Wissenschaftszentrum
Gustav Mahler und die Wiener Moderne

Vienna Mahler Lectures


 

Die Vortragsreihe Vienna Mahler Lectures ist eine Kooperation des imi/wgm mit der Internationalen Gustav Mahler Gesellschaft.

Internationale Expert_innen sprechen über aktuelle Fragen der Mahler-Forschung und setzen sich auch kritisch mit den narrativen Traditionen dieser Forschung auseinander.

Geplant sind drei bis vier Vorträge pro Jahr. Informationen zur Vortragsreihe: glanz[at]mdw.ac.at

 

Vienna Mahler Lecture #7

Tobias Janz: "Musikalische Hypertrophie. Mahlers Sechste Symphonie und der Orchesterklang des Fin de Siècle"

14. Dezember 2023, 18:00 Uhr

Ort: Wissenschaftszentrum Gustav Mahler | 1030 Wien, Lothringerstraße 18

Der Klang von Mahlers Musik ist in seiner Idiosynkrasie unverwechselbar. Spätestens seit Adorno hat man ihren individuellen „Ton“ aber auch als musikalische Resonanz ihrer Entstehungszeit, der allgemeinen kulturellen und gesellschaftlichen Transformationen der Jahrhundertwende mit ihren ästhetisch-normativen Friktionen gehört. Mahlers Klang in dieser doppelten Perspektive musikwissenschaftlich zu erforschen ist ein Projekt, das nach Interdisziplinarität ruft, dem im Modus einer allzu rigiden musikwissenschaftlichen Arbeitsteilung die Einheit des Gegenstands aber auch zu zerfallen droht. Von diesen Überlegungen ausgehend entwickelt der Vortrag Ideen zur Analyse des symphonischen Klangs bei Mahler. Trotz neuerer Initiativen zu einer „New Organology“ der Musik und eines gewachsenen musik- und kulturwissenschaftlichen Interesses an Klang, Sound und Timbre sind entsprechende Zugänge im Kontext der Mahlerforschung überraschend schwach entwickelt. Die Sechste Symphonie bietet, als reine Instrumentalsymphonie mit einer sehr spezifischen Konzeption des Orchestralen, dafür vielfache Ansatzpunkte. Der Hypertrophie ihres Orchesterapparats entspricht eine Hypertrophie des Musikalischen, die eine eigenartige Spannung zur immer wieder betonten Subjektivität des musikalischen Gehalts dieser Symphonie erzeugt.

 

Vienna Mahler Lecture #6

Genevieve Arkle: "Rethinking the Turn Figure in Gustav Mahler’s Symphonies"

17. November 2022, 18.00 Uhr

Ort: Wissenschaftszentrum Gustav Mahler | 1030 Wien, Lothringerstraße 18

Abstract

Gustav Mahler’s symphonies are saturated with the ubiquitous presence of the turn figure. From the Second Symphony through to the sketches of the Unfinished Tenth, turn figures function as a recurring idea in Mahler’s motivic lexicon. As well as occurring as a motif, on numerous occasions Mahler’s turn figures provide an allusion to Wagner’s Heilandsklage motif [the ‘Saviour’s Lament’] from his last music drama, Parsifal, where the figure is primarily used to express the pain and suffering of Christ. This paper therefore has two primary goals. Firstly, it aims to investigate the role of the turn figure as a recurring expressive device in Mahler’s oeuvre. By examining the figure through the lens of topic theory, this paper provides an analytical framework for evaluating the expressive nature of the figure both in Mahler’s works and beyond. Secondly, it examines the relationship between Mahler’s turn figures and the Heilandsklage motif of Wagner’s Parsifal, focusing on its appearance in the finale of the Ninth Symphony. By examining the Mahlerian turn from this perspective, this study offers a fundamental rethinking of the figure not as a musical ornament but as a highly expressive, motivic, and topical device in the music of the nineteenth century.

Biography

Genevieve Arkle is a lecturer and researcher in the Department of Music at the University of Bristol. Her research focuses on intertextuality and musical meaning in 19th- and 20th-Century Austrian and German Music, specifically in the works of Gustav Mahler and Richard Wagner. She completed her PhD at the University of Surrey in 2021 and has previously held the positions of Postdoctoral Research Fellow and Assistant Lecturer at the University of Surrey and Visiting Lecturer at City, University of London. She is Deputy Director and Co-Founder of the Institute of Austrian and German Music Research (IAGMR) at the University of Surrey, Founder and ECR Leader of the Gustav Mahler Research Centre Postgraduate Forum (GMRC), Team Lead for the Equality Diversity and Inclusion in Music Studies Network (EDIMS), and in 2021 she was appointed as a member of council for the Royal Musical Association (RMA) and the Society for Music Analysis (SMA).

 

Vienna Mahler Lecture #5

Gerhard Scheit: "Scherzo und Trauermarsch in der Fünften Mahler oder: Das Ende des geistigen Tierreichs"

30. Mai 2022, 18.00 Uhr

Ort: Wissenschaftszentrum Gustav Mahler | 1030 Wien, Lothringerstraße 18

Durch „Einschiebung nicht wiederholter und nicht wiederholbarer Felder“ möchten Mahlers Scherzi bzw. scherzoartigen Sätze früh schon „aus dem Einerlei der Tanzdrehung heraus“, schrieb Adorno. Solche innermusikalische Kritik und unromantische Ironie, die an den Ton erinnert, mit dem in der Hegelschen Phänomenologie vom „geistigen Tierreich“ gesprochen wird, ziehe schließlich „die historisch seltsam widerstandsfähige Form unerbittlich ins Kraftfeld des symphonischen Komponierens“. Was dieser Vorgang im Einzelnen beinhaltet, kann am dritten Satz der Fünften herausgearbeitet werden. Im letzten Teil des Vortrags geht es um die dem Scherzo entgegengesetzten und zugleich mit ihm korrespondierenden Formen, womit im ersten Satz das ‚Einerlei‘ des Trauermarsches seine ganze Schwere erhält und gewaltsam durchbrochen wird.

 

Vienna Mahler Lecture #4

Glenn Stanley: "Gegen die Schlamperei". Mahlers Fidelio an der Wiener Hofoper 1904: Konzept, Kritik, Wirkung

22. Oktober 2019, 18.00 Uhr

Ort: Bankettsaal, mdw-Campus | 1030 Wien, Anton-von-Webern-Platz 1

In seiner Bemühung, eine moderne, vitale Aufführungspraxis des klassischen Opernrepertoires zu schaffen, nahm Gustav Mahler, als Dirigent und de facto Regisseur, in seiner "Fidelio"-Produktion in Wien 1904 grundsätzliche Abweichungen von den in der Partitur vorgegebenen Nummerfolgen, Bühnenbild- und Regieanweisungen vor. Alfred Rollers Gestaltung der Bühne leistete dazu einen entscheidenden Beitrag. Auch, der journalistischen Kritik zufolge, brach Mahler grundlegend mit der herkömmlichen musikalischen Aufführungspraxis. Die Pro- und Kontralager in der Presse urteilten sonst nach ihren etablierten Einstellungen: Mahlers Ansatz war schon bekannt. Die unmittelbarste künstlerische Auseinandersetzung besorgte sein Nachfolger in Wien, Felix Weingartner, der eine restaurative Kampagne gegen Mahlers Interpretation führte. Die einflussreichste und spektakulärste "mahlersche" Innovation – die Aufführung der Leonore-Ouvertüre Nr. 3 vor dem Finale des 2. Aktes – war gar keine: Mehrere Dirigenten hatten schon Mitte des 19. Jahrhunderts die Praxis eingeführt. Doch dank Mahlers Autorität wurde es als seine Idee verstanden und etliche Dirigenten griffen (und greifen) darauf zurück. Ist es abwegig, Mahler als Urvater des Regietheaters zu betrachten? Gründe dafür gibt es schon!

 

Vienna Mahler Lecture #3

Anna Ficarella: "Blicke mir nicht in die Lieder!" Ein Einblick in Mahlers Kompositionswerkstatt

14. Juni 2019, 18 Uhr

Ort: Raum A 0201 | Seilerstätte 26, 1010 Wien

Der Vortrag von Anna Ficarella nimmt Gustav Mahlers Bearbeitungspraxis in Bezug auf seine symphonischen Werke in den Blick. Zentral beleuchtet werden die Aspekte von Mahlers Bestrebungen um die getreue Repräsentation seiner klanglichen Vorstellung und die Unabschließbarkeit des Revisionsprozesses, die sein Schaffen prägt.

 

Vienna Mahler Lecture #2

Hans Rudolf Vaget: Die "Maske Mahlers."  Thomas Mann und Gustav Mahler im Lichte neuer Quellen

13. November 2018, 19 Uhr

Ort: Bankettsaal, mdw-Campus | 1030 Wien, Anton-von-Webern-Platz 1

Der jüngst veröffentliche, einzige Brief Mahlers an Thomas Mann wirft im Hinblick auf ihre Beziehung eine Reihe von neuen Fragen auf. Diese lassen sich jedoch anhand einer weiteren neuen Quelle, den Tagebüchern Hedwig Pringsheims, weitgehend klären. Die dramatisch verbesserte Quellenlage liefert den Anlass, die Beziehung Thomas Manns zu Gustav Mahler über den Tod in Venedig hinaus im Ganzen in den Blick zu nehmen. Es geht dabei nicht allein darum, die persönlichen Begegnungen und die Anzahl der von ihm besuchten Mahler-Konzerte zu rekonstruieren; vordringlicher ist die Aufgabe, die Konturen einer geistigen Affinität sichtbar zu machen. Eine entscheidende Rolle in Mann’s Mahler-Rezeption spielte sein Schwager Klaus Pringsheim, Assistent Mahlers in dessen letztem Jahr als Direktor der Wiener Hofoper. Klaus Pringsheim war es auch, der dem Verfasser des Tod in Venedig erkennen ließ, inwieweit das Werk Gustav Mahlers mit dem demokratischen und kosmopolitischen Geist der Weimarer Republik kompatibel ist.

 

Vienna Mahler Lecture #1

Julian Johnson: Mahler’s plural voices

13. Juni 2018, 19 Uhr

Ort: Bankettsaal, mdw-Campus | 1030 Wien, Anton-von-Webern-Platz 1

Die Reihe startete mit Julian Johnson (Royal Holloway, London), der in den letzten Jahren mit wesentlichen Publikationen sowohl zu Gustav Mahler wie auch zur Wiener und internationalen Moderne hervorgetreten ist.