Interview: Tonangebend


Seit zwei Jahren ist Peter Edelmann Leiter des Instituts für Gesang und Musiktheater. Mit seiner Stellvertreterin Margit Klaushofer und Lehrenden Claudia Visca spricht er über die Herausforderungen und Besonderheiten der Gesangsausbildung in der Opernstadt Wien.


GesangsausbildungFoto: Gesangsausbildung an der mdw ©Stefan Polzer

Peter Edelmann, seit 2014 sind Sie Leiter des Instituts für Gesang und Musiktheater. Können Sie einen kurzen Überblick über die letzten Entwicklungen geben?

Peter Edelmann:
Ich habe es mir in den vergangenen Jahren zum Ziel gesetzt, das Institut für Gesang und Musiktheater nach außen hin zu öffnen. Dazu war mir die Weiterentwicklung der Koproduktionen stets ein wichtiges Anliegen. Letztes Jahr besuchten wir beispielsweise Korea und führten dort den Liebestrank von Gaetano Donizetti auf.

Dazu laden wir regelmäßig Gäste ein – unter anderem Dominique Meyer und Harald Serafin. Ich arbeite auch intensiv an Kooperationen mit Agenturen, an der Weiterentwicklung des Artist Managements, das bereits mein Vorgänger Karlheinz Hanser begonnen hat und am Audition-Training – alles was die Präsentation nach außen hin betrifft.

Diese Punkte sind mir besonders wichtig, aber natürlich muss auch das Innenleben des Instituts reibungslos weiterlaufen. In diesem Bereich setze ich mich auch für eine Weiterentwicklung ein, z.B. wird dieses Semester Mental Training angeboten. Dazu habe ich Treffen mit allen Institutsangehörigen eingeführt. Das ist für mich sehr wichtig, da ich hier etwas über den Bedarf am Institut erfahre.

Ich rede auch gerne mit SängerInnen darüber, wo sie studiert haben, und was dort funktioniert hat. Dazu besuche ich immer wieder andere Ausbildungseinrichtungen, um mir Anregungen zu holen, wie zuletzt die Accademia in Mailand oder das Royal Collage in London.


Peter EdelmannFoto: Institutsleiter Peter Edelmann ©Stefan Polzer

Welche Herausforderungen sehen Sie auf Ihr Institut zukommen? Wird sich die Gesangsausbildung anpassen müssen?

Peter Edelmann:
Ja natürlich, man muss immer wieder anpassen. Das ist nicht so einfach, da es immer eine gewisse Zeit braucht, bis die Veränderungen greifen.

Margit Klaushofer:
Dazu muss ich sagen, dass den Studienkomissionen gerne vorgeworfen wird, dass sie sehr langsam arbeiten. Allerdings gibt es gewisse Durchlauffristen, die notwendig sind, um die vollzogene Studienplanreform zu leben. Danach kann man noch überlegen, was in der Gesamtheit verbessert werden kann.

Die große Umstellung auf Bachelor und Master wurde am Institut breit diskutiert, um das Studium sehr gut aufstellen zu können und ich kann sagen, dass uns das gelungen ist. In Bezug auf Visionen, glaube ich, dass das Masterstudium noch einer Reform bedarf.

Margit KlaushoferFoto: Margit Klaushofer ©Stefan Polzer


Inwiefern?

Margit Klaushofer:
Wir müssen den veränderten Gegebenheiten im Berufsleben Rechnung tragen. Das Bachelor-Studium ist ein Grundstudium, bei dem es gilt, Fertigkeiten und Fähigkeiten zu entwickeln. Man muss allerdings sicherstellen, dass die theoretische Ausbildung nicht Überhand nimmt und die Studierenden genügend Zeit zum Reflektieren und Üben haben.

Das Masterstudium ist dafür gedacht, dass es in den Beruf hineinführen soll. Hier müssen wir uns mit den zahlreichen Opernstudios auseinandersetzen, die viele unserer Studierenden wegziehen möchten. Dabei gilt es ein eigenes Angebot zu kreieren, um unsere Leute bestmöglich ausbilden zu können.

Peter Edelmann:
Die meisten der herausragenden Studierenden, die bei uns den Bachelor gemacht haben, bekommen einen guten Job. Dann folgen die Masteraufnahmeprüfungen und wir sehen, dass sich eher schwächere SängerInnen von außen dabei präsentieren und teilweise auch aufgenommen werden müssen, um szenische Arbeit z.B. im Opernmaster überhaupt abhalten zu können. Das ist sehr schade für unsere Opernstadt Wien.


Haben sich die Studierenden also allein mit der Bachelor-Ausbildung spezialisiert und sehen somit keine Notwendigkeit eines Masterstudiums?

Peter Edelmann:
Die SängerInnen spezialisieren sich nicht. Das sind rundum ausgebildete SängerInnen, die sowohl Lieder als auch Arien singen. Spezialisierung Lied und Oper gibt es in Wahrheit nicht, das kann sich kein Sänger und keine Sängerin leisten.


Und trotzdem werden im Masterstudium die zwei Bereiche Lied/Oratorium und musikdramatische Darstellung angeboten…

Margit Klaushofer:
Das ist der Punkt, über den wir jetzt sehr intensiv nachdenken. Wenn ich davon spreche, dass wir eine Reform für das Masterstudium brauchen, dann, weil sich diese strikte Trennung zwischen Lied, Oratorium und Operngesang in keiner Weise bewährt hat. Jeder gute Opernsänger muss Lied und Oratorium singen, damit er seine Stimme weich, elastisch und gesund erhält. Für jeden Lied- und Oratoriensänger ist es ein großer Erfahrungsbereich, wenn er OpernsängerIn ist.

Peter Edelmann:
Das ist auch nicht neu. Schon Dietrich Fischer-Dieskau hat sich einen Namen in der Oper gemacht. Es ist sehr wichtig alles gemacht zu haben, wie ein Solist, der sowohl Kammermusik als auch im Orchester spielt.

Ich persönlich habe auch alles gesungen und darüber hinaus sogar einen Disney-Film synchronisiert (Gaston, Die Schöne und das Biest, Anm. der Red.). Meiner Ansicht nach singt man den Papageno anders, wenn man die Winterreise nicht kennt. Das eine braucht das andere und das ist wichtig und auch richtig. Wir müssen daran arbeiten, dass das Masterstudium eine universelle Ausbildung wird.

Claudia ViscaFoto: Claudia Visca mit Studentin ©Stefan Polzer


Claudia Visca, Sie kommen ursprünglich aus den USA und haben auch dort studiert. Gibt es tragende Unterschiede zur Ausbildung in Wien?

Claudia Visca:
Damals war der Unterschied sehr groß. Ich kam mit einem Fulbright-Stipendium nach Wien, um hier weiterzustudieren. Meine Lehrenden waren ganz toll, aber das Angebot für Postgraduate in Bezug auf Auftritte war fast nicht vorhanden. Ich hatte damals in Amerika schon dreizehn Opern auf der Bühne, fünf mit Kostüm und Orchester. Wir hatten ein eigenes Orchester und die Zusammenarbeit war sehr eng. Wir haben sehr viel über die Orchestermusiker gelernt, es war viel praxisnaher. Teilweise gab es auch Kooperationen mit anderen Instituten. Als ich nach Wien gekommen bin, war das alles ganz anders. Deswegen ist alles, was sich jetzt in Punkto Aufführungen weiterentwickelt, ganz großartig.

Peter Edelmann:
Wir werden oft um die Aufführungen im Schlosstheater Schönbrunn beneidet und es ist mir ein Anliegen dieses barocke Theater in Wien mehr publik machen. Harald Serafin war beispielsweise schon mit seiner Sendung "Serafin on tour" zu Gast und es gibt immer wieder Sendungen des ORF, die über unsere Aufführungen berichten. Mit der nächsten Produktion Falstaff möchten wir nun versuchen, alle Plätze zu füllen.

Ich muss noch anmerken, dass es als Veranstalter für amerikanische Universitäten natürlich leichter ist, da dort nicht dasselbe kulturelle Angebot herrscht wie in Wien. Dort werden vier bis fünf tolle Produktionen im Jahr mit eigenem Orchester gespielt. Das war auch mein erster Wunsch vor zwei Jahren. Wir müssen es schaffen, dass wir alle Produktionen mit eigenem Orchester spielen. Bei einer Universität wie wir sie uns erträumen oder sein wollen, wäre das der nächste Schritt.


Wie werden die institutseigenen Produktionen angenommen?

Peter Edelmann:
Gestern hat in Worms unsere Così fan tutte-Inszenierung gastiert. Organisiert wurde diese kleine Tournee von Peter Hosek, der auch die Sommeroper Schönbrunn mit uns zusammen produziert und vermarktet, aber es ist unsere Inszenierung mit unseren SängerInnen. Die Hochzeit des Figaro läuft heute in Schweinfurth, es bewegt sich also etwas. Dazu haben wir die SängerInnen für das Opening im Muth mit den Wiener Sängerknaben gestellt. Für Hänsel und Gretel für Kinder im Schlosstheater Schönbrunn mussten wir aus sechs geplanten Vorstellungen acht machen, da die Anfrage so enorm war. Uns ist sehr wichtig, das Publikum von morgen heranzuziehen – in zwei Jahren können sie zu Hänsel und Gretel in die Staatsoper gehen.


Wenn wir gerade über die jüngsten OpernbesucherInnen sprechen. Margit Klaushofer, wie ist es um den österreichischen SängerInnennachwuchs bestellt?

Margit Klaushofer:
Nachwuchsförderung ist ein sehr wichtiges Thema für mich. Durch mein erstes Studium Musikerziehung war ich von vornherein mit Kindern und Jugendlich zusammen. Bereits im Gymnasium habe ich schon einige SängerInnen entdeckt, darunter Claudio Otelli.

Ich wollte dem negativen Bild vom fehlenden inländischen Nachwuchs nachgehen und habe mich kurzerhand mit KollegInnen aus unserem Lehrendenkreis zusammengetan, um die Bundesländer zu bereisen und mir die jungen SängerInnen anzuhören. Und es stimmt nicht, dass es keinen Nachwuchs gibt. Was man sicher verbessern muss, ist die Zusammenarbeit mit den Musikschulen, hier hat es auch schon sehr fruchtbare Gespräche gegeben. Dazu muss das große Gespenst "Theorie" seinen Schrecken verlieren, denn man kann man sich sehr gut darauf vorbereiten. Prima la Musica ist auch sehr wichtig für uns. Dadurch, dass wir in der Jury sitzen, können wir den Nachwuchs schon hören und die Kinder entsprechend fördern.

Unterricht MusiktheaterFoto: Unterricht am Institut für Gesang und Musiktheater ©Stefan Polzer


Bei welchem Alter setzt die Frühförderung an?

Margit Klaushofer:
Meiner Ansicht nach ist es so, dass man Kinder immer gerne unterfordert und immer sagt, sie müssen noch warten. Wenn es eine kindgerechte Ausbildung gibt, dann ist das etwas wunderbares, denn die Kinder lernen dadurch frühzeitig mit Musik umzugehen. Es muss natürlich Stimmbildner geben, die Kinder- und Jugendstimmbildung machen und auch mit der Mutation umgehen können. Auf diesem Gebiet muss man immer wieder Fortbildungen anbieten. Besonders interessieren uns natürlich die Hochbegabten, die wir dann hier fördern können. Es gibt einen Vorbereitungslehrgang Stimmbildung, bei denen wir jungen Leuten, die für das Studium noch nicht bereit sind, die Möglichkeit geben, sich zu verbessern.


Wird das Angebot von den Jugendlichen angenommen? Ich stelle mir vor, dass es mitunter Hemmungen gibt…

Peter Edelmann:
Ja, das ist die Schwellenangst. Man muss sie einladen und ihnen die Angst nehmen, zum Beispiel mit einem Tag der offenen Tür. Unser Haus steht immer offen. Wir haben auch ständig Gäste, kürzlich hatten wir drei herausragende Sänger aus Angola zu Gast, jetzt wieder aus Dänemark und Norwegen. Junge SängerInnen kommen, um unser Institut anzusehen, denn es spricht sich herum, dass wir ein offenes Haus sind und auch, dass ÖsterreicherInnen hier gefördert werden.
Das hat einen Dominoeffekt, denn die Geförderten, beginnen selbst früher mit der Unterstützung junger Talente, sei es in Schulen oder Musikschulen.


Claudia Visca, als Lehrende am Institut blicken Sie auf zahlreiche erfolgreiche AbsolventInnen zurück. Was ist Ihr Geheimnis?

Claudia Visca:
Für mich ist es wichtig, dass die Studierenden viel hören – Kammermusik, Liederabende, Oper... Sie müssen viel mitnehmen, auch von der Kultur in Wien, Schuberts Geburtshaus, dem Mozart-Haus, etc... Diese Vielfalt ist wichtig.

Neu ist – und das war schon immer ein Traum von mir –, dass jeder ausländische Studierende einen Botschafter anschreibt. Wir bieten Konzerte an, die einen Teil österreichischer Literatur und einen Teil aus dem jeweiligen Land beinhalten. So hat jeder einen kleinen Flyer von sich und die Botschafter haben ein Konzertprogramm, für die Gäste aus dem eigenen Land. Das hat bis jetzt gut funktioniert. Dadurch entsteht eine Möglichkeit aufzutreten und mit dem eigenen Land in Kontakt zu kommen. Vielleicht wäre das auch eine Idee für andere MusikerInnen der mdw, um fächerübergreifend zusammenzuarbeiten und gemeinsam aufzutreten. Nicht zu vergessen, dass sie von mir natürlich eine ausgezeichnete Technik erlernen (lacht).

Peter Edelmann:
Ich habe vor einem Jahr das Fach Styling – Farbberatung und Typanalyse, mit Ratschlägen für Kleidung und Make-up bei Vorsingen und im Konzert – für Männer und Frauen eingeführt. Das ist sehr wichtig. Man muss aber die Mitte finden, man darf das Image nicht zu sehr nach außen kehren, sonst übertönt es das Können.

Claudia Visca:
Meine Studentin Aida Garifullina beispielsweise, die jetzt an der Staatsoper engagiert ist, kann sich sehr gut in Szene setzen. Noch bevor sie Operalia gewonnen hat, ist sie bereits als Susanna und Adina im Mariinski Theater in St. Petersburg aufgetreten. Obwohl sie bei mir klassischen Gesang studiert hat, hat sie sich sehr für Cross-Over interessiert.

Derzeit ist sie mit Andrea Bocelli auf Tournee in den USA und nächstes Jahr wird sie im Film Florence Foster Jenkins mit Meryl Streep als Opernsängerin Lily Pons zu sehen sein. Sie besitzt also diese Vielseitigkeit. Ich unterrichte sie auch immer noch, nicht jede Woche, aber regelmäßig. Sie versucht immer noch an sich zu arbeiten. Das ist sehr beeindruckend, denn viele denken ab einem gewissen Punkt, dass sie nichts mehr lernen müssen.

Haensel und GretelFoto: Hänsel und Gretel ©mdw


Seit 2013 wird das Schlosstheater Schönbrunn im Sommer bespielt. Wie kam es zu dieser Entwicklung? Was steht heuer am Programm?

Peter Edelmann:
Die Sommerbespielung war eine Initiative von Karlheinz Hanser. Ich finde es sehr wichtig, dass es in der vorlesungsfreien Zeit auch ein Angebot für die Studierenden gibt, denn hier herrschen Profibedingungen – ebenso wie im Schlosstheater Schönbrunn. Falstaff wurde im Februar unter eben solchen Bedingungen probiert.

Dazu wird unser Betrieb durch das Auslagern etwas entlastet und die Studierenden können sich ausschließlich auf die Proben konzentrieren, denn es gibt keinen Unterricht. Dadurch gibt es keine Kollision mit dem Unterricht. Unsere Studierenden sollen auf der Bühne stehen und ihre Rollen singen, dafür ist die Sommerbespielung wunderbar. Wir haben zum Beispiel die Fledermaus mit drei Besetzungen gemacht. Dabei waren dreißig Leute auf der Bühne und haben ihre Rollen abgesungen. Und nicht nur einmal oder zweimal, denn da lernt man zu wenig. Sondern vier bis fünf mal. Dazu haben die Studierenden auch ein kleines Honorar bekommen.

In diesem Sommer planen wir Don Giovanni – zuvor am 2. und 9. April im Stadttheater Baden zu sehen. Das ist ein größeres Haus im Vergleich zum Schlosstheater, das wird eine tolle Erfahrung. Es gibt zwei Besetzungen mit insgesamt zehn Terminen, das ist eine wunderbare Sache, denn dadurch bekommen die Studierenden die Chance, sich auszuprobieren und die Produktionen werten letztendlich auch das Masterstudium Gesang auf.

Ich bin sehr stolz auf die letzten Entwicklungen und wirklich froh diesem Institut vorzustehen, denn unser Team und unsere MitarbeiterInnen sind fantastisch.


Interview: Susanne Gradl

Das Interview ist in der Kunsträume Ausgabe #1-2016 erschienen.