Pathos in der Krise: Beethoven-Feiern 1870 in Deutschland und Österreich

Barbara Boisits

 

Überschattet vom deutsch-französischen Krieg fand in großen, aber auch kleineren Städten des deutschen Sprachraums eine Reihe von Beethoven-Feiern statt, die in der Regel auch das Ziel hatten, die jeweilige künstlerische Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Geprägt von wechselseitigen Aushilfen ebenso wie von direkter Konkurrenz bemühte man sich um eine Programmgestaltung, die sowohl dem Jubilar als auch den Veranstaltern zur Ehre gereichen sollte. Die Ergebnisse waren in repräsentativer, künstlerischer und finanzieller Hinsicht durchaus gemischt und erfüllten oft nicht die hohen Erwartungen in einer nationalpolitisch sensiblen Zeit. Vier Jahre nach der Schlacht von Königgrätz war Österreich noch immer dabei, sein Verhältnis zu Deutschland neu zu definieren, Deutschland wiederum befand sich in der Endphase des „nation-building“. In beiden Fällen schien nun Beethoven geeignet, die künstlerisch-pathetische Umsetzung der entsprechenden politischen Botschaften zu gewährleisten, was mitunter gründlich misslang. Der Vortrag versteht sich als Beitrag zu einer kritischen Gedächtnisforschung, die auch die Ambivalenzen und konkurrierenden Sinnzuschreibungen sowie das Scheitern monumental-heroischer „Gedächtnisorte“ in den Blick nimmt.

 

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