Sie war die erste Professorin der mdw sowie Inspiratorin von spiel|mach|t|raum im Studienjahr 2018/19.

Schubertabend
„Ein Schubertabend in einem Wiener Bürgerhaus“ von Julius Schmid (1897) (v. l. n. r) Katharina Fröhlich, die Schauspielerin und Sängerin Sophie Müller (stehend), Anna Fröhlich (etwas verdeckt), Barbara Fröhlich, Franz Schubert am Klavier, Josefine Fröhlich (mit den Noten in der Hand) ©Wikimedia Commons

Am 17. Jänner 2019 feiern wir eine Matinee für Anna Fröhlich. Sie war die erste Professorin der mdw, wirkte als Gesangslehrerin von 1819 bis ins Jahr 1854. Wer war sie? Wie ist ihr Wirkungsfeld im Kontext des bürgerlichen Zeitalters einzustufen? Die heutige Bezeichnung „Professorin“ sucht man in Verbindung mit Anna Fröhlich allerdings vergeblich. Tatsache ist, dass Fröhlich nicht nur damals als erste „Gesangslehrerin“ angestellt wurde, sondern überhaupt die erste und lange einzige weibliche Lehrkraft am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates war. Die Singschule war im Jahr 1817 gegründet, das Konservatorium mit ersten Instrumentalklassen 1819 eröffnet worden. Die von Anna Fröhlich geleitete und 1819 eingeführte Gesangsklasse für Mädchen war für die bereits fortgeschrittenen Schülerinnen bestimmt.

Warum aber war die Wahl auf Anna Fröhlich gefallen? Sie war vor allem bereits seit 1812 – dem Gründungsjahr der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien – im Rahmen der musikalischen Veranstaltungen und als private Gesangslehrerin für Mädchen für die Gesellschaft tätig gewesen. So stand sie bereits in Kontakt mit den maßgeblich handelnden (männlichen) Personen der Gesellschaft (darunter Joseph Sonnleithner und Raphael Georg Kiesewetter). Im Hause Kiesewetter, wo regelmäßig historische Konzerte stattfanden, zählte Anna Fröhlich nicht nur zu den Mitwirkenden, sondern teilweise übernahm sie bei den dortigen Zusammenkünften Leitungsfunktionen. Auch als Pianistin hatte sie sich bei den „Abendunterhaltungen“ der Gesellschaft der Musikfreunde bereits bewährt – z. T. auch als Liedbegleiterin. Wie auch ihre Schwestern, trat sie wiederholt als Sängerin in Erscheinung. Anna, oft auch Nanette, Netti oder Nettl, schließlich „Fräulein“ oder „Demoiselle“ Fröhlich genannt, war die älteste der vier in Wien lebenden Schwestern Fröhlich, die im Wiener Kulturleben omnipräsent waren und es entscheidend prägten.
spiel|mach|t|raum ist ein virtueller Frauen*geschichte-Speicher der mdw, der 2017 anlässlich von 200 Jahren mdw online gegangen ist, um die wenigen Frauen*, die an dieser ehrwürdigen Kulturinstitution des Landes an vorderster Stelle mitwirken durften, vorzustellen, sie ins Kunstgedächtnis der Stadt/des Staates zurückzuholen.

Franziska Vögle Itzig, verheiratete Fanny von Arnstein (1758–1818) war im Studienjahr 2017/18 die erste Inspiratorin des Frauen*geschichtsspeichers der mdw und Anna Fröhlich (1793–1880) folgt als zweite Inspiratorin für das Studienjahr 2018/19. 2019 werden es 200 Jahre sein, dass Anna Fröhlich ihre Stelle als „Gesangslehrerin“ für Mädchen am eben neu gegründeten Konservatorium angetreten hatte. Am Beispiel Anna Fröhlichs lassen sich einige geschlechterpolitisch spezifische Facetten ihres Lebens und Wirkens diskutieren, die zu weiterführenden und bis in die Gegenwart reichenden Fragen führen. Nur zwei Aspekte seien hier kurz angedeutet.

Gender-Pay-Gap?

Von den vier Schwestern Fröhlich waren drei nicht verheiratet, was im Biedermeier (1815–1848), der Zeit des Metternichschen Polizeistaates, für bürgerliche Frauen tatsächlich bemerkenswert war, weil sich die Frage aufdrängt, wovon unverheiratete bürgerliche Frauen damals überhaupt gelebt haben konnten – von einem Erbe, ungenannten Gönnern oder vom eigenen Erwerb? Letzteres war für bürgerliche Frauen – Arbeiterinnen hatten ja gar keine Wahl – zwar nicht vorgesehen, aber im Falle der Schwestern Fröhlich war es offensichtlich eine Notwendigkeit. Die beiden Sängerinnen, Anna und ihre jüngste Schwester Josefine, verdienten nämlich das Familieneinkommen durch ihre Unterrichtstätigkeit, während Katharina, selbst auch Pianistin und Liedbegleiterin, als „ewige Braut Grillparzers“ den Haushalt übernahm. Barbara, die zweitälteste, war mit dem Musiker und Lehrer am Konservatorium Ferdinand Bogner verheiratet, sie wohnte nicht mehr im selben Haushalt und war als Malerin tätig. In diesen 30 bis 60 Jahren nach der Französischen Revolution und in den Jahrzehnten nach dem Wiener Kongress waren das Kunst- und Kulturleben stark von der Zensur eingeschränkt und das Alltagsleben schließlich von den Unruhen rund um das Revolutionsjahr 1848 geprägt. Auch Anna Fröhlichs Anstellung erfuhr dadurch eine Unterbrechung – war doch das Konservatorium von 1848 bis 1851 geschlossen worden. Anna Fröhlichs Karriereverlauf war insgesamt geprägt von einem unermüdlichen Einsatz für ihre Schülerinnen wie auch von der Weiterentwicklung des Gesangsunterrichts, insbesondere des Liedgesangs, verbunden auch mit der Bereitschaft unentgeltlich zu arbeiten. Dass es zum Leben und Wirken von bürgerlichen Frauen gehörte, unbezahlt gemeinnützige Leistungen zu erbringen, zählte und zählt zu den Selbstverständlichkeiten einer bürgerlichen Geschlechterordnung. Hinzu kommt, dass eine von Frauen selbst gewählte oder notwendig gewordene Erwerbstätigkeit keineswegs automatisch zur selben Entlohnung führte wie sie für ihre männlichen Zeitgenossen für dieselbe Arbeit vorgesehen war. Auch Anna Fröhlich war von dieser Ungleichbehandlung betroffen, denn es deutet alles darauf hin, dass ihr Anfangsgehalt unverändert blieb, während ihre Konservatoriums-Kollegen schon nach wenigen Jahren mit Gehaltserhöhungen belohnt wurden (vgl. Carl Ferdinand Pohl, Die Gesellschaft der Musikfreunde des Österreichischen Kaiserstaates und ihr Conservatorium, Wien 1871, S. 38).

Abhängigkeit von Männern?

Anders als viele ihrer (bürgerlichen) Zeitgenossinnen war Anna Fröhlich nicht von einem Ehemann abhängig. Fast nie jedoch wurden und werden die Schwestern Fröhlich ohne zwei sehr berühmte Männer ihres Umfeldes genannt: Franz Schubert und Franz Grillparzer. Der bereits zeitgenössische Bekanntheitsgrad der Fröhlich-Schwestern beruht jedoch keineswegs alleine auf der vielfach dokumentierten Freundschaft zu Schubert und Grillparzer, sondern hängt nicht zuletzt mit dem energievollen Einsatz der Schwestern Fröhlich zusammen, ihre jeweilige Wohnung als einen Ort der Geselligkeit bereitzustellen, an dem man(n) und frau zum Musizieren, zum gedanklichen Austausch und auch zur Unterhaltung zusammenkam. Sie agierten damit ähnlich gestalterisch kreativ wie viele andere bürgerliche (Ehe-)Frauen im damaligen Wien.

Wodurch zeichnete sich jedoch das Haus Fröhlich aus? Es zeigt sich, dass die genannten „berühmten“ Männer gerade im Haus Fröhlich wesentliche Impulse für ihr Schaffen erhielten. Dort erklang das eine oder andere Schubert-Lied (im Beisein des Komponisten) zum ersten Mal und Anna Fröhlich gab bei Franz Schubert mehrstimmige Lieder, speziell für ihre Schülerinnen bestimmt, in Auftrag. Neben Schubert war auch Franz Grillparzer einer der häufigsten Gäste im Hause Fröhlich, bis er 1849 in die Wohnung der Schwestern in der Spiegelgasse als „Zimmerherr“ einzog, wo er sich immer wieder mit Anna Fröhlich zum Vierhändigspiel ans Klavier setzte. Für die Aufrechterhaltung der Erinnerung an die beiden herausragenden Künstler Schubert und Grillparzer setzte sich Anna Fröhlich überaus tatkräftig – heute würden wir sagen als Initiatorin wie auch Sponsorin – ein.

So ist in der Beziehung Anna Fröhlichs zu Franz Schubert und Franz Grillparzer eine „Win-win-Situation“ zu erkennen, eine „Abhängigkeit“, in der das kreative und künstlerische Potenzial der Demoiselle Fröhlich klar erkennbar ist, so wie diese spezifische Situation gleichzeitig auch dokumentiert, was eine „Lehrerin“, eine Professorin für Gesang am Konservatorium gewesen ist: einerseits verantwortlich für den weiblichen Gesangsnachwuchs und andererseits Förderin von männlichen „Genies“. – Hat sich die Situation heute gravierend verändert?

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