AG 1 Antifeminismus als gesellschaftsspaltendes Krisenphänomen

Mi 26.9.2018 | 11:30 – 13:00

Raum A

 

Denise Bergold-Caldwell & Juliane Lang (REVERSE Projekt, Philipps-Universität Marburg) Barbara Grubner (REVERSE Projekt, Philipps-Universität Marburg und Universität Wien) Judith Götz (Universität Wien) Fabienne Amlinger (Universität Bern) Franziska Schutzbach (Universität Basel und TU Berlin) Stefanie Mayer (FH Campus Wien)

Angesichts einer als krisenhaft wahrgenommenen Modernisierung der Geschlechterverhältnisse formiert sich in Deutschland ein breites Spektrum unterschiedlicher Akteur*innen gegen staatliche Gleichstellungspolitiken, Genderforschung und geschlechterpolitische Liberalisierungsdiskurse. Diese antifeministischen Diskurse, Haltungen und Strategien sind in einem größeren Zusammenhang zu betrachten: Im Spektrum finden sich Argumentationsfiguren, die sich nicht nur gegen diversifizierte Geschlechterpolitiken stellen, sondern sie transportieren auch nationalistisch orientierte Konzepte der Bevölkerungspolitik (vgl. Scheele 2016) die migrationsfeindlich und rassistisch sind. Obwohl dem modernen Antifeminismus eher daran gelegen ist, sich nicht generell gegen „Feminismus und der Idee von Gleichheit“ (vgl. Hark/Villa 2017: 90) in Stellung zu bringen, sondern diese an manchen Stellen sogar als Werte des säkularen Europas präsentieren (vgl. Dietze 2017), artikulieren sich massive Gegenreaktionen auf gesellschaftliche Maßnahmen zum Abbau von Ungleichheit in den Geschlechterverhältnissen, auf den Anspruch auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung, sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Selbst-Verortung.

Mit dem Erstarken der neuen Rechten erweist sich Antifeminismus nicht nur in Deutschland sondern auch europaweit (vgl. z.B. Aghdgomelashvili 2015, Kováts/Põim 2015) als Themenkomplex mit relativ hohem Mobilisierungs- und Radikalisierungspotenzial. Nicht nur die Erfolge rechter Strömungen verweisen darauf, sondern auch Mobilisierungen im Spektrum ‚Besorgter Eltern’ und religiös-fundamentalistischer Haltungen. Dort, wo Pluralität und die Anerkennung von Verschiedenheit geltend gemacht werden und sich dies (zum Beispiel über Sprachregelungen oder Gesetzgebung) auch politisch wiederspiegelt, formiert sich eine akzentuierte Gegner*innenschaft, die teilweise bereits institutionell verankert ist.

In der Arbeitsgruppe wollen wir kurz die verschiedenen Fallstudien und thematischen Schwerpunkte des in Deutschland ansässigen, BMBF geförderten REVERSE Projekts zu „Antifeminismus als gesellschaftsspaltendes Krisenphänomen“ vorstellen.  Anhand der thematischen Schwerpunkte und darüber hinaus wollen wir erarbeiten, wie sich die Problematik im Vergleich der drei Länder (Österreich, Schweiz, Deutschland) darstellt. Wir wollen diskutieren, welche verschiedenen Auswirkungen antifeministische Diskurse in den drei Ländern haben und gemeinsame Formen der Information, Gegenreaktion, Verbündung überlegen. Wir erhoffen uns eine offene, moderierte Diskussion die daran interessiert ist, die Ergebnisse des Austausches festzuhalten, so dass sie für weitere Projekte und Auseinandersetzungen genutzt werden können.

Literatur

Aghdgomelashvili, Ekaterine et al. (2015): Anti-Gender Movements on the Rise? Strategizing for Gender Equality in Central and Eastern Europe. Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung (www.boell.de/sites/default/files/2015-04-anti-gender-movements-on-the-rise.pdf, letzter Zugriff: 02.06.18)

Dietze, Gabriele (2017): Sexualpolitik: Verflechtungen von Gender und Race. Campus Verlag, Frankfurt 

Hark, Sabine (2017): Unterscheiden und herrschen: ein Essay zu den ambivalenten Verflechtungen von Rassismus, Sexismus und Feminismus in der Gegenwart. Herausgegeben von Paula-Irene Villa. X-TEXTE zu Kultur und Gesellschaft. Bielefeld: transcript

Kováts, Eszter/Põim, Maari (Hg.) (2015): Gender as symbolic glue. The position and role of conservative and far right parties in the anti-gender mobilizations in Europe. Budapest: Foundation for European Progressive Studies/Friedrich-Ebert-Stiftung (http://library.fes.de/pdf-files/bueros/budapest/11382.pdf, letzter Zugriff: 02.06.18)

Scheele, Sebastian (2016): „Von Antifeminismus zu ‚Anti-Genderismus‘? Eine diskursive Verschiebung und ihre Hintergründe“. Keynote gehalten auf der Tagung „Gegner*innenaufklärung – Informationen und Analysen zu Anti- Feminismus“, Gunda-Werner Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin, 31. Mai 2016