European Voices I

 

Vokale Mehrstimmigkeit
auf dem Balkan und im Mittelmeerraum

Die Mehrstimmigkeit stellt eines der reizvollsten Phänomene in der europäischen Volksmusik dar. Sie ist deshalb seit langem ein bevorzugter Forschungsgegenstand, besonders im nationalen Rahmen. Regionale Studien, die über die politischen Grenzen hinweg gehen, sind jedoch selten und sporadisch. Die regionalen und die politischen Grenzen in Europa sind aber in der Regel nicht dieselben. Daher ergibt sich ein großer und bis jetzt nur ansatzweise erforschter Bereich europäischer Volksmusik. Die Grün-dung eines „Forschungszentrums europäischer Mehrstimmigkeit“ in Form eines inter-nationalen Netzwerkes von Spezialisten scheint deshalb gerade in einer Zeit der Suche nach Merkmalen europäischer Identität mehr als notwendig geworden zu sein.

Die gründliche Untersuchung der vielfältigen Charakteristika europäischer mehrstimmiger Musik, kann auf Grund der großen Vielfalt nur durch Konzentration auf bestimmte Themen und Gebiete erfolgen. Demgemäß wird der erste Schritt den Besonderheiten vokaler Mehrstimmigkeit auf dem Balkan und im Mittelmeerraum gelten. Der Untersuchung des Umganges der VolkssängerInnen mit Zeit, Raum, Improvisation, Klang, Stimme (im physikalischen und musikalischen Sinn) usw. sowie dem Vergleich mit der geistlichen Musik und mit der Kunstmusik in Europa in geschichtlicher Perspektive und im gegenwärtigen Kontext kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Die zu erwartenden neuen Erkenntnisse könnten zur Neubewertung vieler Aspekte der Geschichte europäischer mehrstimmiger Musik führen.