LC # 87  |  Dezember 2023

Georg Friedrich Haas

 

CC-BY-SA 4.0Der 1953 in Graz geborene Georg Friedrich Haas gilt als Vertreter der so genannten Spektralmusik. Ziel der Spektralmusik ist es, vereinfacht gesagt, von außermusikalischen Einflüssen zurück zum (reinen) Klang zu gelangen. Haas‘ Werke zeichnen sich vor allem durch klangliche Experimente aus, die oft auf ein Aufbrechen des zwölftönigen Systems zur intensiven Nutzung der Mikrointervallik und Panchromatik sowie spezieller Obertonreihen zurückgehen. Seine Ästhetik ist von der Überzeugung getragen, Musik vermöge "Emotionen und seelische Zustände von Menschen so zu formulieren, daß sie auch von anderen Menschen als die ihren angenommen werden können". So hat Haas mit dem Intellektualismus mancher Strömungen der zeitgenössischen Musik (z. B. des Dekonstruktivismus) gebrochen. Viele seiner Kompositionen kreisen um die thematischen Pole "Nacht", "Fremde" und "Romantik". Haas arbeitet mit zum Teil stark repetitiven Verläufen. Das italienische Fachmagazin für klassische Musik, Classic Voice, hat den Österreicher zum besten lebenden Komponisten und sein Werk "in vain" zur „beeindruckendsten Komposition des 21. Jahrhunderts“ gekürt.

Verheiratet ist Haas mit der US-amerikanischen Schriftstellerin, Sexualpädagogin und BDSM-Performerin Mollena Lee Williams-Haas. Ein dokumentarischer Spielfilm beleuchtet ihr gemeinsames Leben.

Wir von der ub.mdw freuen uns sehr, dass wir nun als erste und bis jetzt einzige österreichische Bibliothek die Noten seiner beiden Werke "Bluthaus" und "Thomas" in unsere Bestände aufnehmen konnten. Zudem bieten wir auch eine große Anzahl weiterer Noten, Bücher und Tonträger des mittlerweile 70jährigen Komponisten.

 

LC # 86  |  November 2023

Die Opera buffa in Europa: Verbreitungs- und Transformationsprozesse einer neuen Gattung (1740-1765)

 

Die Etablierung der Opera buffa veränderte die Opernlandschaft des 18. Jahrhunderts maßgeblich. Sie stellte einen inhaltlichen Kontrapunkt zur höfisch geprägten Opera seria dar und löste diese zunehmend in den Spielplänen ab. Wie aber ging die europaweite Verbreitung der komischen italienischen Oper vor sich? Wo konnte sie sich rascher etablieren und wer waren die zentralen Akteurinnen und Akteure? Welche Rolle spielten mobile Operntruppen und wie verhielten sich die Höfe zu dem neuen Genre?

Erstmals nehmen die Autorinnen Andrea Zedler, Lena van der Hoven und Kordula Knaus in einer systematischen Analyse der Opera buffa in Europa Migration, Mobilität, Netzwerke und Transformationsprozesse zwischen 1740 und 1765 in den Blick.

In diesem Werk, das die ub.mdw vor Kurzem als Open Access-Buch in seine Online-Bestände aufgenommen hat, wird übrigens auch auf eine Datenbank verwiesen, die durch das dazugehörige Projekt realisiert wurde. Es handelt sich hiebei um eine Auflistung und Visualisierung der Verbreitung der Opera buffa und ihren Aufführungen in Europa zwischen 1740 und 1765.

Nicht zuletzt diese Visualisierung auf einer Landkarte lädt zur näheren (und ausgiebigen) Betrachtung ein.

Zu den Autorinnen:

Andrea Zedler ist im DFG-Transferprojekt „Materialität und ästhetische Transformation. Die Festa teatrale L'Huomo auf der Bayreuther Opernbühne“ an der Universität Bayreuth tätig. Sie studierte Musikwissenschaft an der Universität Graz sowie an der Università di Pavia. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Musikgeschichte der Frühen Neuzeit, Kulturtransfer- und Reiseforschung sowie Text- und Musikeditionen.

Lena van der Hoven ist Assistenzprofessorin für Musikwissenschaft an der Universität Bern. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Hofmusik im 18. Jahrhundert, Oper und Musiktheater in Südafrika nach 1994 sowie digitale und audio-visuelle Medien in Opern und Musiktheaterkompositionen. Sie beschäftigt sich darüber hinaus mit Themenkomplexen zu Musik, Politik und Gesellschaft sowie transkulturellem und globalem Musiktheater.

Kordula Knaus ist Professorin für Musikwissenschaft an der Universität Bayreuth. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen u.a. im Bereich der Barockmusik und der Musikkultur um 1900. Sie beschäftigt sich mit Fragen von Philologie und Performativität, Netzwerken, Mobilität und sozialhistorischen Aspekten der Musik sowie Gender und Intersektionalität.

 

LC # 85  |  Oktober 2023

Alles neu machte der August!

Neue Ordnung im Freihandbereich Noten.

Die Gruppe KE.3:*T*: (Gemischte/variable Besetzung mit 2 Instrumenten und Tasteninstrument) wurde reorganisiert. Aus dieser Gruppe wurden sämtliche Noten, welche für 2 gleiche Instrumente und Tasteninstrument sind, in den "lila Raum" zu den jeweiligen Instrumenten transferiert. Auch aus den Gruppen KE.4 bis KE.9 (Gemischte/variable Besetzung ohne Tasteninstrument) wurden jene Noten, welche für gleiche Instrumente und Tasteninstrument gelten, in den "lila Raum" gebracht.

Zudem haben wir Noten für einige häufige Trio-Besetzungen nun separat aufgestellt:

  • Trios für Flöte, Oboe und Tasteninstrument
  • Trios für Flöte, Klarinette und Tasteninstrument
  • Trios für Oboe, Fagott und Tasteninstrument
  • Trios für Klarinette, Fagott und Tasteninstrument
  • Trios für Flöte, Violine und Tasteninstrument
  • Trios für Flöte, Viola und Tasteninstrument
  • Trios für Flöte, Violoncello und Tasteninstrument
  • Trios für Klarinette, Violine und Tasteninstrument
  • Trios für Klarinette, Viola und Tasteninstrument
  • Trios für Klarinette, Violoncello und Tasteninstrument
  • Trios für Violine, Viola und Tasteninstrument
  • Trios für Violine, Viola da gamba und Tasteninstrument

Die Beschriftungen auf den Seitenwänden der Regale wurden ebenfalls überarbeitet. Unserem Anspruch der Internationalität Rechnung tragend und angesichts der Tatsache, dass unsere Studierenden eben nicht durchwegs deutsch sprechen, wurden die Informationen zusätzlich in englischer Sprache angebracht.

Schmökern Sie doch einmal rein!

 

LC # 84  |  Juni 2023

Bibliotheksmusik

... in der Musikbibliothek

Wie klingt eine Bibliothek? Eine Musikbibliothek zumal?

Im Laufe der mehr als hundertjährigen Sammlungsgeschichte der ub.mdw sind mehr als 150.000 Notenbände in unterschiedlichen Ausgabeformen in den Bestand eingegangen – von Einzelausgaben musikalischer Stücke über Arrangements, Auszüge, Sammelbände, Faksimile- und Denkmäler-Editionen bis hin zu Songbooks und Fakebooks. Die musikalischen Richtungen und Ausprägungen reichen dabei weit über den etablierten Werkekanon des gängigen Konzertgeschehens hinaus.

Doch wie kann all das zum Klingen gebracht werden?
Im Sommersemester 2023 fand erstmals die Lehrveranstaltung Bibliotheksmusik / Musikbibliothek statt. Studierende und Lehrende durchstreiften die Bibliothek nach jedweder Musik mit dem Ziel, vor allem das jeweils eigene Repertoire auszuweiten und sich auch in entlegene und unbekannte Bereiche vorzuwagen sowie die vielen unterschiedlichen Formen kennenzulernen, in denen gedruckte Musik erscheinen kann.
Aus den reichlich zusammengetragenen Noten wurde ein Programm für unterschiedliche Besetzungen erarbeitet.
Das besondere an dieser Lehrveranstaltung: neben künstlerischen Lehrenden, die die Einstudierung des musikalischen Programms betreut haben, wurde die LV auch musikwissenschaftlich begleitet und so auch das musikalische Wissen vertieft.

Und wie klingt das nun?

Abschlusskonzert der LV Bibliotheksmusik

23. Juni 2023, 19.00 Uhr
Lesesaal der ub.mdw

Studierende spielen Werke von Schulhoff, Bartók, Busch, Wagenseil, Stravinsky, Essl, Pinho Vargas.

Die Lehrveranstaltung fand unter der Leitung von Petra und Heinz-Peter Stump-Linshalm (künstlerisch) sowie Stefan Jena (musikwissenschaftlich) statt.

(Text: STM)

 

 

LC # 83  |  Mai 2023

Hans Swarowsky

Hans Swarowsky (1899–1975) gehört aufgrund seiner intellektuellen und künstlerischen Vielseitigkeit als Dirigent, Pädagoge, Autor und Übersetzer, durch seine engen Beziehungen zu Schlüsselfiguren der Musik des 20. Jahrhunderts wie Schönberg, Webern oder Richard Strauss, durch seine bis heute nachwirkende Tätigkeit als Dirigierlehrer und durch seinen stets unkonventionellen Zugriff auf Interpretationsfragen zu den interessantesten Figuren der jüngeren österreichischen Musikgeschichte.
Von 1947 bis 1970 leitete Swarowsky eine Dirigierklasse an der mdw. Zu seinen Schülern zählten spätere Größen wie Claudio Abbado, Zubin Mehta, Giuseppe Sinopoli oder auch die Komponisten Anestis Logothetis und Erich Urbanner.

Vergangenen Herbst ist bei Böhlau ein von Reinhard Kapp und Markus Grassl herausgegebener Sammelband erschienen. Diese Publikation bietet erstmals umfassende Studien und Materialien zur in vielen Punkten bislang unaufgehellten Biographie Swarowskys und unternimmt den Versuch einer aufführungsgeschichtlichen Einordnung dieses ikonischen Dirigierlehrers und in seiner Bedeutung erst noch zu würdigenden Dirigenten.

Im Jahr 2018 erwarb die mdw den künstlerischen Nachlass von Hans Swarowsky, der seither in der Bibliothek aufbewahrt wird und sich regen Interesses erfreut.

Buch- und Nachlasspräsentation

17. Mai 2023, 18.00 Uhr
Lesesaal der ub.mdw

Reinhard Kapp, Markus Grassl (Hgg.),  Der Dirigent Hans Swarowsky (1899–1975): Musik, Kultur und Politik im 20. Jahrhundert
Böhlau, Wien 2022

(Text: Verlagstext, STM)

 

LC # 82  |  April 2023

"I wanna live fast, love hard, die young
and leave a beautiful memory ..."

Als der mittlerweile beinahe völlig vergessene Countrysänger Faron Young 1955 diese Worte für seinen Song "Live fast, love hard, die young" schrieb, ahnte er wohl nicht, dass er damit gleichsam das Motto der folgenden Rock-Generation(en) vorwegnahm, nur vergleichbar mit "Sex, Drugs & Rock'n'Roll".
Den von den Göttern überreich Gesegneten – so hieß es im antiken Griechenland – droht vorzeitiges Ableben. Diese Lebensregel traf auf viele zu: etwa Brian Jones, Jim Morrison, Jimi Hendrix, Janis Joplin, Kurt Cobain und Amy Winehouse, die den berüchtigten Club 27 bilden, weil alle mit nur 27 Jahren starben. Andere wurden im mittleren Alter Opfer ihres Ruhms und des damit verbundenen Lebensstils: Prince (57), Elvis Presley (42), Freddie Mercury (45) oder der nicht ganz so bekannte Singer/Songwriter der Postpunk-Ära Nikki Sudden (49). Manche wiederum, wie etwa das enfant terrible der Sex Pistols, Sid Vicious, segneten schon mit 21 das Zeitliche.

Ernst Hofacker hat in seinem Buch "Live fast, love hard and die young" tragische Geschichten aus Rock und Pop zusammengestellt.
Doch sprengt die Geschichte des Düsteren, Abseitigen in Rock, Pop und all den Subgenres wohl den Umfang eines einzigen Buches. Mark Lanegans Autobiografie „Alles Dunkel dieser Welt“ ist da sehr erhellend (falls das bei diesem Thema überhaupt möglich ist). Doch bietet die ub.mdw darüber hinaus noch Einiges zu den schattigen Ecken eines Lebenstils an, der sich sehr oft Alles oder Nichts auf die Fahnen geheftet hat.

Was letztendlich von ihnen allen bleibt, sind Erinnerungen. A beautiful memory.

(Text FRT/ub.mdw)

 

LC # 81  |  März 2023

Der Nachlass von Mary Dickenson-Auner an der ub.mdw

Die ub.mdw freut sich, den Nachlass von Mary Dickenson-Auner, der handschriftliche Aufsätze, publizierte Noten und vieles mehr beinhaltet, in ihre Beständen aufgenommen zu haben. (Ein Verzeichnis der Materialien finden Sie >hier)
Mary Dickenson-Auner entstammte der irischen Adelsfamilie Mac Donnell, ihr Großvater Sir Hercules H. Graves Mac Donnell war Rektor der Universität und Mitbegründer der Musikakademie Dublin. Gegen den Willen ihrer Familie setzte sie ihr Studium an der Royal Academy of Music, London, durch, wo sie 1902 ihre Abschlussprüfung in Violine, Orgel und Komposition ablegte.
Ab 1909 lebte sie zusammen mit ihrer Mutter in Wien.
1922 spielte sie die österreichische Erstaufführung der Sonate für Violine und Klavier von Béla Bartók im Wiener Konzerthaus; im Sommer 1922 stellte sie zusammen mit Bartók das Werk bei den neu gegründeten Internationalen Kammermusikaufführungen in Salzburg vor.
Sie trat dem Verein für musikalische Privataufführungen von Arnold Schönberg bei und konzertierte unter seiner Leitung. Ab 1925 entwickelte sie ein pädagogisches Konzept: die Hörstunden, die sie in Zusammenarbeit mit dem Wiener Stadtschulrat erprobte. Ziel war es, mit der theoretischen wie praktischen Einführung in das Werk ausgewählter Komponisten das Musikverständnis der jungen Hörer zu schulen.  Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1938 erhielt Mary Dickenson-Auner als britische Staatsbürgerin Berufsverbot. Zwangsläufig zurückgezogen von den öffentlichen Bühnen widmete sich Mary Dickenson-Aunder zunehmend ihrer kompositorischen Tätigkeit. In den folgenden 25 Jahren schrieb sie sechs Symphonien, vier Opern, zwei Oratorien, zahlreiche Lieder und Kammermusikwerke. Von 1946 bis 1962 wurden ihre kammermusikalischen Werke in zwölf Konzerten präsentiert, drei ihrer Symphonien gelangten zur Uraufführung und wurden im Österreichischen Rundfunk gesendet.

Beeinflusst von der zeitgenössischen Musik der 1920er und 1930er Jahre entwickelte May Dickenson-Auner ein polyphones Musikkonzept, das ihre Vorliebe für Johann Sebastian Bach mit der Musik Schönbergs verbindet. In der Wahl ihrer musikalischen Motive griff sie immer wieder auf irische Volksweisen zurück. Der spätromantische irische Dichter William Butler Yeats und die von der Theosophie zitierten Philosophen Europas und Asiens bestimmten die Wahl ihrer literarischen Themen. Zahlreiche Liedertexte verfasste sie selbst.

(Text FRT/ub.mdw, Quelle: Sophie Drinker Institut)

 

LC # 80  |  Jänner 2023

Die Musikaliensammlung Leopolds I.

Unter der Regierung Leopolds I. (1640–1705) hat die Musik am Wiener Kaiserhof eine privilegierte Stellung genossen. Die Kaiserliche Hofmusikkapelle und die Kapelle der Kaiserin Witwe Eleonora II., geleitet von hervorragenden Persönlichkeiten wie Antonio Draghi (1632–1700) oder Johann Heinrich Schmelzer (1623–1680), waren für eine erstaunlich hohe Anzahl an Vokalwerken-Uraufführungen verantwortlich. Fast alle diese Werke waren für eine einzige Aufführung konzipiert, ohne vorgesehene Verbreitung der dafür verfassten Partituren. Der Kaiser selbst als leidenschaftlicher Musiker hat aber Abschriften von diesen Werken verfassen lassen, und in seiner privaten Bibliotheca Cubicularis (Schlafkammerbibliothek) sorgfältig gesammelt. Diese bildet eine der wichtigsten Musikaliensammlung dieser Zeit. Heute im Bestand der Österreichischen Nationalbibliothek sind die überlieferten Bände eine faszinierende Quelle zur Erkundung des musikalischen Wesens am Habsburger Hof am Ende des 17. Jh..
In ihrem neuesten Buch über diese Musikaliensammlung stellt die belgische Musikwissenschaftlerin Greta Haenen, Autorin des Standardwerkes Das Vibrato in der Musik des Barock, die Ergebnisse einer jahrzehntelangen Beschäftigung mit dieser Sammlung vor und leistet mit dieser Monografie einen wichtigen Beitrag zur Wahrnehmung dieses noch zu wenig bekannten Kapitels der Musikgeschichte.

Buchpräsentation

19. Jänner 2023, 18.00 Uhr
Lesesaal der ub.mdw

Greta Moens-Haenen, Die Musikaliensammlung Leopolds I. Versuch einer Rekonstruktion
Hollitzer, Wien 2022

 

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