunn in den Gebäudeteil Penzinger Straße 9, das ehemalige Lothringerhaus. 1983 wurde im benachbarten Park eine Studiobühne eingerichtet, Eröffnung 1992.

Den stark gegliederten Fassaden des Cumberland Palais sieht man an, dass es sich einst um mehrere Gebäude gehandelt hat, die öfters umgebaut wurden. Lediglich der stattliche, zum Garten orientierte, ovale Festsaal, die „Arena“, hat seine Ausstattung aus der Entstehungszeit bewahrt. Die Wände sind mit reicher Architekturmalerei versehen. Die Flachdecke zeigt einen illusionistischen Himmelsausblick mit Puttengruppen und Vögeln. Erhalten sind auch noch zwei Öfen mit Volutenrahmung sowie Rocaillen- und Rosenauflagen.

Das repräsentative Treppenhaus mit Stuckierung und einem Schmiedeeisengitter ist von 1867. Die Ausstattung des Mittelsaals stammt auch aus dieser Zeit. Sie besteht aus kannelierten Pilastern, Lunettenfenster und Ochsenaugen in der Gebälkzone sowie einer gekehlten Flachdecke mit reichem Stuck. Nordseitig ist dem Saal ein ebenfalls zweigeschossiges Vestibül vorgelagert.

 

Das Max Reinhardt Seminar

Nach dem Einzug des Seminars 1940 wurde 1960 nach einem Konzept des Bühnenbildners und langjährigen Lehrers des Seminars, Walter Hoesslin, die Alte Studiobühne, kurs ASB, eingerichtet. 2003 wurde sie vollständig erneuert. 1965 fand eine große Renovierung aller Räumlichkeiten statt, bei der damals die neuste Technik, wie beispielsweise das Tonstudio, ein Gymnastiksaal mit Schwingboden und Ähnliches, eingerichtet wurde. Die Neue Studiobühne, kurz NSB, wurde 1992 eröffnet und ebenfalls 2003 erneuert. Architekt: Peter Czernin.

Zeittafel

1744 Beginn der Bauarbeiten Penzinger Str. 9 des Lothringer Hauses bzw. Prinz Karl-Haus (Architekt und Hofbaudirektor Maria Theresiens: Teles de Silva). 
Aus dieser Zeit stammen die beiden Mittelsäle

1750 Teles de Silva: Ein weiteres Palais Penzinger Str. 11 (Tschechische Botschaft)

1758 Maria-Theresia baut Kaserne auf Penzinger Str. 7

1840 Abriss der Kaserne und Anlegen des Gartens

1867 Verkauf der Penzinger Str. 11 an Kaiser Franz Josef und Zusammenlegung des Palais mit Penzinger Str. 9

1870 König Georg V von Hannover, bzw. Herzog von Cumberlands Wohnstätte bis 1878. 
In diesen Zeitraum fällt die Gestaltung der gesamten Anlage, bis auf die Mittelsäle

1908 Anschluss der Penzinger Str. 13, dem ehemaligen Jagdschlösschen, an die heutige Botschaft

1921 Trennung zwischen 7-9 und 11-13, Einzug der Tschechischen Botschaft in die Teile 11-13

1940 Einzug des Seminars vom Schloss Schönbrunn in das Palais

1960 ASB

1965 Großrenovierung

1992 NSB

2003 Renovierung der ASB und NSB