Workshop mit Harald LILLMEYER, Augsburg



NEUE MUSIK FÜR GITARRE – von Scelsi bis Riehm und darüber hinaus


Donnerstag, 4. Mai 2006, 9.30 Uhr – 13.00 Uhr und 14.30 Uhr - 18.00 Uhr
Neuer Konzertsaal am Rennweg, 1030 Wien, Rennweg 8

Harald Lillmeyer studierte Gitarre in Essen und Wien (Karl Scheit), sowie Neue Musik in Karlsruhe. Er ist seit vielen Jahren ein viel beschäftigter Interpret Neuer Musik, sowohl als Solist, als auch als Kammer- und Orchestermusiker, spielt u.a. in den Symphonieorchestern des Südwestdeutschen und des Bayrischen Rundfunks und mit dem „ensemble recherche“. Von seinen eigenen Projekten hat vor allem das Elektro-Gitarren-Quintett „GO GUITARS“ international Beachtung gefunden. Mitte der 80er Jahre ließ er mit der ersten Gesamtaufführung von Giacinto Scelsis „Ko-Tha aufhorchen, die Gitarrenmusik von Rolf Riehm hat er zusammen mit Susanne Hilker in den 90er Jahren auf einer viel gelobten CD veröffentlicht. Lillmeyer ist Dozent für Gitarre, Kammermusik und Neue Musik am Richard-Strauss-Konservatorium München und machte sich als Lehrer auch um die Vermittlung Neuer Musik im Unterricht verdient.

Ich kenne Lillmeyer seit 20 Jahren, als er beim Festival Aspekte Salzburg einen Soloabend mit Giacinto Scelsis Ko-Tha und Christian Wolffs For 1,2 or 3 people gab.
Seither hat er viel gemacht, hat einerseits bei unserem letztjährigen Workshop-Gast Wilhelm Bruck, über den der Kontakt auch angebahnt werden konnte, in Karlsruhe studiert, hat andererseits mit Kollegen und ehemaligen Studenten ein Elektrogitarren-Quintett gegründet, GO-Guitars, und ist heute neben verschiedenen Verpflichtungen in Spezialensembles für Neue Musik und Orchestern Dozent für Gitarre am Richard Strauss Konservatorium in München. Dieses wird übrigens, wie Lillmeyer auch berichtete, demnächst mit der Münchner Musikhochschule fusioniert werden, da die Stadt München das renommierte Haus nicht mehr erhalten kann. Die Angst um Arbeitsplätze geht um.

Was mich an Lillmeyer schon in seinem Konzert vor 20 Jahren faszinierte, war und ist die Klarheit, ja Radikalität, mit der er sich der Musik widmet, die ihm wichtig und bedeutend erscheint. In den 80er Jahren war er der erste Gitarrist, der Scelsis Ko.Tha zur Gänze aufführte, ein Stück für Gitarre zwar, jedoch grundsätzlich und zur Gänze perkussiv konzipiert, mit einem robusten Instrument, das, über die Knie gelegt, mit einer an die subtile indische Tabla-Spieltechnik angelehnten Weise auf unterschiedlichste Arten zum Klingen gebracht wird, wobei der Klang der leeren, nie gegriffenen Saiten nur ein Aspekt von vielen ist. Besonders eindrucksvoll ist auch die zusammen mit Susanne Hilker in den 90er Jahren eingespielte CD mit den Gitarresolo- und -duowerken von Rolf Riehm, mit großer Sorgfalt, Wissen und hoher Musikalität präsentiert.
Das waren meine zwei Anknüpfungspunkte für eine Einladung zu einem Workshop, in dem es natürlich neben diesen Werken auch um generelle Themen wie Vermittlung Neuer Musik im Unterricht und Präsenz Neuer Musik in der Ausbildung überhaupt gehen sollte.

Ein kleines, sehr interessiertes gut zehnköpfiges Publikum, darunter an Lehrenden auch Achmed Baluch aus der Singerstrasse und Heinz Wallisch von der Privatuniversität Johannesgasse – alte Bekannte aus Lillmeyers Wiener Studienzeit - , hörten seinen Ausführungen zu, diskutierten mit ihm und spielten ihm auch vor, teils um Stücke von Rolf Riehm, über die Lillmeyer u.a. referierte, auch hörbar zu machen, teils um sich für bevorstehende Prüfungen noch Tipps und Segen zu holen.
Lillmeyers unprätentiöse Art kam beim Publikum nicht nur gut an, sondern vermittelte auch deutlich, wie selbstverständlich und notwendig die Beschäftigung mit Musik unserer Zeit ist – für Studierende, Unterrichtende und professionelle Musiker gleichermaßen. Dass sich die Auseinandersetzung mit Musik vergangener Zeiten und mit der unserer Zeit gegenseitig befruchten, liegt auf der Hand.
Besondere Beachtung fand unter den Studierenden Lillmeyers elektrisches Gitarrenquintett GO-Guitars. Die elektrische Gitarre wurde einerseits schon früh, um 1960, in der Musik der Avantgarde verwendet, meist allerdings als lautere Schwester der zu leisen akustischen Gitarre, allerdings wurde erst in jüngerer Zeit, mit Olga Neuwirth, Bernhard Lang oder Frederik Zeller, das Bewusstsein von der Eigenständigkeit dieses Instruments entwickelt. Heute ist die elektrische Gitarre nicht nur das Instrument von Pop, Rock und Jazz, sondern auch facettenreiches Vehikel klanglicher Experimente über alle Grenzen musikalischer Sparten hinweg.

Der Wunsch, Harald Lillmeyer wieder an unsere Universität einzuladen, dann auf jeden Fall mit einem speziellen pädagogischen bzw. didaktischen Thema und wenn möglich in größerem Kreis, war am Ende des Tages ein allgemeiner. Wir werden zu gegebener Zeit darauf zurückkommen und danken dem Hellmesberger Institut und seinem Leiter, Herrn Prof. Wolfgang Aichinger, dafür, dass er diesen Workshop, von dem eine ganze Reihe von Impulsen ausgingen, möglich machte.

(Univ.-Prof. Dr. Gunter Schneider)