Trauer um Karl Schütz

Karl Schütz: Ein Leben für die Orgel (17.04.1936–13.10.2020) – Nachruf

 

Völlig unerwartet erreichte uns vor kurzem die Nachricht vom Tod Karl Schütz. Einfach unvorstellbar, hatte Schütz doch zuletzt durchklingen lassen, er werde zwei Wochen nach seiner Knieoperation wieder seinen Orgeldienst aufnehmen. Doch es kam völlig anders ...

 

Mit Karl Schütz ist ein großer Organologe und begeisteter Kirchenmusiker von uns gegangen. Sein umfangreiches Lebenswerk, das in der Festschrift des Österreichischen Orgelforums anlässlich seines 80. Geburtstages gewürdigt wurde, konzentrierte sich mit viel Elan, Energie und Ausdauer seit Kindheit an auf das Instrument Orgel. War es einerseits die Orgel selbst, die ihn in ihren unterschiedlichen Konzeptionen von der Kinoorgel bis zur Konzertsaalorgel zeitlebens in ihren Bann zog, so war es andererseits das Orgelspiel, bei dem er für sein Wirken als Organist wichtige musikalische Impulse von seinem verehrten Lehrer Karl Walter (1892–1983) erhielt. Für die Orgel war ihm kein Weg zu weit, keine Strapaze zu viel, wie dies an seinen vielen Veranstaltungen und Orgelreisen in Europa und Übersee zu sehen ist.

 

Seine kirchenmusikalische Heimat fand Schütz ab 1953 als Organist an der Kirche St. Anton von Padua im X. Wiener Gemeindebezirk, der er trotz aller Höhen und Tiefen im Leben eines Kirchenmusikers bis zuletzt treu blieb. Bereits im Alter von 13 Jahren spielte er seine ersten Gottesdienste am Harmonium und erlernte sich das Orgelspiel zunächst autodidaktisch. Ab 1952 durfte er regelmäßig Orgelvertretungen in St. Johann Evangelist (Keplerkirche) und St. Anton von Padua übernehmen. Der Organistendienst jener Zeit war sehr intensiv: Jeden Tag war um 18 Uhr eine Messe zu spielen, und an Sonntagen sieben Gottesdienste, unabhängig von den vielen Hochzeiten am Wochenende, für die er wenigstens bezahlt bekam.

Ein besonderer Lichtblick für ihn war 1962 die Errichtung einer neuen, „seiner“ Orgel in der Kirche St. Anton von Padua, die von der Orgelbaufirma Dreher&Reinisch (52/III/P) als Kegelladenorgel mit elektromagnetischer Steuerung erbaut wurde. Dieses Instrument hat ihn sowohl in technischer als auch in musikalischer Hinsicht sehr geprägt, war es doch auch sein Orgellehrer Walter, der dieses Instrument konzipiert hatte. In Gesprächen brachte er oft zum Ausdruck, wie glücklich er war, dass 2004 die Restaurierung seiner Orgel durch die Orgelbaufirma Franz Windtner abgeschlossen werden konnte.

 

Auch als Chorleiter konnte er seine musikalischen Begabungen in den Dienst der Kirche stellen: Mit 14 Jahren hatte er bereits seinen zweiten Jugendchor gegründet und schließlich von 1957 bis 1972 den Kirchenchor von St. Anton geleitet. Auch die musikalische Nachwuchspflege in der Pfarre war ihm stets ein besonderes Bedürfnis. Wie intensiv der Einsatz der Familie Schütz für die Kirchenmusik an St. Anton war, kann daran abgelesen werden, dass in den ersten fünf Jahren seiner Tätigkeit als Kirchenchorleiter seine Eltern das Orchester für die fünf Messen im Jahr bezahlt haben. Außerhalb der kirchenmusikalischen Dienste stellte er sich für Funktionen als Leiter des Liturgieausschusses (vom Bestehen des Pfarrgemeinderates bis 2015) und später als stellvertretender Vorsitzender des Pfarrgemeinderates (2002–2015) in der Pfarre St. Anton zur Verfügung.

 

Nachhaltig bis zur Gegenwart hat sich seine Lehr- und Forschungstätigkeit von 1972 bis 2003 an der damaligen Akademie für Musik und darstellende Kunst (heute: Universität für Musik und darstellende Kunst Wien) erwiesen. In unzähligen Artikeln nahm er zu orgelbautechnischen Themen Stellung. Die von ihm aufgebaute Orgelforschung am damaligen Institut für organologische Forschung und Dokumentation dient bis heute als Basis organologischen Forschens in Österreich. Generationen von Organistinnen und Organisten aus vielen Ländern vermittelte er sein Wissen und seine Leidenschaft zum Orgelbau.

 

Seine vielen Funktionen und Vereinstätigkeiten in- und außerhalb der Hochschule haben ihn auch nach seiner Pensionierung im Jahr 2003 weiterhin begleitet. Ein besonderes Herzensanliegen aber war ihm die Gründung, Mitarbeit und langjährige Präsidentschaft des Österreichischen Orgelforums, dessen Präsident von 1982 bis 2004 und bis zuletzt dessen Ehrenpräsident er war.

 

Für Karl Schütz war es durchaus selbstverständlich, Orgelbau umfassend zu sehen, zu erforschen und zu vermitteln. Er hatte keine Scheu, sich abseits des Mainstreams intensiv mit Spezialthemen wie den Theater- und Kinoorgeln in Österreich (1991) zu beschäftigen. Auch nahm sich Schütz besonders der Rettung wichtiger und bedeutender Registerkanzellenladenorgeln – wie der Orgel im Großen Saal des Wiener Konzerthaues (Rieger, 116/V/P elektropneumatische Traktur) – an, sein Interesse an Orgeltechnik kam ihm dabei stets zugute. Seine Tätigkeit als Gutachter für das Bundesdenkmal hat ihn in sehr viele Orte Österreichs geführt: In der Zeit von 1978 bis 2006 entstanden mehr als 600 Gutachten.

 

Die Orgelforschung in Europa und Österreich ist ebenfalls eng mit dem Namen Karl Schütz verbunden, stand er doch an vorderster Stelle, wenn es darum ging, Wichtiges in inhaltlicher und struktureller Basis für den Orgelbau zu schaffen. So war er Gründungsmitglied der IAOD (Internationale Arbeitsgemeinschaft für Orgeldokumentation) und von 1990 bis 2005 deren Präsident. Der stets technisch interessierte Organologe hatte auch auf dem Gebiet der computerunterstützten Orgeldokumentation zusammen mit dem gleichaltrigen Uwe Pape (*1936) Pionierarbeit geleistet. Die für die Feldforschung unverzichtbaren Utensilien wie Fotoapparat und Filmkamera waren auch ständige Begleiter von Karl Schütz.

 

Der GdO (Gesellschaft der Orgelfreunde) gehörte Schütz seit 1963 an, ab 2001 war er im Hauptausschuss für die Organologen und später für die Orgelsachverständigen tätig. Höhepunkt seiner Tätigkeit für die GdO waren die sehr erfolgreichen Tagungen in Wien (1990) und Graz (2007). Die aufgrund der Corona-Pandemie von 2020 auf 2021 verschobene zweite Wiener Tagung kann er nur noch „von oben“ erleben.

 

Zahlreiche Ehrungen krönen seine verdienstvollen Arbeiten: Ehrenkreuz in Silber für die Verdienste um das Stift Lilienfeld (1985), Ehrenzeichen der Stiftung Theresianische Akademie in Gold (1987), Päpstlicher Orden „Pro Ecclesia et Pontifice“ (2002) und Orlando di Lasso-Medaille (2019) als höchste kirchenmusikalische Auszeichnung des ACV.

 

Freundlich im Umgang, zu Scherzen aufgelegt, bestimmend in den Vorgaben von Restaurierungszielen und beharrlich in der Durchführung von Projekten – so wird er uns wohl in Erinnerung bleiben. Wir werden ihn sehr vermissen. Möge er ruhen in Frieden.

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Karl Schütz an der Orgel in St. Anton zu Padua. Orgelweihe der restaurierten Orgel (2004)