KOLLEKTIVE FILMISCHE PRAXEN ALS WISSENSPRODUKTION? PRECARIAS A LA DERIVA UND SCUOLA SENZA FINE

Julia Tirler

Seit 2002 organisiert das feministische Kollektiv Precarias a la deriva (Prekäre Umherschweifende) wöchentliche derivas (Streifzüge) in Madrid, bei der eine wechselnde Gruppe von Frauen die Orte aufsucht, die für ihre prekären Arbeits- und Lebenssituationen zentral sind. 2003 veröffentlicht das Kollektiv das Video A la deriva por los circuitos de la precariedad femenina (Streifzüge durch die Kreisläufe feminisierter prekärer Arbeit), das ausgehend von den derivas feminisierte prekäre Arbeit in Spanien thematisiert. Zwischen 1979 und 1981 dreht die Filmemacherin Adriana Monti in Mailand Scuola senza fine (Schule ohne Ende) in einem kollaborativen Prozess mit nicht-erwerbstätigen Frauen, die 1976 in von Gewerkschaftsseite durchgesetzten Kursen ihren Sekundärschulabschluss machen und nach dem Ende des Kursprogramms die Kurse selbstorganisiert weiterführen. Ausgehend von der Annahme, dass kollektive Filmpraxen besondere Formen der Erkenntnis hervorbringen und unter Einbezug von in intersektional-feministischen Theorien und Praxen formulierter Kritik an Kollektivitätsvorstellungen, wird anhand von zwei Beispielen der Frage nachgegangen, wie filmische Praxen zu kollektiver Wissensproduktion werden und ob sie, eingedenk unterschiedlicher Positionierungen an den Kreuzungspunkten von Macht- und Privilegierungsverhältnissen emanzipatorische Interventionen in gegebene Verhältnisse sein können.

Julia Tirler, Mag.ª, M.A., Kulturwissenschaftlerin und Autorin. Studium der Kunstgeschichte, Romanistik sowie Kunst- und Kulturwissenschaften in Innsbruck, Wien und Siena. Forscht theoretisch und praktisch zu prekärer Arbeit, Arbeitskämpfen, intersektionalen Feminismen und kollektiven Praxen. Lebt und arbeitet meistens in Wien